Gelungene Premiere: 1. Mittelalterlich Phantasie Spectaculum in Berlin


Mittelalterlich Phantasie Spectaculum 2016 Berlin
(Bild: stagr / Hannes Fuchs – Dvergir Photography)

Die Marke MPS steht schon seit vielen Jahren für mittelalterliche Unterhaltung der Oberklasse. Vor über 20 Jahren etabliert tourt das Mittelalterliche Phantasie Spectaculum inzwischen durch über 20 Städte in ganz Deutschland. Von April bis Oktober unterhalten Ritter und Knappen, Heerführer und Söldner, Musikanten und Narren, Gaukler und Feuerspucker das gespannte Publikum. Nun im 23. Jahr wurde auch endlich das mit Mittelalterevents nicht gerade verwöhnte Berlin in den Tourplan aufgenommen. Und so strömen Berlins Mittelalter-Fans bei bestem Sommerwetter zahlreich zur Rennbahn Hoppegarten vor den Toren der Hauptstadt. Und nicht nur die Mittelalter-Fans sondern auch Cosplayer, LARPer und die Freunde gepflegter Fantasy füllten das historische Gelände. Man munkelt, dass die Galopprennbahn seit ihrer Blütezeit kurz vor Weltkrieg Eins nicht mehr so viele gut gelaunte Menschen gesehen hat. Zugegeben wird das MPS (noch) keine 40.000 Gäste anziehen wie der Rennbetrieb zu Hochzeiten. Aber der Gute-Laune-Pegel ist in jedem Fall am Anschlag. Das liegt mit Sicherheit daran, dass historisch authentischen Reenactment zwar gern gesehen ist, aber die Brüder und Schwestern der Fantasy-Gemeinde mindestens genauso willkommen sind.

Ein anderen wesentlicher Punkt ist die die gute, unauffällige Organisation und Security, die den Gästen und Schaustellern maximalen Raum zur Entfaltung lässt. Man vermag nicht zu unterscheiden, wer Gast und wer Schausteller ist. So spielen Cultus Ferox und andere Bands akustische Sets einfach an einem freien Platz auf dem Gelände zwischen Ständen und Tavernen. Egal wo man sich auf dem riesigen Innenraum der Rennbahn Hoppegarten wendet, es gibt immer was zu sehen.

Bildergalerie: So war CULTUS FEROX live:

Eine riesen Auswahl an Speis und Trank, Stände mit Schmuck, Waffen, Rüstungen und Gewänden und eine Unzahl an kleinen und großen Bühnen. Neben zig Kleinstbühnen werden die Besucher von drei großen Bühnen beschallt – überwiegend im Parallelbetrieb. Das ist nach all den Lobenshymen auch der erste Kritikpunkt. Nicht nur, dass man sich entscheiden muss, ob man lieber Nachtgeschrei oder doch die Öko-Paganisten Omnia hören will, die beide nur einen Auftritt haben. Schlimmer vielmehr ist, dass sich die Bühnen teilweise überschreien. Leise Parts der einen Band gehen für einige entferntere Fans im Getöse der anderen Bühne unter. Ein Fakt, den auch der Veranstalter für 2017 auf die Liste mit Verbesserungen gesetzt hat. Ihr habt richtig gelesen, das MPS Berlin in 2017 ist bereits bestätigt.

Ansonsten gibt es wenig zu meckern, die Preise für Eintritt und an den Ständen sind nicht günstig aber angemessen. Die Ritterturniere warten einer mit schöner Choreographie auf und bieten hohen Unterhaltungswert für Groß und Klein. Der Sound an den drei Konzertbühnen klingt großartig. Die Stimmung ist ausgelassen und die Atmosphäre spätestens mit Einbrechen der Dunkelheit ungeheuer stimmungsvoll. Die Nacht wird erhellt mit einer Vielzahl von Fackeln und Feuern.

So war das MITTELALTERLICH PHANTASIE SPECTACULUM:

Doch kommen wir zur Musik. Aufgrund der vielen Eindrücken und den parallel auftretenden Bands kann der Chronist nur scheitern, wenn er versucht alles vollständig zu beschreiben. Hurley und die Pulveraffen, ohne die laut Veranstalter ein MPS zwar möglich aber sinnlos ist, waren nach Meinung der Anwesenden großartig mit Piraten-Folkrock. Von Waldkauz hingegen darf der Chronist noch das Ende des Auftritts bezeugen. Das Quintett ist erst relativ frisch dabei und bietet Folk mit einer Vielzahl von Instrumenten. Die Hildesheimer vereinen Einflüsse aus ganz Europa miteinander und verzichten dabei auf elektronische Unterstützung. Tanzbar und unterhaltsam ist es allemal. Songs wie „Tanzgeist“ erfahren auch das verdiente Handgeklapper und Gejauchze des Publikums.

Bildergalerie: So war WALDKAUZ live:

Mit dem Wechsel um zwei nach rechts geht die Reise von Hildesheim weiter nach Schottland. Saor Patrol bieten für nicht eingeweihte ein erstaunliches Bild. Gleich drei stämmige Kilt-Träger stellen die Rhythmusfraktion. Dazu kommt der stämmige Bartträger Charlie Allen mit dem schottischen Nationalinstrument: dem Dudelsack. Wer jetzt an Drum & Pipes denkt, liegt gänzlich richtig und doch falsch. Anders als die Klassiker aus den Highlands, die man sich auf CD aus dem Schottlandurlaub mit nach Hause bringt, erweitern Saor Patrol das Klangbild mit Mitglied Nummer fünf. Steve Legget bearbeitet die Gitarre mit allen denkbaren Sounds. Von elektronisch mit rockig ist alles dabei. Nicht umsonst bezeichnete der leider verschiedene Lemmy die strammen Schotten als die Motörhead of Folk.

Bildergalerie: So waren SAOR PATROL live:

Mit den Niederländer Omnia zwei Bühnen weiter links wird das Klangbild wieder deutlich breiter. Der Fünfer verschmilzt eine Vielzahl von Musikstilen zu einer sehr speziellen Ausprägung des Paganfolks. Neben den klassischen altertümlichen Melodien bieten die Niederländer auch Einflüsse aus Blues, Reggae, Rock und sogar Rap mit einander. Anders als bei vielen anderen Bands auf dem MPS oder der Folk- und Mittelalterszene haben Omnia auch eine Botschaft. Anstatt Platituden, die in Sauflieder gipfeln, zelebriert der Fünfer eine schamanistische Zeremonie rund um die Themen Natur und Freiheit. Was sehr verkrampft klingt, stellt sich auf der Bühne als sehr unterhaltsame Melange heraus. Zu Songs wird wie den moderenen „Earth Warrior“, „Freedom Song“ oder „Black House“ gesellen sich das bretonischen „La Jument de Michao“ oder arabische Skalen in „Gods Love“. Didgeridoo trifft auf Drehleiher und Harfe. Keyboard auf Lagerfeuer-Gitarre und Flöte. Unterhaltsam ist die wüste Mischung dank des Energie geladenen Auftritts von Omnia allemal. So wird getrunken, gefeiert und getanzt. Viel zu schnell sind die 90 Minuten vorbei.

Bildergalerie: So war OMNIA live:

Eine Bühne weiter rocken sich parallel Nachtgeschrei durch ihr Set. Dröhnende Gitarren stehen bei dem Sechser definitiv im Vordergrund. Angereichet wird das ganze durch Dudelsack, Schalmei und Drehleiher, wie es sich für ein Mittelalterfest auch gehört. Fünf Studioalben hat das Septett inzwischen herausgebracht, die alle nicht zu kurz kommen. Sänger Martin LeMar heizt dem Publikum ordentlich ein und gibt sogar einen Ausblick auf das kommende neue Album. Sehr viel gradliniger als die Kollegen von Omnia, die eine Bühne weiter links spielen, werden Nachtgeschrei dennoch kein bisschen weniger abgefeiert.

Bildergalerie: So war NACHTGESCHREI live:

Wenig später erklingen die Harmonien von Faun, die schon ordentlich bejubelt werden, obwohl es sich nur den Soundcheck handelt. Die Band um Oliver „Satyr“ Pade stellt das krasse Gegenteil zu den Niederländern Omnia dar. Weniger in musikalischer Hinsicht als in kommerzieller. Wo sich die Niederländer bewusst selbstvermarkten und größtmöglichen Abstand zu Major Labels halten, kann man das von Faun nicht behaupten. Auftritte mit Santiago oder beim Vorentscheid des Grand Prix d’Eurovision werden von vielen Fans der ersten Stunde eher kritisch gesehen. Der musikalischen Qualität hingegen tut das keinen Abbruch. Auch 2016 schreiben Faun noch fesselnde Songs und solange sie „Wind und Weide“ live spielen, frisst ihnen das Publikum ohnehin aus der Hand. „Adro“ vom 2003er Album Licht macht den Anfang in einem Auftritt, der auf 60 Minuten geplant ist. Dass es am Ende 90 Minuten werden, stört keinen der vielköpfigen Meute vor der Bühne. Mit Laute und Dudelsack, Nickelharpa und Drehleiher, Flöte und Bouzouki arbeiten sich die sieben Damen und Herren starke Paganfolk-Truppe durch Lieder aller Epochen. Immer untermalt durch die Sampling-Künste des Mannes mit dem Hut: Niel Mitra. Neben den bereits genannten erklingen an diesem Abend aktuelle Stücke wie „Walpurgisnacht“ und „blaue Stunde“, aber auch Stücke aus der Zeit vor dem Major Deal wie „Rhiannon“ oder „Ne Aludj El“. Bis auf das Debutalbum Zaubersprüche und dem Buch der Balladen ist heute alles dabei.

Bildergalerie: So war FAUN live:

Natürlich wäre es nicht das MPS, wenn nicht parallel wieder etwas völlig konträres spielen würde. Mit Versengold aus Bremen wir auf der Nachbarbühne launiger Folk dargeboten. Auch hier stehen sieben Leute auf der Bühne – allerdings als reine Männerveranstaltung. Deutlich weniger mystisch angehaucht als Faun, treten die Herren mit den blütenweißen Hemden mit sehr viel Spaß an der Sache auf. Neben der klassischen Besetzung Gitarre, Bass und Schlagzeug gibt es hier die irische Handtrommel Bodhrán, die Nyckelharpa und eine irrwitzige Geige zu bestaunen. Die Jungs um Sänger Snorre dürfen ganze zwei Stunden ran und bringen dabei so manchen Gassenhauer aus über zehn Jahren Bandgeschichte und sieben Studienalben. „Immer schön nach unten treten“, „Wolken“, „Spaß bei Saite“ und „Zeitlos“ um nur ein paar zu nennen.

Bildergalerie: So war VERSENGOLD live:

In der Nachtschicht buhlen schließlich die Feuershow von Flammenrausch, die Mittelalter-Metaller Cultus Ferox, die Gossenrocker Knasterbart und die Vorzeige Folkband Cobblestone um die Aufmerksamkeit der Gäste. Und so neigt sich ein ereignisreicher Tag dem Ende entgegen. Der Chronist verbringt diesen standesgemäß bei einem Met an einem der vielen Lagerfeuer. Nächstes Jahr definitiv wieder – mit mehr Speicherkarten und bequemeren Schuhen.

Mehr Informationen unter: www.spectaculum.de oder auf Facebook

Danke an:
Hannes Fuchs (Bilder und Text)