Max & Iggor Cavalera in Hamburg: Thrash-Nostalgie in Originalbesetzung


Max & Iggor Cavalera Hamburg 2019
Die Brüder Max und Iggor Cavalera, Mitbegründer des Genres Thrash Metal, spielten am Dienstagabend im Grünspan Hamburg ein Konzert. (Bild: stagr / Mark Carstens)

Mit 20 stolperte ich zum ersten Mal über Sepultura bzw. über das frisch veröffentlichte Album “Against”. Damals hatte Gründungsmitglied Max Cavalera die von ihm gegründete Band schon längst verlassen und Derrick Green war erstmals als Frontmann zu hören und in den Musikvideos zu sehen. In einer Zeit ohne viel Internet, wo Musik für mich etwas war, was aus dem Autoradio kam oder auf MTV lief, war Derrick Green für mich der einzige Frontmann von Sepultura, bis ich einige Jahre später die Plattenläden durchstöberte und auf „Beneath the Remains“, „Arise“ und “Chaos A.D.“ stieß, die meine Begeisterung für Sepultura verstärkten. Vor allem “Chaos A.D.” mit dem stark experimentellem Gesamtkonzept und der röhrenden Stimme von Max hatte doch eine ganz andere Note als Derrick Greens vielseitiger Gesang zwischen Melodie und harten Shouts.

Zeitsprung zu 2017, Max & Iggor Cavalera waren auf dem heiligen Acker von Wacken und spielten “Roots” – und zum ersten Mal hörte ich Max Cavalera LIVE Sepultura-Songs performen. Es war ein grandioses Erlebnis für mich und natürlich war “Roots” aufgrund der Symbolik des Titels eine hervorragende Wahl von den Cavaleras, um die alten Sepultura Zeiten aufleben zu lassen.

Und jetzt, zwei Jahre später, waren die beiden Brüder wieder auf Tournee und dieses Mal hatten sie die beiden Alben „Beneath the Remains“ und „Arise“ im Gepäck, die mir selbst viel mehr bedeuteten als „Roots“. Mit dabei war die Vorband Healing Magic – die neue Band von Max’s Sohn Igor Amadeus Cavalera – deren Songs spirituelle Themen behandelten und melodisch viel weicher waren als der Thrash von seinem Dad und seinem Onkel. Wer weiß, vielleicht gibt es in zwei Jahren ja wieder eine Tour, diesmal mit „Chaos A.D.“ …?

Healing Magic

Igor Amadeus Cavalera hat nicht nur einen, sondern zwei große Schatten, aus denen er hervortreten möchte. Nicht nur, dass er der Sohn der Thrash-Metal-Legende Max Cavalera ist, er trägt auch noch den (phonetisch) gleichen Vornamen wie sein Onkel Iggor. Nachdem er andauernd in Social-Media-Beträgen vertaggt wurde, obwohl eigentlich sein Onkel gemeint war, tritt er nun als Amadeus Cavalera auf und hat mit Travist Stone die Band “Healing Magic” gegründet. Vor der Europa-Tour wurde eine EP “Restoration” released, pünktlich zur Europa-Tour ist das erste Album fertig – genug Material, um eine halbe Stunde als Support-Act zu füllen. 

Healing Magic versucht den Spagat aus Mystik und Thrash-Metal hinzubekommen. Ein interessantes Konzept, sind die Mystischen Themen doch meist im heroischen Melodic- und Power-Metal zuhause, oder ganz finster im Death-Metal. Die Band aus Arizona nimmt die stampfende Rythmen und Riffs des Thrash, und mischt stimmungsvolle Licks ein, die auch in Filmen eingesetzt werden um Spannung zu erzeugen. Dazu kommen melodische Bass-Läufe vom E-Bass, den Amadeus mehr wie eine Gitarre als wie ein Rythmus-Instrument spielt. 

Allerdings merkt man auch, dass es die erste große Tour ist. Zwischen den Songs gibt es ein paar schüchterne Worte, und die Songs selbst werden nur gespielt, statt “für das Publikum gespielt”. Auch die Shouts und Growls von Amadeus haben noch nicht die durchdringende Power eines Veteran-Metallers.

Aber all das kann Healing Magic leicht lernen, und nicht jede Vorband im Grünspan bringt zumindest die vordere Hälfte des Publikums mit ihren Songs in Bewegung. 

Max & Iggor Cavalera

Und dann kommt er auf die Bühne: Max Cavalera, Gründer von Sepultura und Soulfly, Wegbereiter des Thrash Metals, der Mann, der nur 4 der 6 Saiten einer Gitarre braucht um Hits wie “Beneath the Remains”, “Arise”, “Slave of Pain” und “Desperate Cry” zu spielen. 

Das Publikum ist durch gemischt von jungen Leuten die von der 2017er Tour gehört haben und begeistert waren bis Fans der Ersten Stunde (d.h. die 1983 die erste Scheibe gekauft habe), neben Hamburgern trifft man auch viele Metalheads die eine längere anreise hinter sich haben um Max und Iggor live zu sehen. 

Und keiner ist enttäuscht. Max Grow-Shoutet in sein Mikro auf dem patronenbesetzten Ständer und seine Gitarre stimmt mit röhrenden Riffs mit ein. Iggor stampft in die Pedale der Double-Bass-Drum wie King Kong und drischt dabei auf die Drums ein als wolle er sie noch vor dem Ende des Gigs zerstören. Marc Rizzo (Gitarre) und John Chow (Bass) steigen in die hitzige Leidenschaft der Cavaleras mit ein, treiben sie noch weiter in die Höhe, und da Publikum hat keine andere Wahl als sich mitreißen zu lassen. 

Jeder Songs wird nach den ersten Tönen erkannt, auch wenn er nicht angesagt wurde, jede Strophe wird laut mitgegröhlt, und das Grünspan erhitzt sich durch die Moschende Menge zu einem Hochofen in dem pures Metal zusammengeschmolzen wird. Aber es gibt auch (vergleichsweise) ruhige Passagen, wie “Orgasmatron”, wo Max zu einem Prediger einer finsteren Zukunft wird. Und neben Songs von den beiden Alben “Beneath the Remains” und “Arise” werden noch Cover von  black Sabbath’s “War Pigs” und eine Version von “Ace of Spades” gespielt, auf die Lemmy Kilmister (Frontmann Mötörhead) sicher stolz gewesen wäre. Und schließlich, in der Zugabe, spielen sie noch einmal “Refuse” von Chaos A.D.

Setlist – Max & Iggor Cavalera in Hamburg 2019

Beneath the Remains

1. Beneath the Remains
2. Inner Self
3. Mass Hypnosis
4. Slaves of Pain
5. Primitive Future

Arise

6. Arise
7. Dead Embryonic Cells
8. Desperate Cry
9. Altered State
10. Infected Voice
11. Orgasmatron
12. Ace of Spades

Encore:
13. Troops of Doom
14. Roots Bloody Roots
15. Beneath the Remains / Arise / Dead Embryonic Cells