Wir in Rostock werden uns gegenseitig noch lange fragen: Wo warst du eigentlich am 1. September 2018? Warst du dabei? Wer dann mit nein antworten muss, hat definitiv einen Meilenstein in der Rostocker Livemusik-Szene verpasst. Ob man nun auf Hip-Hop steht oder nicht ist dabei gänzlich einerlei. Marteria mit dem Support Feine Sahne Fischfilet sowie den Gästen Arnim Teutoburg-Weiß (Beatsteaks), Casper und Miss Platnum hat für eines der emotionalsten und gleichzeitig ausgelassensten Konzerte der letzten Jahre gesorgt. Übrigens: Es ist das erste Stadionkonzert eines deutschen Solo-Rappers! Vor 33.000 Zuschauern!
Feine sahne fischfilet
Zunächst betritt Paul Ripke, Fotograf und enger Freund von Marteria, die Bühne und informiert das Publikum über die Filmaufnahmen, die in seiner Regie laufen werden. Auf den Konzertmitschnitt darf man gespannt sein … Feine Sahne Fischfilet geben danach den Auftakt mit gewohnter Punk-Attitüde. Eine Batterie Bierflaschen steht vorbereitet am Bühnenrand um, in schöner Regelmäßigkeit ins Publikum zu fliegen. Bengalos brennen nicht nur im Publikum, sondern auch auf der Bühne wird mit Rauchpatronen hantiert. Der Herzlichkeit von Sänger „Monchi“ kann man sich kaum entziehen, selbst wenn man musikalisch nicht unbedingt auf Wellenlänge liegt. Mit diesen Jungs das Warm-up für Marteria zu feiern ist ein Fest und gleichzeitig ein Bekenntnis. Die 2016 gestartete Kampagne „Noch nicht komplett im Arsch. Zusammenhalten gegen den Rechtsruck“ ist aktueller denn je, leider. Das 60-minütige Set schlägt voll ein und Feine Sahne ist an diesem Abend definitiv mehr als nur eine „Vorband“. Natürlich lässt „Monchi“ es sich nicht nehmen, auf seine bodenständige, ehrliche Art jeglicher Form von Rassismus eine Abfuhr zu erteilen. Mit glänzenden Augen erzählt „Monchi“ dann noch, wie Marteria ihm offerierte, dass sie den Support spielen werden. Die Freude in seinen Augen ist förmlich spürbar! Und – ihr habt es absolut gerockt!
MaRteria
Bevor der Vorhang mit dem Marteria-Logo fällt, laufen zu pathetischer Musik Bilder vom Bau des „alten“ Ostseestadions (vor dem Neubau im Jahr 2000) über die Videoleinwände. Das Besondere des Baus ist die Tatsache, dass die Rostocker Bevölkerung Anfang der 50er Jahre Unterstützung in Form von freiwilliger Arbeit und Spenden leistete. Tausende Menschen halfen mit 230.000 Arbeitsstunden, die Kosten um fast 1 Million DDR-Mark zu senken. Heute nahezu unvorstellbar. Marten „Marteria“ Lacinys tiefes Verhältnis zum Ostseestadion basiert auf seiner jugendlichen Fußballkarriere. Er war Kapitän der Jugendmannschaften des F.C.Hansa Rostock, zu dem er heute noch eine enge Verbindung pflegt.
Der Vorhang fällt und eine 2,5-stündige Show mit allen Hits wie „Kids“, „Aliens“, „OMG“ oder „Welt der Wunder“ nimmt ihren Lauf. Der Sound stimmt, was für Stadionkonzerte nicht unbedingt selbstverständlich ist. Gleich im zweiten Song springt Arnim Teutoburg-Weiß von den Beatsteaks auf die Bühne und rappt sichtlich fröhlich mit. Auch bei den Gästen Caspar und Miss Platnum wird klar – hier sind Freunde am Werk und haben riesigen Spaß, an diesem event mitzuwirken. Selbstverständlich schaut auch Alter Ego Marsimoto vorbei und taucht die Bühne in grünes Licht. Neben all der ausgelassenen Partystimmung ist es Marteria zum Song „Links“ ein Bedürfnis, ein klares statement gegen „Faschos, Homophobe, und Menschen, die Gewalt gegen Andersdenkende ausüben“ abzugeben.
Die Freude über das Konzert in „seinem“ Ostseestadion versucht Marten „Marteria“ immer wieder zu beschreiben. Und –ja, man nimmt sie ihm ab. Spätestens bei der Anmoderation der Zugabe „Mein Rostock“ überwältigen ihn die Tränen. Ich glaube, bei „Mein Rostock“ gibt es kaum einen Zuschauer ohne Gänsehaut und ebenfalls einer Träne im Augenwinkel. Komisch, bis gestern mochte ich den Song gar nicht so besonders…. Aber auch mir ist gestern echt warm ums Herz geworden. DANKE Marteria, denke ich, als ich mit 32.999 anderen Rostockern und Zugereisten zum Ausgang stolpere …