Bay Area Thrash an der Elbe – Testament in Hamburg


Testament in Hamburg 2020
Am Donnerstag, den 13. Februar 2020 gaben Testament ein Konzert in Hamburg. (Bild: stagr / Mark Carstens)

In meinen Artikeln habe ich immer mal wieder darauf hingewiesen, dass der Norden Europas (speziell Schweden, Norwegen und Finnland) ein guter Nährboden für Metal ist. Ohne auch nur ansatzweise Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben seien hier Bands wie Hammerfall, Arch Enemy, Lordi, Nightwish, Amon Amarth, Tarja und Dimmu Borgir genannt. Beim heutigen Abend geht es allerdings um eine ganz andere Region, die auch sehr viele gute Metal-Bands hervorgebracht hat: Die sonnige Bay-Area von San Francisco. Weltbekannter Vertreter des Bay Area Metals ist Metallica, aber gerade Anfang der 80er entstanden in der Gegend unzählige Metal Bands, die gemeinsam das Genre des Thrash Metals formten.

Death Angel, Exodus und Testament sind somit Mitbegründer des Bay Area Thrash Metals, ein Genre, dass großartige Bands wie Slayer, Sepultura, Megadeath und Machine Head hervorgebracht hat. Dabei verbindet die 3 Bands eine besondere Geschichte. Wie viele Bands die in den 80ern den Bay Area Thrash mitbegründeten lösten sich Death Angel und Exodus Anfang bis mitte der 90er auf. Gründe dafür waren vielseitig: Die Musiker wandten sich anderen Projekten zu, seien es experimentelle Bands, Solo-Projekte, oder dem Drogen-Entzug, und zahlreiche Neubesetzungen verwässerten die Essenz der Bands bis sie sich schließlich auflösten oder umbenannten. Als jedoch 2001 Bei Testament-Frontmann Chuck Billy ein Tumor festgestellt wurde, organisierten befreundete Bands von Testament, allen voran Exodus, das Benefizkonzert “Thrash of the Titans”, das viele Bands wie zum Beispiel auch Death Angels zum Anlass nahmen sie wieder zusammenzuschließen, so dass die ganze Thrash metal Bewegung Anfang der 2000er Jahre einen neuen Aufschwung erlebte.

Wenn drei so traditionsreiche Bands auf Tour gehen ist es kein Wunder, dass sich im Dock vor allem “alteingesessene” Thrash-Metal Fans tummeln, aber auch zahlreiche Jungspunde sind gekommen. Als Fotograf mittleren Alters fragt man sich kurz, ob die jungen Metalheads von heute das Konzert eher wie einen Museumsbesuch wahrnehmen, direkt nachdem sie im Museum für Technik Walkman und Wählscheibentelefon bestaunt haben. Aber al ldas spielt keine Rolle, sobald die erste Band die Bühne betritt.

Death Angel

Mark Osegueda war Roadie für die 1982 gegründete Band “Death Angel”, und wurde 1984 zum Sänger. Für einen heranwachsenden Metalhead wie mich eine schönere Story als “vom Tellerwäscher zum Millionär”. Live ist Mark Osegueda ein Schreihals wie man ihn sich als Thrasher nur wünschen kann, und selbst die Docks-Anlage kann mit meinen seiner langgezogenen Scream-Shouts nicht mithalten. Dafür ist die Lichtstimmung gut. Vor allem Lead Gitarrist Ted Aguilar bekommt einen einzelnen Spot ab wenn er seine beeindruckenden Soli spielt und der rest der Bühne wird dazu abgedunkelt. Die Shouts von Mark werden mit stark aufflammenden Backlights unterstützt, und dazwischen reicht das Licht auch in den Zuschauerraum, so dass Bassist Damien Sissen jedem aus dem Publikum anerkennend zunickt oder die Teufelshörner zeigt, der für ihn laut genug mitgrölt oder stark genug abgeht.

Thrash ist laut und aggressiv, aber er hat eine positive Lebenseinstellung, die ansteckend ist und einen mitreißen kann. In der Hinsicht ist Thrash dem Punk sehr ähnlich. Death Angel ist groß darin, diese mitreißende Komponente des Thrash auszuleben. Bis zu dem Punkt, wo sie nicht mehr für, sondern mit dem Publikum spielen. Selbst nach dem letzten Song und Publikums-Highlight der Setlist “Thrown to the Wolves”  nimmt Damien sich die Zeit, die Setlists in Papierflieger zu falten und jemand im Publikum auszuwählen, der den Flieger fangen soll. Nur dass seine Flieger es leider nicht so weit schaffen.

Exodus

Kirk Hammet – ja, Metallica-Kirk-Hammet – war einer der beiden Gründungsmitglieder von Exodus. Aber das Herz und die Seele wurde Gitarrist Gary Holt, der es ebenfalls vom Roadie zum Bandmitglied schaffte. Dabei lernte er das Gitarre-Spielen von Kirk Hammet persönlich. Mark Oseguedas Story war schön, Gary’s leben war der lebende Traum meines teenager-Ichs. Er ist bis heute Songwriter von Exodus und der einzige Musiker, der auf allen Alben der Band zu hören ist. Seit 2014 war Gary auch offizielles Mitglied von Thrash-Ikone Slayer (ja, ich würde schon gern mit Gary tauschen) bis zur bandauflösung im letzten Jahr.

Entsprechend hoch die Freude der Fans, dass Gary nach der langen Abschiedstournee von Slayer endlich wieder mit Exodus auf der Bühne steht. Entsprechend darf er auch auf der Bühne glänzen, in dem er hart headbangend alle Soli spielt. Nur einmal darf Gitarrist Lee Altus bei einem Solo zeigen, wie schnell seine Finger über sein Metal-Brett fliegen können. Zusammen mit Frontmann Steve Souza heizen sie das Docks mit klassischen Thrash auf. Denn die Rythmen und Melodien von Exodus sind sehr oldschool. Durch die gesamte Bandgeschichte hindurch hat man das Gefühl, dass Bass, Drums und Rhythmusgitarre sich nicht groß verändern. Doch Garys Soli und Steves Gesang machen Songs wie “Blood in, Blood out”, “Deathamphetamine” und “Strike of the Beast” zu den Thrash-Klassikern die sie sind. Und die wirklich jeder im Publikum mitsingen kann.

Testament

Endlich. Nach zwei sehr guten Bands und zwei laaaangen Umbaupausen (eigentlich waren sie gar nicht so lang, respekt an die Roadies, aber sie kamen mir lang vor) steht endlich Testament auf der Bühne. Bei aller Liebe für Death Angel und Exodus: Für mich persönlich ist Testament das Highlight des Abends. Aber zuerst noch eine kleine Anekdote aus der Geschichte des Bay Area Thash: Bevor Chuck Billy Frontmann von Testament war, hatte Steve Souza (ja, der von Exodus) den Job inne. Und auch als bei “Thrash of the Titans” sprang Steve als Sänger von Testament ein.

Mittlerweile ist Chuck das Gesicht von Testament. Verdient. Ebenso wie er die Bezeichnung “Der beste Shouter im harten Genre” verdient hat. Mit seiner Tiefen Stimme beherrscht Chuck nicht nur die klaren Scream-Shouts wie sie im Thrash üblich sind, sondern kann auch Growlen einer Death-Metal-Band die Zähne klappern. Einer der Gründe, warum einige Songs von Testament eher in Richtung Death- als Thrash-Metal gehen ist genau diese Bandbreite von Chuck. Zusammen mit Alex Skolnik (Gitarre) und Steve DiGiorgio (Bass) hat er auch zwei kräftige Stimmen im Background, die Chucks Leadgesang durch Songs wie “The Haunting” durchtragen wie das Publikum die Crowdsurfer.

“Throne of Thorns”, “The Pale King”, “Night of the Wtich” sind nur einige der Hits die Testament raushauen, und jung und alt singen mit, Bangen, moshen, machen Circle Pits auf und wieder zu und feiern zum dritten mal am Abend eine Legende des Thrash. Doch der Abend ist zu kurz, um alle Hits von Testament live zu erleben. Nach “over the Wall” und “Disciple of Watch” ist Schluss.

Und die Musiker von der Bühne gehen und das Licht angeht merke ich sowas wie einen “Metal-Kater”, denn für eine nabend war es doch etwas viel Thrash auf einmal.

Setlist – Setlist – Testament in Hamburg 2020

1.Eerie Inhabitants
2. The New Order
3. Practice What You Preach
4. Into the Pit
5. Raging Waters
6. The Haunting
7. Brotherhood of the Snake
8. The Pale King
9. The Preacher
10. Night of the Witch
11. Over the Wall
12. Disciples of the Watch