The Hellacopters & Lucifer – Die Aufholjagd des Rock’n’Rolls


The Hellacopters Berlin 2019 / The Hellacopters Tour 2019
(Bild: stagr / Christoph EIsenmenger)

The Hellacopters haben den Rock’n’Roll schon einmal gerettet. Als ungeformte Punks Mitte der 90er Jahre traten sie in Skandinavien auf und entfachten mit ihrer Musik ein längst erloschenes Feuer in den Ohren und Herzen einer Generation des Rock’n’Rolls, nicht zuletzt wegen eines der besten „Fuck-Yeah“!-Opening-Songs aller Zeiten: „(Gotta Get Some Action) Now!“ Der Funke war entfacht und auch in Zeiten der wertlosen Platin-Plattenverdienste, benötigen wir Bands und Künstler wie The Hellacopters, die uns aus den Krallen der furchtbaren Chartspitze mit Capital Bra und Dieter Bohlen befreien. Doch schaffen sie es erneut den Rock’n’Roll wieder zu beleben? Der erste Schritt ist getan, denn die Show in Berlin ist schon lange restlos ausverkauft. Es wird Zeit die alten Metal-Kutten und Merchandising-Artikel unter dem eingestaubten Skateboard auf dem Dachboden der Eltern wieder herauszukramen.

Auf dem RAW-Gelände haben sich mehrere kleine Gruppen angesammelt, die sich wahrscheinlich seit Jugendzeiten nicht mehr gesehen haben. Über zehn Jahre sind nach der Auflösung der Hellacopters vergangen. Aber nun sind die schwedischen Sleazerocker wieder da und das erste Lebenszeichen sind drei Konzerte in Deutschland. Der Rock’n’Roll-Zug kann wieder losfahren, denn auf Konzerte gehen lohnt sich wieder.

Lucifer

Mit Mitgliedern aus Berlin und London startet die zweite Kapelle um den Frontmann der Hellacopters im Vorprogramm. Für die Band gibt es keine Barriere zu überwinden, die Verstärker sind angestöpselt, die Schlagfelle auf den Drums gespannt und das Mikrofon ist auf Empfang gestellt. Die Regler auf dem Mischpult sind auf Maximum geschoben und die Band ist heiß. Frontfrau und Lebenspartnerin von Schlagzeuger Nicke Andersson trägt einen auffälligen roten Onesie mit Fransen an den Ärmeln. Der doomlastige Sound knallt zusammen mit dem Licht auf das Publikum nieder und wärmt die Berliner Zuschauer auf. An der Theke läuft es rund und die Biere marschieren in Richtung der Bühne.

The Hellacopters

Der Saal des Berliner Astras ist randvoll, die Anspannung und die Nervosität ist den Zuschauern anzusehen. Die Band betritt die Bühne, die Zuschauer verlassen ihr gegenwärtiges Dasein und schlüpfen in die Zeit ihres jugendlichen Seins ein, vergessen den Alltagsstress und rasten komplett aus. Die Euphorie der Zuschauer ist grenzenlos und die vollen Bierbecher fliegen durch den Raum. Frontmann Nicke Andersson kann sein Schmunzeln unter seiner Offiziersmütze nicht verstecken. Jeder einzelne Ton, der aus den Lautsprecherboxen schallt, ruft Erinnerungen in den Köpfen der Besucher hervor und bringt ein Lächeln auf die Lippen der Gäste. Der alte Gitarrist Andreas Tyrone Dregen ist auch wieder am Start und wirbelt mit seiner tief hängenden Gitarre wie ein Sturm über die Bühne und spornt das Publikum an.

Die eingängigen Riffs und Melodien verleiten die Meisten im Saal dazu, die Faust mal wieder in die Höhe zu strecken. Die Energie, die durch den Konzertraum schwebt ist großartig. Man trifft sich eben kaum noch und geht gemeinsam, wie früher auf Konzerte und genießt die Musik. Die Frage: „Wozu muss ich auf ein Konzert gehen, wenn ich eine bequeme Couch mit einer guten Spotify-Playlist habe?“ muss ab jetzt nicht mehr gestellt werden. Die Antwort liegt auf der Bühne. The Hellacopters liefern ihren Fans die Songs, die sie vermisst haben. Was für ein Einstieg in den Abend. Auch Hits wie „By the Grace of God“ oder „I’m In The Band“ fehlen nicht auf der Setlist. Die Show für viele die Erfüllung eines Traumes, der heute endlich wahr wird. In den Saal ist man alleine gegangen, hinaus geht man Arm in Arm. Der Rock’n’Roll ist tot, lang lebe der Rock’n’Roll!