So war das Reload Festival 2018 am Freitag


(Bild: stagr / Daniel Stahlmann)

Eher muffelig als mit Motivation schleppen wir uns um kurz nach elf am Morgen vor die Bühne. Gestern die Party war einfach krass. Anreisebedingt konnten wir erst zu ZSK vor Ort sein, haben uns aber erzählen lassen, dass vorab Counterparts und Annisokay auch schon ziemlich Party in dem kleinen Zelt veranstaltet haben. Naja, und wenn sich bei ZSK sogar ein Polizist dazu hinreißen lässt mit dem privaten Handy zu filmen und dabei sichtlich bemüht ist, nicht zu viel Euphorie zu zeigen, will das was heißen.

walking Dead on Broadway

Eigentlich ist das ungerecht. Es muss zwar jemand beginnen, aber gute Bands brauchen nun einmal Publikum. Und das muss ja irgendwann einmal aus dem Bett fallen. Wenn man also auf Duschen und Zähne putzen verzichten sowie ohne einen Check ob das T-Shirt eigentlich korrekt angezogen ist vor die Bühne sprintet konnte man es halbwegs gut schaffen. Der morgendliche Regen hat die Dusche übernommen und die Jungs aus Leipzig haben einen dann auch ordentlich belohnt. Sechs Jahre nach ihrem Debut-Album wissen die Jungs einfach, wie man morgens Stimmung macht. Jetzt müssen nur noch die Veranstalter die Jungs in spätere Slots packen. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob die Zeit zum trinken nach der Show nicht drastisch kürzer ist.

Booze & Glory

Bisher irgendwie unter dem Radar gewesen, haben Booze&Glory in diesem Jahr das ein oder andere Festival in Deutschland besucht und dürften ordentlich Fans gesammelt haben. Klar, ein großer Pluspunkt ist Chema am Bass. Quasi im Alleingang rockt er die Bühnenshow, während sich der Rest nicht so aus sich heraus traut und eher introvertiert vor sich hin spielt. Oder wirken im Vergleich zu Chema nur einfach alle schüchtern? Darauf erst mal ein Bier!

watch out stampede

Ich würde ja gerne was positives sagen, aber den Slot mit Walking Dead On Broadway zu tauschen wäre wohl das netteste. Vielleicht war es auch einfach nur der Tontechniker, der ab jetzt den Sound versaut hat und gar nicht die Band, die nur Bass als Musik verkaufen wollte. Demnach wären WDOB auch nicht besser gewesen. Gerne würden wir etwas sagen, aber selbst das Genre ließ sich lediglich an der Aufmachung definieren. Wenn wir nur Ohren hätten, wäre es am besten als basslastiges Störgeräusch einzuordnen.

street dogs

Street Dogs? Haben hier nicht gerade noch Watch Out Stampede genau das selbe Lied gespielt? Aber schon wieder eine Band aus dem Genre „basslastiges Störgeräusch“ spielen zu lassen hätte nicht sein müssen. Zugegeben, dieses mal konnte man zwischendrin auch mal den Sänger verstehen. Wir hatten schon Sorge er würde nur die Lippen bewegen. Die Wikipedia verrät uns aber, dass dies hätte Punk sein sollen. Okay, wir glauben das jetzt einfach mal und hoffen, dass beim nächsten Auftritt ein anderer Tontechniker die Regler bedient.

pro-pain

Pain! trifft es auf den Punkt. „Pro“ ist der Schmerz eher weniger. Aber langsam ein ganz großes Contra. Ja, es wird besser und der Bass drückt einmal nur noch manchmal das Essen wieder in die Speiseröhre hoch. Schmerzen tut es auch, dass gerade rückblickend drei Bands geradezu verrissen wurden, einfach weil auf dem FOH jemand die Regler scheinbar nicht im Griff hat. Die Fans stört das übrigens teilweise recht wenig. Es gibt doch immer mehr Menschen, die vor die Bühne kommen. Auch Spaß lässt sich nicht leugnen, aber vielleicht haben wir einfach auch zu wenig Alkohol im Blut um den Sound genießen zu können.

prong

Prong lösen das Problem einfach, aber Simpel: Mindestens Alkoholisiert haben sie auf der Bühne so unfassbar viel Spaß, dass sich das auf die Menge vor der Bühne eins zu eins überträgt. Allerdings scheint auch jemand versehentlich gegen den richtigen Regler gekommen zu sein. Man mag es kaum glauben, aber es ist wieder Musik und Melodie zu erkennen. Mike Kirkland jedenfalls scheint auf einem anderen Stern zu sein, während seine Kollegen das beste daraus machen und auch immer wieder versuchen beim Sound noch nachzuregeln. Immer wieder werden Daumen hoch oder Daumen runter mit einem Fingerzeig auf ein Instrument anders verstärkt. Aber sei es drum, selbst eine verzerrte Gitarre ist besser als eine, die man gar nicht hört. Und so vermag sich auch musikalisch endlich wieder Festivalstimmung breit zu machen.

devildriver

Der Ton spielt bei Devildriver endlich nur noch eine untergeordnete Rolle. Endlich stimmt da vieles und Dez Fafara lässt es ordentlich krachen. Er selber ist als erster Sänger heute wirklich mal gut zu verstehen und auch die Gitarren erzeugen Harmonien so gut das eben zu Devildriver passt. Passend dazu ist es vor der Bühne auch erstmalig wirklich gut voll, sodass ein Wechseln der Bühnenseite nicht ohne weiteres machbar ist. Zumindest nicht im Bereich vor dem FOH.

sepultura

Jetzt haben wir uns schon den halben Tag so über den schwer im Magen liegenden Bass aufgeregt, da ist schon ein weiterer gelungener Auftritt ein großes Lob wert. Nicht nur, das Sepultura seit eh und je eine Band ist für die man gar nicht genug Lob aufbringen kann. Dem Tontechniker jedenfalls scheint das Handwerk gelegt, und dem Spaß an diesem Abend absolut nichts mehr im Wege zu stehen. Auch Crowdsurfer finden immer Häufiger den Weg über die Menge nach vorne um dann, mit Glück auch sanft, von der Menge heruntergehoben zu werden. Wenn jetzt nur der ganze Staub nicht wäre, denn der nicht Enden wollende Circle-Pit verursacht. Wohl dem, der eine Maske vor dem Mund trägt. Beim reinigen des Gehörschutzes drängte es sich geradezu auf die Reduktion der Lebensjahre aufgrund einer Staublunge auszurechnen.

beartooth

Ahh, die Crew war beim Essen oder so. Unser geliebter Tontechniker ist wieder da. Kurzer Check ob alle Regler auf maximum stehen und schon kann es losgehen. Beartooth verkommen somit wieder zu einem durchstechenden BRRRRRRRRUUUUMMMMMMEEENNNNN. Ach wie haben wir es vermisst. Der Show tat das kein Abbruch, da die Menge dennoch eskaliert ist. Auch der Staubsturm setzt wieder ein, aber irgendwie war es doch schon wie heute Morgen bei Watch Out Stampede: Selbst ein Grind-Core Konzert hat mehr musikalischen Tiefgang als das, was hier zum Weglaufen einlädt. Positiv betrachtet muss man sagen: Es sind fast alle vor der Bühne geblieben.

eskimo Callboy

Ich muss ja zugeben, ich bin ja eher ein Metaller der alten Garde und stehe gehypten Jungspund-Metalbands eher kritisch gegenüber. Deshalb habe ich keine Eile den Auftritt der Callboys vom ersten Ton an mitzuverfolgen. Erstmal gemütlich den Toilettentrakt im VIP-Bereich (Hut ab – vierlagiges Klopapier!) aufgesucht und da erwischt mich der Bass des Intros heftig! Die Akustik des Klocontainers ist echt der Wahnsinn und gibt Gallensteinen keine Chance! Restentleert bemühe ich meinen noch vom Summer Breeze geschundenen Kadaver vor die Bühne um mich doch positiv überraschen zu lassen! Ich versuche zwar krampfhaft ein Mitwippen zu vermeiden, aber der Trancecore-Metal der Jungs packt mich doch – und vor allem das Publikum, das euphorisch die Band um den medial bekannten Rosenkavalier eines deutschen Privatsenders abfeiert. Treibende Beats, gepaart mit eingängigen Melodien, für die jüngere Generation der Metal-Weibchen doch wohl ansehnliche Herren auf der Bühne – das Konzept geht auf. Und ja, ich muss es zugeben, die Jungs verstehen was vom Musikmachen. Zumindest können sie sicher ihre Instrumente bedienen und können sich selbstbewusst auf der Bühne präsentieren. Dem Publikum gefällt es, und bis zum letzten Ton wird gehüpft, gemosht und gecirclepittet (man möge mich mich bitte in der korrekt konjugierten Verbform des Wortes Circlepit unterrichten).

Flogging Molly

Ob das Publikum nach diesem Act noch genug Energie hat, um die nachfolgenden Bands abzufeiern? Oh ja, genug Energie ist da! Denn beim punkigen Folkrock von Flogging Molly kann man nicht einfach nur still stehen bleiben. Ich erinnere mich an meine ersten Konzerte, unter anderen von The Pogues und man mag sich bei der Musik der Mannen gedanklich gern in eine alkoholgeschwängerte irische Kneipenszene hineinversetzen. Dabei kommen die Mannen aus der Stadt der Engel, Los Angeles, wo sie sich 1997 – wo könnte es anders sein – in einem Irish Pub gegründet haben. 21 Jahre später bringen sie nun 9000km weiter östlich in der beschaulichen niedersächsischen Kleinstadt Sulingen die Massen zum beben. Vom plötzlichen Temperatursturz der letzten Nacht ist auf dem Festivalgelände nichts zu merken, das Publikum ist heiß. Wenn Midtempo-Nummern nicht gerade zu Pogo und Circle Pit einladen, wird eben geklatscht und geschunkelt. Das Sextett um Sänger Dave King weiß jedenfalls gekonnt, die Meute vor der Bühne in Bewegung und auf Trab zu halten! Die instrumentale Vielfalt, die eine Folkband wie Flogging Molly mit zusätzlichen Thin Whistle, Akkordeon, Bodhran-Drums auf die Bühne stellt, wird wohl auf diesem Festival nicht mehr erreicht werden. Kann diese Stimmung nochmal getoppt werden?

Papa Roach

Die Headliner des Abends haben wohl vergessen, die Uhr umzustellen, sind dann aber gute 25 Minuten verspätet auf der Bühne mit so viel Energie ins Set gestartet, dass deshalb niemand böse sein kann. Denn gleich wird mit „Crooked Teeth“ ein aktueller Gassenhauer aufs Publikum losgelassen, der nicht nur die ersten Crowdsurfer zur Flugstunde animiert, sondern auch den Kreislauf der Circlepitter in die Höhe treibt. Sogleich wird mit „Getting away with murder“ einer der größten Hits der Mannen um Jacoby Shaddix auf das Publikum losgelassen, von dem scheinbar das vordere Drittel den Text sicher mitsingen kann! Die Stimmung ist ausgelassen und auch auf der Bühne scheinen die Kalifornier ihren Spaß zu haben. Nach der letztjährigen erfolgreichen Tour, die vielerorts ausverkauft war, scheinen die Fans auch richtig Lust auf die ehemaligen Pioniere des Nu Metal zu haben. Der Auftritt der Band wird jedenfalls abgefeiert und umfasst einen Querschnitt ihrer bisherigen Schaffensphase. Bei „Forever“ hat die Band in Gedenken an den verschiedenen Linkin Park-Sänger Chester Bennington eine Hommage mit Auszügen aus deren Hit „In the End“ eingearbeitet, die lautstark vom kompletten Publikum mitgesungen werden. Nach „Born for Greatness“ und „Scars“ verlassen die Mannen kurz die Bühne, um sich für den Endspurt zu sammeln, denn ihr größter Hit vom Debütalbum „Infest“ darf einfach nicht fehlen. Und so mobilisiert auch das Publikum zu später Stunde noch die letzten Energiereserven, um „Last Resort“ abzufeiern, als gäbe es kein Morgen! Mit „To Be Loved…“ verabschieden sich die Amerikaner und es herrscht kein Zweifel daran, dass sie von vielen Fans wahrlich geliebt werden und sie Deutschland im Festivalsommer 2019 hoffentlich auf der ein oder anderen Bühne auch wieder besuchen werden!

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