Rival Sons in Hannover: Rock’n’Roll mit Leidenschaft


Rival Sons Hannover 2019 / Rival Sons Tour 2019
Am Montag, den 18. November gaben die Rival Sons im Capitol Hannover ein Konzert. (Bild: stagr / Isabelle Hannemann)

An diesem Abend geht’s auf Zeitreise – erst in die 00’er Jahre, dann in die 70’er. Als hätten Bill & Ted mich in ihre Telefonzelle gezerrt, auf der Suche nach dem Song, der die Welt retten wird, nachdem sie’s selbst nicht hingekriegt haben. „Hör dir das mal an, Hoschi!“ – „Extrem cremig.“ Gnidelidelideli!

MNNQNS

Los geht’s mit den Franzosen MNNQNS. Während ihr Studiosound an The Rakes, The Dead 60’s oder We Are Scientists erinnert, gehen sie auf der Bühne ungleich brachialer zu Werke. Alles auf elf. Immer schön nach vorne. Keine der dreißig Minuten verplempern. Und ist hier mal jemand auf einem At The Drive-In Konzert gewesen? Dass die eingängigen Melodien und Arrangements der Songs für neue Hörer (wie mich) kaum erkennbar sind: drauf geschissen. Kann man sich schließlich zuhause anhören. Auch optisch gibt’s nichts zu meckern. Afrolocken und Schnurrbart geht natürlich immer zum Gitarre-durch-die-Gegend-schmeißen und ein schlaksiger Sänger mit Nase, der Bret Anderson sicherlich ebenso feiert wie Mick Jagger, hat auch noch nie geschadet. MNNQNS wollen einen bleibenden Eindruck hinterlassen; neugierig machen. Und es funktioniert. Denn ob die Band diese Energie eine komplette Soloshow durchhält, ist ebenso … ’spannend‘, wie die Vorstellung, sie vor Fans zu erleben, die sich mitreißen lassen. In dem Zusammenhang eine Quizfrage am Rande: Was steht regungslos da und nickt kaum merklich mit dem Kopf? Ein hannoverscher Moshpit bei einer unbekannten Band. Wir verdienen den Ruf, den wir haben, Leute.

Rival SOns

Deutlich enthusiastischer werden schließlich die Rival Sons empfangen. Für Fans beginnt nicht bloß ein Konzert, scheint es, sondern ein Warten findet ein Ende. Andere Zuschauer, die jungfräulich an die Sache herangehen, wirken positiv gespannt, was dran ist am Hype. Ich spreche aus Erfahrung. Vor einigen Monaten habe ich mich durch die Alben der Band gehört und eine Playlist meiner zwanzig Lieblingslieder gebastelt. Von diesen Liedern spielt die Band sage und schreibe vier Stück – und die ganze Zeit über stehe ich da und denke: ‚Scheiße, ey, warum ist das eigentlich nicht auf der blöden Liste?!‘

Ganz ehrlich: Ich habe keinen Schimmer, wie man über die Rival Sons schreiben soll, ohne sich in den üblichen Konzertkritik-Plattitüden zu verlieren. Schweiß, Haare, Posen, Soli, Schlaghosen, Sonnenbrille, Lederjacke: alles amtlich. Rock ’n Roll ist nicht tot! Vom mysteriösen Sänger, dem nur zum Abschied ein flüchtiges Lächeln über die Lippen huscht, über den charismatischen Gitarristen, der ebenso larger-than-life erscheint, bis zum Schlagzeuger, der den Laden zusammenhält, und einem Bassisten, der auch irgendwie da ist und bestimmt eine wichtigere Rolle spielt, als man glaubt. Ach, und dann hat sich noch dieser Bart mit Hut an die Keyboards geschlichen; ein Mischwesen aus Billy Gibbons (ZZ Top) und Cousin Itt (Addams Family). Es gilt das Prinzip: Um Rockstar zu werden, muss man nicht nur wie einer aussehen, sondern sich zuallererst selbst für einen halten. Die Rival Sons verkörpern all das, ohne dabei zum Klischee zu werden, und das Publikum lässt sich dankbar drauf ein.

Lieder müssen nicht angesagt werden – sie werden an der jeweils umgeschnallten Gitarre erkannt. Es wird mitgesungen, gefeiert und gejolt. Wenn Jay Buchanan sich aber einige wenige Male an’s Publikum wendet, herrscht aufmerksame Stille. Nur der alte Sack in Lederjacke am Tresen hinter mir – den ich bloß deshalb einen alten Sack in Lederjacke nenne, um den Eindruck zu erwecken, ich wäre nicht selbst einer – labert dummes Zeug. Und Bierflasche fallenlassen nicht vergessen. Gehört auch dazu. Als Buchanan sich beim Publikum bedankt, dass es Livemusik unterstützt, statt vor der Glotze zu hängen, wirkt auch das ehrlich und, so überstrapaziert der Begriff sein mag, authentisch.

Denn hier geht’s offenbar um mehr als eine coole Rockshow, geschweige denn Nostalgie. Es geht nicht um nostalgische Verklärung oder Sehnsucht nach etwas Vergangenem, sondern, im Gegenteil, um Zeitlosigkeit. Als sagte die Band: ‚Guckt mal, was wir wiedergefunden haben!‘ Und alle so: ‚Das gibt’s noch?!‘ Ähnlich wie bei Pearl Jam und ihren Fans, geht es außerdem weniger um die Hits, sondern um das Konzerterlebnis als solches und um Gemeinschaft. Wer einmal Fan ist, bleibt es, und dass man sich beim nächsten Konzert wiedersieht ist eine Selbstverständlichkeit. Denn die Rival Sons sind eine dieser Bands mit denen man alt wird – wenn man’s nicht schon ist.

Was war sonst noch? Das Capitol war ausverkauft und der Sound anfangs frustrierend matschig. Eine Setlist gibt’s nicht, weil ich die Titel der meisten Songs nicht kenne. Ist aber auch wurscht, denn die Band hätte was-auch-immer spielen können. Ich bin jetzt nämlich Fan. Und bei den nächsten Konzerten wird natürlich alles akribischst dokumentiert, um sich in zwanzig Jahren (so Gott will) schon ein wenig nostalgisch dran zu erinnern.

Am Ende des Abends steige ich zu Bill & Ted in die Telefonzelle. Nachdem wir uns einen Augenblick lächelnd angeschaut haben, sage ich: „Shooting Stars könnte der Song sein, den ihr sucht.“

Setlist – Rival Sons in Hannover 2019

1.End of Forever
2. Wild Animal
3. Tell Me Something
4. Tied Up
5. My Nature
6. Drum Solo
7. Look Away
8. Too Bad
9. Jordan
10. Feral Roots
11. Open My Eyes
12. Electric Man
13. Manifest Destiny, Part 1
14. Shooting Stars
15. Do Your Worst

Encore:
16. Face of Light
17. Keep On Swinging