Jedes Jahr beginne ich den Elbriot-Artikel mit einem Vergleich zu dem zwei Wochen vorher stattfindenden Wacken Open Air, der letztendlich auf “Juhuuu, kein Matsch” hinausläuft. Dieses Jahr gab es keinen Matsch in Wacken, was diesen Vorteil des Riots obsolet machte. Stattdessen wird der Nachteil der Nähe zu Wacken deutlich. Neben dem Headliner “Arch Enemy” war auch schon die vorvorletzte Band “Skindread” beim Wacken zu sehen und mit “Jasta” trat der Frontmann von “Hatebreed” auf, der hier sein Solo-Projekt präsentiert, aber mit seiner Band ebenfalls in Wacken live zu sehen war.
Für alle unter den 14.000 Besuchern die nicht vor zwei Wochen in Wacken waren, bedeutet das ein hochwertiges Metal-Line-Up, dass von den norwegischen Black-Metallern von “Satyricon” und den Hardcore-Legenden “Suicidal Tendencies” ergänzt wurde. Der Sound war wie immer gut, der schwache Wind sorgte dafür, dass man sich nicht um Störgeräusche an den Mikros Gedanken machen musste und die (etwas) angenehmeren Temperaturen von 26 statt 31 Grad Celsius sorgten für eine ausgelassene Feierlaune.
JASTA
Jamie Jasta, der vielbeschäftigte Mann. Als Frontmann von Hatebreed und Icepick bekannt, gründete er 2006 zudem noch das Projekt “Kingdom of Sorrow” und seither war er nebenbei noch mit Freunden auf seiner “European Vacation 2” Tour in Europa unter seinem Nachnamen “Jasta” unterwegs. Auf der Riot-Bühne bewies Jamie, dass sein “Street-Cred” in der Metal und Hardcore-Szene nicht von ungefähr kommt. Nach dem Opener “Walk the path alone” coverte er Hits von Fear Factory und Crowbar und gab nebenbei noch ein paar Hits von Kingdom of Fear zum Besten. Dabei legte er ein Tempo vor, das mich spätestens nach drei Songs ins Sauerstoffzelt gebracht hätte. Jamie hatte jedoch noch ein Lächeln und ein paar Sprüche für seine Fans übrig bevor Bass, Drums und Gitarre wieder reinhauten und er über die Bühne flitzte um seine Lyrics in Mikro zu donnern. Zum Abschluss griff er sogar selber zur Gitarre und zeigte wie gut er auch Power-Riffs beherrscht.
beartooth
Danke an Red Bull. Neben Energy-Drinks, krassen Flugshows und einen Formel 1 Team hat Red Bull Records uns auch Beartooth beschert, die 2012 beim Salzburger Energydrink-Musiklabel unter Vertrag genommen wurden. Seitdem hatten die Hardcore-Jungs aus Ohio fleißig alle zwei Jahre ein Album released und reisten mit einem vollen Repertoire im Gepäck nach Hamburg. Gekonnt wurden im Opener “Hated” fast schon poppige Punk Rock-Gesänge die man einfach mitsingen kann mit der Aggression von Hardcore-Riffs kombiniert. Andere Songs wie “Agressive” enthielten zusätzlich die schmutzigen Shouts aus dem Thrash Metal.
Die Musik von Beartooth schien wie ein wildes Tier um sich zu schlagen und die Jungs auf der Bühne unterstützten diesen Eindruck durch kraftvolles, aggressives Auftreten und einer wilden Energie, die auf das Publikum überschlug und zu Circlepits und Crowdsurfing führte.
satyrikon
Die ersten Growler des Tages waren die Norweger von Satyricon. Und dennoch auch die “ruhigste” Band. Natürlich ballerte Drummer “Frost” mit der Double-Bass-Drum ein Maschinengewehr-Feuer aus Beat heraus, so wie es sich für guten Black-Metal gehört, die die Riffs von Satyricon marschierten dazu wie eine Armee von Untoten über das Publikum hinweg und Sänger “Satyr” mit seinem blass-geschminkten Gesicht growlte jede einzelne Lied-Zeile einzeln ins Mikro und ließ sie für sich wirken, bevor er die nächste losließ. Ab und an mischte er ein verschwörerisches Flüstern dazwischen, dass kurz aufhorchen ließ, um dann wieder finster zu growlen und Geschichten von Tod und Vernichtung zu erzählen. Eine ganz andere, diabloisch-weltvernichtende Energie im Vergleich zum aggressiv-rebellischen Hardcore, die die Menge vereinte und zu einem gemeinschaftlichen Headbangen zu einem langsameren Takt einlud, als zu wildem Moschen.
skindred
Es gibt Bands, auf die freut man sich lange. Und dann sieht man sie und zwei Wochen später sieht man sie wieder, aber die Freude ist immernoch da, nur nicht mehr ganz so groß. So ging es mir letztes Jahr mit Megadeth und dieses Jahr mit Arch Enemy. Ganz anders aber dann bei Skindred. Obwohl ich Skindred gerade erst vor 2 Wochen mit nahezu gleichem Set auf Wacken und größerer Bühne mit mehr Publikum gesehen hatte, freute ich mich enorm, als Frontmann Benji Webber mit seiner nieten-besetzten Sonnenbrille, den Dreds und seiner rot-gelb-grünen Lederjacke auf die Bühne trat.
Benji ist für mich nicht der große Musiker den man sehen will, wenn er ein neues Album rausgebracht hat und endlich wieder auf Tour geht. Er ist mehr der sympathische Buddy, der immer die gleichen die Sprüche bringt und einen immer wieder mit den gleichen Jokes zum Lachen bringt. Nicht weil die Pointen so gut sind, sondern weil seine gute Laune so ansteckend ist.
Mit einer Mischung aus Reggea-Melodien und funky Lyrics, Punk-Attitude und Hardcore-Riffs begeisterte Skindred auch auf dem Elbriot die Menge, spielte Dubstep-Samples und “Carlifornia Love”-Loops ein, brachte das Publikum zum Mitsingen, Hinsetzen, Aufspringen und letztendlich bei “Nobody” auch dazu, das Hemd auszuziehen und als “Newport Helicopter” über den Köpfen kreisen zu lassen.
Suicidal tendencies
Kaum eine Band steht so sehr für “Hardcore” wie Suicidal Tendencies. In einer WG gegründet, von einem Indie-Label gelaunched und mit jahrelangem Auftrittsverbot und sogar FBI-Überwachung “gestraft”, schufen Suicidal Tencendies nicht nur eine neue Musikrichtung, sondern auch einen neuen Lifestyle der die Stimmung der End-80er und 90er prägte. Bandanas, Basketball-Shirts, antreibende Drums und Hardcore-Riffs mit Sprachgesang der gegen das System rebelliert, aber auch innere Konflikte besiegte. Und all das wurde dem Metal-Publikum beim Elbriot 2018 von der Bühne entgegen geworfen. Das Publikum machte dem Namen des Festivals alle Ehre.
Schon immer war auf dem Hamburger Großmarkt die Stimmung gut und das Publikum gerne bereit, mit den Bands zusammen durchzudrehen, aber Suicidal Tendencies starteten einen richtigen Riot. Moshpits, Crowdsurfer, hochgereckte Fäuste und lautes Mitsingen und Shouten kannte man bereits, aber Frontmann ”Cyco Miko” trieb das Publikum solange an, bis sie zu “Pledge your Allegiance” die Bühne des Riots über die Absperrung kletterten, sich gegenseitig hoch halfen und die Bühne des Riots stürmten um mit den Cycos den erinnerungswürdigen Auftritt bis zum Ende zu feiern.
arch enemy
An dieser Stelle ein schnelles Lob an die Bühnencrew vom Riot, die den Zeitplan fast schon wie ein Uhrwerk einhielt und dabei wenn überhaupt, nur kleine Patzer machte, die nicht wirklich auffallen. Trotzdem blieb bei einer einzelnen Bühne bei weitem nicht so viel Zeit zum Umbauen, als hätte man zwei Bühnen zur Verfügung, wo eben eine ab- und aufgebaut wird während auf der anderen noch gespielt wird.
Für Arch Enemy bedeutete es, dass die blauhaarige Frontfrau Alissa White-Gluz nicht die beeindruckende Bühneninstallation und die fetten Pyros wie bei den größeren Festivals zur Verfügung hatte, sondern „nur“ mit einem “Bühnenbild in light-Version” auskommen musste. Aber das hinderte die growlende Kanadierin nicht, ein Feuerwerk aus Melodic-Death-Metal Songs zu zünden, das völlig ohne Pyro und beweglichen Bühnenaufbau auskam. Wobei das “Melodic” bei Alissa kaum zur Geltung kommt. Die Power in ihrem Gesang und ihr Tempo auf der Bühne kann locker mit ihren Hardcore-Kollegen mithalten, die im Laufe des Tages gut vorgelegt und das Publikum aufgewärmt hatten.
Mit Hits wie “The world is yours”, “War eternal”, “As the pages burn” und “You will know my name” folgte der Endspurt ebim Elbriot 2018, ein verdientes Finale zu einem anstrengenden und ausgefüllten Tag auf dem Hamburger Grossneumarkt, der leider viel zu früh vorbei ging. Aber – und hier kommt wieder einer der Vorteile des Elbriot – von hier bis zu Hamburgs Partymeilen ist es ja nicht weit.