Elbriot 2016 – Tag 2: 10 Stunden vorglühen für die Aftershow-Party


Elbriot 2016
(Bild: stagr / Mark Carstens)

Über die Vorteile eines kleinen Festivals mitten im Stadtzentrum Hamburgs hatten wir bereits vorgestern berichtet. Am zweiten Tag des Riot kam ein kleiner Nachteil zum Vorschein, der am Vortag nicht ins Gewicht fiel: Der Wind. Hamburg ist eine Hafenstadt, das Festivalgelände auf dem Großmarkt liegt direkt am Oberhafen an der Norderelbe und dadurch ist die Stadt an sich eher windig. Während es Freitag noch nahezu windstill war, pustete am Samstag der Wind immer mal wieder den Sängern ins Mikrofon, was die Qualität des Gesangs hier und da leicht beeinflusste. 

Die Atmosphäre zwischen den Samstag-Bands blieb gemütlich entspannt, denn auf dem Riot gibt es einfach keinen Stress und nur kurze Wege. Und selbst zum Abend hin, wenn Mastodon oder Slayer auf der Bühne toben, bleibt das große Gedränge im Kampf um die Mittelplätze größtenteils aus  – die Bühne ist groß genug und das Infield bietet genügend Platz für die 12.000 Besucher. So erreicht der Sound, trotz Wind, auch die letzte Reihe in bester Qualität.

Leider musste Slayer um Punkt 23:00 Uhr die Instrumente fallen lassen und hatte somit keine Zeit mehr für Zugaben. Schade! Abgesehen davon war Tag 2 beim Riot aber wieder ein gelungener Tag für Fans von Metal jeder Art. Auf dem Rückweg koordinierten nette Polizisten den Lauf-Verkehr, damit selbst angetrunkene Festivalbesucher zum Hauptbahnhof fanden – und von da aus nach Hause oder doch vielleicht zu einer der beiden Aftershow-Partys. Denn Samstag um 23 Uhr will man eigentlich noch gar nicht nach Hause. Schon gar nicht, wenn man sich bereits 10 Stunden lang auf dem Elbriot aufgewärmt hat.

FEAR FACTORY

Die Kalifornische … ja … Band … was ist Fear Factory eigentlich? Death Metal? Industrial Metal? Trash-Metal? Neo-Trash? Pioniere des Nu-Metal? Mangel an Vielseitigkeit kann man Fear Factory jedenfalls nicht vorwerfen. Auch am zweiten Elbriot-Tag variierte Sänger Burton Bell zwischen hartem Growling und klarem, fast schon sterilem Gesang. Und das perfekt getimet auf das schnelle, präzise Double-Bass-Getrommel von Schlagzeuger Mark Heller. Zusammen mit den harten Gitarren-Riffs lieferte Fear Factory eine Show ab, die Fans und Noch-Nicht-Fans gleichermaßen überzeugte.

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AT THE GATES

Schweden ist ein gutes Land für Metal, wie gestern schon Sabaton bewiesen hatte. At The Gates sind ein erneuter Beweis dafür, dass der Norden Europas ein perfekter Nährboden für kraftvolle Gitarren-Klänge und Drumlines ist. Nach sechs Jahren Pause hatte At The Gates das Reunion-Album “At War with Reality” 2014 rausgebracht, von dem es auch am Elbriot-Samstag live einiges zu hören gab. 

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PARADISE LOST

Noch eine Band, bei der man das Gefühl hat, dass es sie schon ewig gibt. Während Fear Feactory damals die elektrischen Töne im Metal etablierte und den Nu-Metal maßgeblich mitprägte, zählen Paradise Lost eindeutig zu den stärksten Einflüssen, die der Gothic Metal vorzuweisen hat. Das 91er Album “Gothic” war letztendlich Namensgeber für einen ganzen Stil, der sich an den komplexen, melodischen und durch und durch finsteren Klängen der Band orientierte. Die Wurzeln von Paradise Lost liegen aber eher im Death- und Doom-Metal, der härter und kraftvoller ist. Diese Wurzeln hörte man auch auf dem Riot, wo Paradise Lost ihren Auftritt mit “No hope in sight“ aus ihrem neusten Album “The Plague Within” eröffneten und mit ihrer damaligen Hit-Single “The Last Time” beendeten.

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ASKING ALEXANDRIA

Neben Urgesteinen wie Fear Factory, Paradise Lost und Slayer wirkte Asking Alexandria wie der rebellische Jungspund der zeigen wollte, dass er auch was drauf hat. Das ständige Wechseln zwischen Growling und cleanem Gesang von Sänger Dennis Stoff musste einerseits mit dem Erbe vom früheren Asking Alexandria-Sänger und Gründungsmitglied Danny Worsnop mithalten. Andererseits wurde Dennis auch unweigerlich mit Burton Bell von Fear Factory verglichen, der schon ein paar Bands vorher gezeigt hatte, wie man es macht. Der 26 Jahre alte Brite gab alles auf der Bühne, ließ wieder und wieder den Circlepit eröffnen und erweitern und heizte der Menge mit seiner Energie und Songs wie “Run Free” und “A Prophecy” ein.

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CARCASS

Und wieder eine Band aus den 80ern, diesmal ein Urgestein des Grindcore. Mit ihrem 2012er Album “Surgical Steel” knüpfte die Band an ihre Gründungszeit an, nicht umsonst hieß das Intro “1985” und wurde angeblich schon in den 80ern geschrieben. Billy Steer (Gesang, Gitarre) und Jeff Walker (Gesang, Bass) knurrten und bellten blutige Texte von zerstückelten Innereien und chirurgischen Instrumenten. Die Stimmung ist irgendwo zwischen einem wütenden Hund der jeden Eindringling zerfleischen will und einem verrückten Arzt, der die ganzen Metallwerkzeuge (die das Cover des letzten Albums zieren) einsetzen will, um mit einem menschlichen Kadaver – Carcass – zu spielen.

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MASTODON

Drei Grammy-Nominierungen, ganz viel Lob von der Fachpresse, und laut Rolling Stone Magzin eine der besten Metal-Bands der 2000er. All das interessierte auf dem Riot niemanden. Als Sänger/Gitarrist Brent Hinds im grünen Licht auf die Bühne kam, wirkte er mit seiner wallenden Mähne und seinem Rauschebart wie ein Waldschrat, der aus seiner Höhle stieg. Der rothaarige Gitarrist Billy Kellier konnte ebenfalls einer nordischen Sage entstammen. Nicht ohne Grund spielte die Band in einer Episode von Game of Thrones als Wildlinge mit. Und weil Game of Thrones keine Märchenserie ist, hatten die langen, komplexen Instrumentalteile von Mastodon ein wenig von dem epischen Power Metal eines Blind Guardian gemein. Progressive/Sludge traf eher den Stil der Band, wobei Mastodon sich auch nie einer Stilrichtung beugte, sondern wild und frei alle möglichen Elemente des Metal kombinierte, um einfach gute Musik zu machen. Und das Publikum dankte es ihnen mit Zugabe-Rufen nach einem gefühlt viel zu kurzem Auftritt.

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SLAYER

Slayer auf einem Festivalprogramm ist ein ähnliches Gefühl, wie „Zurück in die Zukunft“ im Fernsehen: Es ist cool, man sieht/hört es sich gerne an, aber man kennt alles schon. Was gerade bei Slayer nicht wirklich etwas ausmachte. Das Schlagzeug war schnell, die Gitarren-Soli noch schneller, Tom Arraya schrie die “kontrovärsen” Slayer-Gesangstexte über das gesamte Infield und Kerry King bangte so hart, dass man sich wunderte warum sein Glatzkopf nicht schon längst abfiel und schwungvoll in die Menge flog. Es war laut, es war wild, es machte unfassbar viel Spass. Und am Ende kam wie immer „Johnny B Good“ von Marty Mc Fly … äh … „Raining Blood“, „Black Magic“ und natürlich „Angel of Death“.

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Hier geht’s zum Bericht:
Elbriot Festival 2016 – Tag 1