Zu allererst: Liebes Wacken Open Air, herzlichen Glückwunsch zum 30. Geburtstag. Wir hatten immer eine schöne Zeit, auch wenn ich teilweise bis zum Knie im Matsch versunken bin, mit schlamm-verschmierten Wasserbälle die dreimal so groß sind wie ich angeschossen wurde, Staub ohne Ende gefressen habe und durchgeschwitzt oder von Regenschauern durchnässt war. Am Ende konnte ich mich immer auf gute Musik, eine tolle Atmosphäre und nette Leute mit einem unfassbaren Zusammenhalt verlassen. Vor allem im Pit und beim Crowdsurfen.
Im Vorfeld vom 30. Wacken Open Air gab es immer wieder Stimmen, die sich über die Acts beschwert haben. Ja, Slayer und Sabaton sind gefühlt seit Jahren durchgehend auf Tour und waren in den letzten Jahren auch in Wacken. Demon and Wizards Frontmann Hansi Kürsch war vorletztes Jahr mit seiner Band Blind Guardian vor Ort. Andere Metal-Festivals wie Graspop und Hellfest oder auch Rock am Ring hatten dieses Jahr Headliner wie Slipknot, Def Leppard, Kiss, Manowar oder Tool im Angebot.
Allerdings ist das kein fairer Vergleich. Wenn ich meinen 30. Geburtstag feier, geht es nicht darum die coolsten Kids einzuladen, sondern diejenigen die mich in den letzten 30 Jahren begleitet haben und mit denen ich eine gute Zeit hatte. Und ich will nicht nur irgendwelche Bands, sondern eine besondere Show. Wie eine Zelebrierung des 20-Jährigen Bandjubiläums auf 2 Bühnen (Sabaton), die letzte Festival-Show meiner Farewell-Tour (Slayer), oder ein Auftritt mit einem Nebenprojekt von zwei legendären Bands (Blind Guardian und Iced Earth), die nach 19 Jahren mal wieder in Wacken auftreten.
Von daher war das diesjährige Wacken Open Air für mich ein würdiger 30er Geburtstag. Auch ohne Slipknot, Tool und Kiss.
Skyline
Kein Wacken ohne die Eröffnungsshow von Skyline. Zum 30. Mal in Folge eröffnet die Band die von Wacken-Organisator Thomas Jensen mitbegründet wurde das Infield am ersten Tag. Wie immer kommt die Band mit lockeren Sprüchen, hartem Rock und Heavy Metal auf die Bühne um dem Publikum einzuheizen. Aber es wäre kein 30. Geburtstag, wenn Skyline einfach nur ihr – zugegeben sehr vielseitiges Set mit “Fear of the Dark” (Iron Maiden), “Shot down in Flames” (AC/DC) und “In the End” (Linkin Park) spielen würde.
Dieses Jahr bekommt Skyline Unterstützung von Metal-Veteranin Doro Pesch die mit Skyline ihren Hit “All for Metal” zum Besten gab, bei “Crazy Train (Ozzy Osbourne) Begleitung von Ozzy-Gitarrist Gus G. bekommt, und selbst Thomas Jensen selbst (der sympathische Junge mann mit den langen Haaren und der Sonnenbrille) kam für ein Lied auf die Bühne und griff mal wieder live zum Bass.
Testament
Bei strahlendem Sonnenschein tritt Frontmann Chuck Billy mit seiner Sonnenbrille und dem Mikro auf einem “halben” Mikroständer in der Hand auf auf die Bühne. Chuck ist zwar technisch gesehen kein Gründungsmitglied, aber er ist Teil der Band seit sie 1986 zu “Testament” umbenannt wurde. Und das war noch bevor das erste Wacken Open Air vor 30 Jahren mit 800 Besuchern stattfand. Somit ist Testament eine der ältestenn Thrash Metal Bands, die die Anfänge des Genre mitgeprägt haben.
Das Wacken-Set eröffnen sie kraftvoll mit “Brotherhood of the Snake” vom gleichnamigen Album, dass 2016 erschienen ist, gefolgt von “The Pale King” vom gleichen Album. Ohne Rücksicht auf Verluste, Gitarrensaiten und Chucks Stimmbänder dreht die Band aus San Francisco von Anfang bis Ende voll auf. Aber wenn man auf den Text achtet hört man, wie Testament mit schnellem, lauten Thrash eine Geschichte eines 6.000 Jahre alten Mythos zu erzählt und dabei lyrisches Geschickt beweist. Qualitäten, die man eher von Melodic Metalgrößen wie Blind Guardian kennt. Das in Kombination mit der “In your face” Power zeigt deutlich, wie sich die in den 80ern gegründete Band immer noch weiterentwickelt. Und das Publikum dankt es Ihnen in dem es laut mitsingt.
Hammerfall
“Do you like Deutsche Powermetal aus Schweden?” fragt Frontmann Joacim Cans, und die Menge jubelt zustimmend. “Deutsch” weil das deutsche Label Nuklear Blast seit 1997 die Alben der nordischen Metaller veröffentlicht. Im selber Jahr hatte Hammerfall seinen ersten Auftritt in Wacken, damals noch als relativ unbekannte Neulinge der metal-Szene. Mittlerweile gibt es sicher nur wenige Metal-Fans auf der Welt, die den Song “Hammer High” nicht erkennen wenn sie ihn hören. Und zurecht spielt Hammerfall dieses Jahr kurz vorm Headliner auf der Mainstage.
Sobald Gitarrist Oscar Dronjak sich die berühmte “Hammer-Gitarre” umhängt (eine Gitarre mit einem viereckigen Korpus, die wenn er sie sich über den Kopf hebt wie ein Hammer aussieht) tobt das vollgepackte Infield von Wacken und ruft den Refrain, noch bevor das Lied überhaupt begonnen hat. Auch sehr beliebt: Das Game of Thrones Cover von Oscar. Und wenn Hammerfall sing “We make Sweden Rock” könnten sie auch singen “We make Wacken Rock”, denn beides ist wahr.
Airbourne
Wacken ist ein Metal-Festival, aber das bedeutet nicht dass hier nicht auch Platz für guten alten Rock n Rock ist. Unvergessen der Auftritt von Status Quo vor zwei Jahren oder Twisted Sisters auf ihrer Farewell-Tour vor drei Jahren. Dieses Jahr ist Airbourne dran, das Infield zu rocken. Die australischen Hardrocker sind in meinen Augen ein würdiger Nachfolger von AC/DC und lösen diese in meinem persönlichen Ranking als beste Hardrock-Band von Down-Under ab.
Sänger und Gitarrist Joel O’Keeffe ist eine perfekte Mischung aus Brian Johnsons Shouts und Angus Youngs Lead-Gitarre und Verrücktheit. Musikalisch mischt Airbourne dem Hardrock noch ein wenig Blues à la ZZ Top bei und garniert das ganze mit einem wundervollen Air-Raid-Siren-Solo vom Drummer Ryan O’Keeffe.
Wenn Sabaton, Slayer und Demons and Wizard die langjährigen Freunde sind, die Wacken zum 30. Geburtstag einlädt, sind die O’Keeffes die neuen, verrückten Freundschaften die man geschlossen hat, und die man einlädt weil man weiß dass sie die Party anheizen.
Und so wird Joel nicht müde, während des Gigs Jack Daniels und Cola zu mischen damit die Band mit dem Infield auf 30 Jahre Wacken anstoßen kann, und Bier in die Menge zu werfen, und zwar zu allen, die sich auf die Schultern eines anderen getraut haben, bis endlich einer den Bierbecher fängt.
Und als ihm eine Saite reißt, sagt er nur “This is F*cking Rock n Roll. Things break.”, schnappt sich die nächste Gitarre und rockt weiter.
Sabaton
Sie bezeichnen sich selbstironisch als “Village-People of Power-Metal”, und haben die “Noch ein Bier! Noch ein Bier!” Publikum-Shouts etabliert, die den Frontmann Joakim Brodén dazu zwingen, ein Bier zu exen. Sie sind gefühlt seit Jahren durchgehend auf Tour, geben auf der Bühne alles, fackeln eine Menge Pyro ab und haben dabei immer zwei dicke Panzer als Bühnenbild dabei. Sabatons Konzerte sind immer eine große Party.
Da kommt natürlich die Frage auf, was sich die verrückten Schweden in Camo-Hosen und Platten-Westen sich für das doppelte Jubiläum einfallen lassen, denn es ist nicht nur der 30. Geburtstag von Wacken, sondern auch das 20-Jährige Band-Jubiläum von Sabaton das heute gefeiert wird.
Vorab muss ich kurz eine Eigenart von Wacken erklären: Wacken hat zwei Main-Stages, die Faster-Stage und die Harder-Stage, die nebeneinander angeordnet sind und in der Mitte durch eine breite Säule und den großen Wacken-Bullhead komplett voneinander getrennt sind. Während auf einer Bühne eine Band spielt, wird auf der anderen Bühne aufgebaut. Für das 20 bzw. 30 Jährige sollte Sabaton nun als allererste Band auf beiden Mainstages gleichzeitig spielen.
Zuerst eröffnete Sabaton den Gig auf der linken Stage, der Faster. Statt mit Songs aus dem vor zwei Wochen erschienenen Album “The Great War” zu eröffnen, spielt Sabaton erstmal klassiker wie “Ghost Division” und “Winged Hussars”. Nach 3 Songs kommt die erste Überraschung: Thobbe Englund, Sabaton-Gitarrist bis 2016, kommt als Gast auf die Bühne und spielt “Fields of Verdun” und “Shiroyama”, bevor er lieber zurück in den Backstage-Bereich geht weil es da mehr Bier gibt. Dafür kommt ein Herren-Chor auf die Bühne, der Sabaton bei den nächsten Songs kräftig unterstützt.
Die größte Überraschung kommt allerdings nach “Carolus Rex”: Zahlreiche ehemalige Bandmitglieder kommen auf die rechte Bühne, die Harder-Stage, wo ein zweiter Panzer und ein zweites Schlagzeug stehen: Gründungsmitglieder Rikard Suden (Gitarre), so wie die ehemaligen BandMitglieder Daniel Myhr (Keyboard), Daniel Mullback (Drums) und Thobbe Englund spielen den Song “40:1”, während Joakim noch auf der Faster-Stage steht und singt. Bei den nächsten Songs spielen zwei volle Band-Besetzungen auf zwei physisch voneinander getrennten Bühnen zusammen mit einem Chor die größten Sabaton-Hits aus 20 Jahren. Und bei der Zugabe ein weiterer Special Guest: Star-Cellistin Tina Guo begleitet die doppelte Besetzung Sabaton bei “Swedish Pagans” und “To Hell and Back”.
Ein einmaliges Erlebnis, passend zum doppelten Jubiläum, und ein gelungener Abschluss für den ersten Tag Wacken.