High-Heels auf Augenhöhe – Gusgus in Leipzig


GusGus Leipzig 2018 / GusGus Tour 2018
(Bild: stagr / Alex Jung)

Nach einem fulminanten und ausverkauftem Konzert im UT Connewitz im Mai 2018 luden Daníel Ágúst Haraldsson und Birgir „Biggi Veira“ Þórarinsson, die aktuelle Besetzung der isländischen GusGus zum Nachschlag ins Werk2 nach Leipzig, um ihr 10. Album „Lies are more flexible“ live zu zelebrieren. Dem folgten viele tanz- und feierwütige und so war die Halle A des Werk2 zum veranschlagten Konzertbeginn um 20:30 Uhr gut gefüllt.

Um 20:31 Uhr geht es dann überpünktlich los. Das Publikum freut sich sichtlich über den erscheinenden Biggi. Gewohnt im Minirock und in High-Heels steigt Þórarinsson auf das erhöhte Podest und begibt sich hinter seine Maschinen. Als erstes Lied ertönt „Featherlight“, das gleichzeitig der Opener des aktuellen Albums ist. Unterstützt von minimalen weißen Lichtkegeln nimmt die einsetzende Basedrum sofort das Publikum gefangen. Es fügen sich blaue Lichtkegel ins Bühnenlicht ein, als Frontmann Daníel Ágúst Haraldsson die Bühne betritt. Seine Stimme brilliert vom ersten Ton an. Daníel Ágúst grinst, tanzt und genießt sichtlich den Konzertauftakt. Als nächstes startet „Fireworks“, ebenso ein Track des aktuellen Albums. Der Synthbass blubbert herrlich aus dem Mix hervor und die Basedrum ist klar definiert rauszuhören. Das gefällt meinen Ohren! Haraldsson hat neben seinem Mikrofonständer auf einem separaten Ständer etwas Technik platziert, mit dem er seiner Stimme Effekte hinzufügt. Das erste für mich wahrnehmbare Delay ist noch etwas laut, zeigt aber, dass hier live geschraubt wird. Als nächstes drückt „Arabian Horse“ vom gleichnamigen 2011er Album durch die Boxen. Das Publikum ist begeistert und Haraldsson motiviert, die treibende Clap des Titels mit zu klatschen. Am Ende des Tracks wird ein sehr fetter tiefer Bass herausgearbeitet, das ist wirklich sehr gut! Titel Nummer 4 ist „Lifetime“, ein weiterer Song vom aktuellen Album. Die Temperatur im Saal nimmt zu, sowohl stimmungsmäßig als auch vom Wärmegrad her. Beim Einsatz des Chorus rastet das Publikum das erste mal richtig aus. Es folgt „Lies Are More Flexible“, der Titeltrack des letzten Long Players und das erste Instrumental des Abends.

Biggi steht nur allein auf der Bühne. Zunächst beginnt das Stück mit einem langen Intro und einer Menge Gefrickel. Þórarinsson arbeitet sichtlich und schichtet Sound um Sound auf das zappelwillige Publikum. In der Mitte des Tracks folgt ein Techno-Klassiker: Sound runterfahren, Break und alles wieder an. Funktioniert! Die Massen gehen steil. Als nächstes startet „Crossfade“ vom vorletzten Album „Mexico“ mit sichtlicher Live-Action von Þórarinsson. Mit dem Wiedererscheinen von Daníel Ágúst setzt die Basedrum wieder ein. Mit Einsatz des Refrains – man verzeihe mir – klingt es etwas wie Gigi D’Agostino. Nicht schlecht, aber… dafür holen GusGus vor dem letzten Chorus den Synth-Hammer raus – fetteste Bässe! Es folgt ein fulminantes Ende des Tracks. Synths und Haraldssons Stimme stehen im Duett allein im Raum. Und dann doch nochmal mit Basedrum. Das ist Hammer, hier geben GusGus wirklich alles. Haraldsson bedankt sich brav. Wie soll das jetzt weitergehen? Mit „Over“. Crispe Hi-Hats kombiniert mit dicken Leadsounds. Das funktioniert! Die Bühne liegt im dunklen Licht und Daníel Ágúst tanzt sich die Jacke fransig. Das Publikum wird ausgelassener und bewegt sich jetzt mehr. Die Basslinie kommt herrlich knackig raus und die Abmischung ist mittlerweile super – druckvoll und dennoch gefällig und nicht zu laut. Der nächste Track „Airwaves“ beginnt erneut mit einem langen und düsteren Intro, auch beleuchtungstechnisch. Der Beat ist geradliniger, was der Stimmung zwar keinen Abbruch tut, aber dennoch ist das Publikum recht still. Biggi hinterfragt mit einer Geste, was los ist und die Menge antwortet mit Jubel.

Es folgt mit „Selfoss“ ein weiteres Instrumental, bei dem Daníel Ágúst erneut von der Bühne verschwindet, um sich umzuziehen. Weiter geht es mit „Add This Song“. Der Fronter ist wieder auf der Bühne und ja, ich habe diesen Song in mein Herz hinzugefügt, dank dieser fetten Basslinie! Es gibt erneut einen Beleg, dass hier tatsächlich live geschraubt wird: Die einsetzende Snaredrum sitzt viel zu laut im Mix, was aber umgehend korrigiert wird. Als nächstes folgt eine Nummer, die zunächst für Fragezeichen über den Köpfen sorgt. Während sich der Song langsam aufbaut, kriecht Danielsson von hinten unter Þórarinssons Pult hindurch. Und da ist er plötzlich, der Überhit: „David“. Das Publikum geht steil. Und Daníel Ágúst mag „David“ – Oder uns, oder Leipzig?! Haraldsson kündigt im Anschluss an, dass GusGus nur noch zwei weitere Songs spielen und dass es keine Zugaben geben wird. Er fordert das Publikum auf, jetzt Spaß zu haben. Es folgt zunächst „Deep Inside“ – der Song beginnt mit einem langatmigen Intro mit tiefem Gesang, das ist wohl die letzte Verschnaufpause vor dem Finale. Dann setzt eine unheimlich dicke Bassdrum ein, die im Bauch drückt. Das findet Leipzig gut! Und Daníel Ágúst auch. Mittlerweile steht er tanzend auf Biggis Pult. Nach dem vorletzten Track bedankt sich Haraldsson: „Thanks for sharing these moments with us.“ Während dem finalen Track „Moss“ performt Haraldsson Herzen und Fortnite-artige Bewegungen. Biggi steht plötzlich am vorderen Bühnenrand und wird gehörig von der Menge gefeiert. Das Publikum würdigt seine Arbeit mit lautem Jubel. Das ist die Währung, die für Künstler am wertvollsten ist. Und plötzlich ist das Konzert aus. Um 22:23 Uhr gehen die Lichter an und wir müssen wohl auf ein neues Album warten, bis sich die zwei Herren wieder in Leipzig sehen lassen. Aber das werden Sie bestimmt, wenn ich das von Haraldsson mit Inbrunst gerufene „LEIPZIG: Thank you!“ richtig interpretiert habe. Großes Damentennis!