Leinen los: Wikinger, Piraten und Freibeuter entern das Ragnarök Festival 2018


Ragnarök Festival 2018 / Ragnarök 2018 / Ragnarök
(Bild: stagr / Hannes Fuchs)

Wolfheart

Kein Metal-Konzert ohne Finnen. Der diesjährige Vertreter sind die Melodic-Deather Wolfheart. Das Quartett um Sänger Tuomas Saukkonen legt mit „The Hunt“ vom 2013er Album ‚Winterborn‘ gleich ordentlich los. Tuomas erinnert zwar optisch etwas an den legendären Kerry King – musikalisch erinnert aber wenig an Slayer. Die Finnen gehen auch ohne „South of Heaven“ ordentlich ab. Songs wie „Strength und Valor“, „Aeon of Cold“ und „Zero Gravity“ sorgen für das eine oder andere Schleudertrauma.

Batushka

Bei den Polen Batushka wird Atmosphäre ganz großgeschrieben. Schon das Anzünden der Kerzen (und derer gibt es viele) wird zum Happening. In den folgenden 45 Minuten folgt eine einzigartige Darbietung, die sehr bewusst wie ein russisch-orthodoxen Gottesdienst anmutet. Dass das einzige Album der Polen ‚Litourgiya‘ und somit Gottesdienst heißt, ist kein Zufall. Aber schon beim Betrachten der Akteure wird klar, dass es keinen christlichen White-Metal geben wird. Vielmehr stellen die verhüllten, mönchsähnlichen Gestalten mit ihren Kutten klar, dass es etwas blasphemischer zugeht. Wie blasphemisch – das lassen die Musiker hinter dem Projekt bewusst offen. Für Auftrittsverbote und Morddrohungen in Russland und Weißrussland hat es in jedem Fall gereicht. Wer unter den Kutten steckt, daraus wird ebenfalls bewusst ein Mysterium gemacht. Nicht aus Selbstschutz, sondern als Teil des Konzepts. Dieses sieht vor, orthodoxe, sakrale Hymnen mit Elementen aus Black- und Doom-Metal zu verbinden. Das Album wie auch das ganze Projekt kam 2016 aus dem Nichts und schlug ein wie eine Bombe. Seitdem bereisen Batushka (sprich Batjuschka) die Bühnen dieser Welt und zelebrieren Abend für Abend ihre Liturgie. Auch diesen Abend feiern die verhüllten Herren wieder eine Messe, die perfekter nicht inszeniert werden kann. Kerzen, Weihrauch und sakraler Gesang von einem drei-stimmigen Männerchor stehen gegen fette, schwarz-metallischen Riffs. Der „Prediger“ keift hingebungsvoll und steht dabei hinter einem Altar, auf dem eine Ikone liegt. Letztere prangt auch auf dem Cover des Albums, das in Perfektion dargeboten wird – bis zum letzten Glockenspiel.

Einherjer

Einherjer sind eine absolute Legende des Vikingmetals. Wer etwas auf sich hält, sollte als Fan dieses Genres mal mindestens ‚Dragons of the North‘ und ‚Odin Owns Ye All‘ im Plattenschrank haben. Ersteres wurde vor zwei Jahre als Re-Recording neu herausgebracht. Heute Abend leiden die Norweger leider etwas am Sound. Etwas matschig kommen „Berserker“, „Dreamstorm“ und „Hedensk“ daher. Stören lässt sich davon indes niemand: Weder Grimar und seine Mannen noch das Publikum, dass teilweise noch nicht geboren war, als das erste Demo erschienen ist. Die 45 Minuten vergehen schnell und flugs ist das norwegische Quartett bei „Ironbound“ angekommen – ihrem letzten Song an diesem lauen Frühlingsabend.

Rotting Christ

Rotting Christ sind eine der ältesten Bands auf diesem Festival. Die Griechen liefert bereits vor dem Fall der Berliner Mauer ihren ersten Schaffensnachweis ab. Ob der Vierer aus Athen irgendwelchen Einfluss auf Honecker und Konsorten hatte, darf getrost bezweifelt werden. Aber in den drei Jahrzehnten ihres Bestehens haben die Gebrüder Tolis dennoch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Stand zu Honnis Zeiten noch eine Mischung aus Grindcore und Black-Metal auf dem Tableau, so sind haben sich die verrotteten Christen deutlich weiterentwickelt. Im Jahre 2018 bieten die Sakis und Themis Tolis melodischen Black-Metal feil, der sich gewaschen hat. Fett und druckvoll überrollen sie an diesem Abend das Publikums wie Lawine. Rotting Christ sind vielleicht alt, aber kein bisschen leise.

Alestorm

Von der Ägäis geht es in kälterer Gewässer: Alestorm haben es sich zur Aufgaben gemacht, als Piraten die schottischen Gewässer unsicher zu machen. Da Kaperfahrten auf dem Loch Lomond dem Tourismus schaden, haben sich Alestorm auf das Entern von Bühnen verlegt. Dabei erinnert wenig an Kapitän Sperling und seine Mitstreiter. Auch mit echten Piratenkombos wie Calico heute morgen oder die Mittelaltermärkte unsicher machenden Hurley und die Pulveraffen bzw. Knasterbart hat das wenig zu tun. Optisch und musikalisch ist es ein Potpourri aus JBO, Modern Talking und den Sieben Zwergen im besten Sinne. Mit Umhängekeyboards und fetten Gitarren spinnen die Schotten ihr Seemannsgarn. Am Ende lernt sogar die überlebensgroße Quietsche-Ente das Fliegen oder zumindest das Crowdsurfen. Ein Heidenspaß spätestens ab der dritten Flasche Rum.

Thyrfing

Um die Viking-Metaller Thyrfing ist es in der jüngeren Vergangenheit etwas ruhiger geworden. Fünf Jahre ist der Release von „De ödeslösa“ inzwischen her. So war ihr Erscheinen auf dem Billing eine kleine Überraschung, auch wenn Patrik Lindgren und Joakim „Jocke“ Kristensson ihre Instrumente nie auch nur in die Ecke gestellt haben (geschweige denn an den Nagel gehängt). Musikalisch stehen Thyrfing schon seit ihrem selbst betitelten Debut für eine groovige, vielleicht etwas rumpelige Mischung aus Viking und Black-Metal. Auch heute bringen die Schweden die Halle wieder zum Kochen. In den 50 Minuten zwischen „Mot Helgrind“ bis „Från Stormens Öga“ bleibt kein Stein auf dem anderen.

Der Weg einer Freiheit

Ob der Rausschmeißer-Slot dankbar oder undankbar ist, darüber scheiden sich die Geister. An diesem Abend ist er mit Sicherheit kein Erfolgsgarant. Besonders unangenehm ist, dass Der Weg einer Freiheit ihren Soundcheck deutlich überziehen – die erste und einzige Band an diesem Wochenende. Der Grund dafür ist nicht, dass die Würzburger besondere Diven wären (Amorphis anyone?). Nein, ganz im Gegenteil. Grund ist vielmehr, dass die schottischen Piraten Alestorm die komplette Backline auf der Bühne demontiert hatten. Als die epische Wartezeit schließlich überstanden ist, befindet sich vor der Bühne immer noch eine große Meute. Diese wird mit brachialen Melodienbögen der Marke DWEF beglückt. Der Abend selbst steht ganz im Zeichen des letzten Albums „Finisterre“. Ein Gutes hat die späte Stunde: Die Spielzeit umfasst epische 70 Minuten. Genug Zeit um eine bunte Mischung aus allen Werken zu spielen. Wie im Black-Metal üblich fassen sich auch Der Weg einer Freiheit ungern kurz. Alles in allem ein gelungener Auftritt.