Am vergangenen Wochenende zog es rund 8.500 Musikbegeisterte nach Hünxe/Bottrop auf das Freigelände am Flughafen Schwarze Heide um den Punkrock in seiner zehnten Runde auf dem Ruhrpott Rodeo zu feiern. Nachdem der dicke Rodeobulle bisher seinen Platz am Pfingstwochenende im Kalender fand, bietet Alex Schwers und Team seinen Gästen erstmalig im August ein fulminantes Line-Up voller Punk-Urgesteinen und -Legenden. Auch wenn es pünktlich zu Beginn nochmal ordnungsgemäß der Festivalsaison 2016 regnete, kann man wohl davon ausgehen, dass auch Petrus an diesem Wochenende eine Lederjacke oder Jeansweste trägt, auf der Patches, Buttons und Nieten klar signalisieren, dass das Rodeo auf der Sonnenseite des Lebens steht.
Auch der ganz besondere Geist, der über diesem Festival schwebt, bleibt seinen Besuchern nicht lang verborgen: Im Caravan-Camp angekommen und die Campingstühle für die nächsten drei Tage positioniert, heißt es umsiedeln: Die Campnachbarn halten ihre Becher in die Luft und laden zu einem gemeinschaftlichen Willkommens-Schnäpschen ein. Nullkommanichts sitzt man in netter Gesellschaft, lernt sich kennen und freut sich, so tolle Nachbarn zu haben. Dieses großartige Gefühl von Aufgeschlossenheit, Gelassenheit und Gemeinschaft wird bis zur Abreise fortbestehen und der Abschiedsschmerz wird kommen, das ist bereits dreißig Minuten nach Anreise klar.
Hier gehts zum Bericht: Ruhrpott Rodeo 2016 – Tag 2
Hier gehts zum Bericht: Ruhrpott Rodeo 2016 – Tag 3
Das Festivalgelände ist noch übersichtlich besucht, als Polit-Punklegende Jello Biafra gegen 19:20 Uhr die Ruhrpott Stage übernimmt. Im weinrot-glänzenden Samtfrack betritt der ehemalige Dead Kennedys Frontmann die Bühne und mimt zynisch wie kein anderer den Entertainer. Gemeinsam mit seiner Band „The Guantanamo School of Medicine“ ist er nicht zum Spaßen aufgelegt, sondern hat eine ernste Botschaft im Gepäck. Wie immer geht es um Politik und Gesellschaftskritik. Biafra rechnet mit Trump und der AFD ab, bezieht aber auch – abseits aller politischen Differenzen- positiv Stellung zu der Flüchtlingspolitik Merkels und ermahnt, dass man sich doch mal überlegen sollte, ob es nicht vielleicht Sinn macht mit denen zu reden, die nicht die eigene Meinung teilen: „Was nützt es die zu überzeugen, die eh schon deiner Meinung sind?!“. Spätestens bei den Dead Kennedy-Klassikern „California über alles“, „Holiday in Cambodia“ und dem neubetitelten „Nazi Trump Fuck off“ bebt der Boden vor der Rodeo Stage. Kaum verwunderlich, dass Biafra nicht davor scheut zu überziehen und Knochenfabrik ihm charismatisch signalisieren loslegen zu wollen.
So war JELLO BIAFRA live
So war KNOCHENFABRIK live
Trotz seiner angenehm „begrenzten“ Besucherzahl ist das Ruhrpott Rodeo das größte Punkfestival Deutschlands und spielt auch international ganz oben mit. Neben vielen Lokalmatadoren, für die das Festival mittlerweile ein traditionelles Feiertags-Wochenende darstellt, trifft man auch immer wieder Gäste aus benachbarten Ländern wie Holland, Belgien oder England. Ohne groß nachdenken zu müssen, merkt man schnell wie wertvoll offene Grenzen, internationale Solidarität und eine ausgelassene, aber anerkennende Kommunikation sind. So ist es eine Herzenssache, den 8.500 Punkbegeisterten aber auch den Machern des Ruhrpott Rodeos unseren vollen Respekt und Dank für das Wochenende vom 5. bis 7. August 2016 auszusprechen.
So war IDOLIZED live
Und wenn Gunnar und Stefan von Dritte Wahl im Song „Zeit bleibt stehen“ singen: „Liebe gute alte Zeit bleib ein bisschen stehen, ruh‘ dich aus für eine Weile, denn es ist gerade so schön. Lasst uns hier und heute bleiben, halt die Uhren alle an. Diesen Augenblick wollen wir die nächsten 100 Jahre lang.“, kann man sich nur zustimmend anschließen.
So war DRITTE WAHL live
Nachdem die Billy Idol Coverband Idolized die – mittlerweile gut in Fahrt gekommene – Menge bei Hits wie „Rebel Yell“, „White Wedding“ oder „Sweet Sixteen“ mitgrölen lässt und dabei so original klingt, dass man zwei Mal hinsehen muss, treiben Suicidal Tendencies die mittlerweile weniger sommerlichen Temperaturen ordentlich in die Höhe. Mike Muir betritt die Bühne, verschafft sich einen Überblick und schenkt der Menge ein ordentlich sympathisches Lächeln. Neben altbekannten Stücken, präsentiert die kalifornische Hardcore-Band ihr am 30. September erscheinendes Album „World Gone Mad.“ Am Ende der Show laden Suicidal Tendencies ihre Fans traditionell auf die Bühne ein und feiern ein gewaltiges gemeinsames Showende.
So war SUICIDAL TENDENCIES live
Kids Of The Black Hole entpuppen sich als die großartigen „The Adolescents“, aber das war für die meisten Anhänger der Punkveteranen längst kein Geheimnis mehr. Schnell wurde die Verbindung zu dem 1981 veröffentlichten The Adolescents Songs „Kids Of The Black Hole“ geknüpft. Nachdem es einige Zeit ruhig um die Band hinter Frontmann Tony Cadena wurde, erschien zuletzt das aktuelle Album „Manifest Densitiy“. Mit ordentlich Power und den so geliebt kritischen Texten im Gepäck, rissen The Adolecents das Rodeo Publikum unübersehbar mit sich.
So war KIDS OF THE BLACK HOLE live
Gänsehaut frei Haus holt man sich am Freitag wohl am besten bei WIZO ab. Auch wenn es bei weitem nicht die einzige Band ist, die in die Vergangenheit katapultieren wird, gehören sie zu den Wenigen, die am meisten beeindrucken werden. Zur Urbesetzung gehört mittlerweile nur noch Gründungsmitglied und Frontmann Axel Kurth. Der Platz zwischen FOH und Ruhrpott Stage ist mittlerweile prall gefüllt. Alle wollen WIZO sehen. Das lässt man sich einfach nicht entgehen. Es wird gesprungen, argumentiert und gespaßt und die perfekt geschlagene Brücke zwischen altem und neuen Songmaterial zaubert so vielen ein Leuchten in die Augen. Neben klaren politischen Aussagen gegen Rechts und der mehr als nachvollziehbaren Umschmeichlung des Ruhrpott Rodeos und seiner Veranstalter, geht es bei WIZO ordentlich emotional zu.
Bildergalerie: So war WIZO live
Lässt man den Blick durch die Menge schweifen, wird es einem ganz warm ums Herz und neben den eigenen feuchten Augen macht sich ein ganz warmes Grinsen breit. WIZO berührt so richtig. Bei „Quadrat im Kreis“ hat das Publikum Tränen in den Augen und nimmt sich in den Arm. Wie viele gerade Szenen ihrer ganz eigenen Vergangenheit in den Köpfen haben lässt sich nur erahnen. Es scheint als wäre es der perfekte Moment für jeden Anwesenden. Die beiden Besucherinnen Kata und Julia sind sich sicher: „Man kann an diesem Abend die Freiheit bis in die Fingerspitzen spüren!“
Danke an:
Maria Graul für Bilder und Text.