Bereits vor Beginn der Veranstaltung kündigte ein erstes kurzes Gewitter die Marschrichtung für den Rest des Tages an – dass die Wasserrettung der DLRG auch vor Ort war, darf man wahlweise eigentümlich über prophetisch bis amüsant finden – besonders wenn diese Wasserrettung sich dann selbst vor dem Wasser unter einen Baum rettet. Es sollte nicht der „Last Battle“ mit dem Wetter bleiben, aber dazu später mehr. Die Stimmung unter den ca. 4.100 wartenden Fans ließ sich vom Regen jedenfalls nicht trüben: In der über 200 Meter langen Schlange wurde schon eine Stunde vor Einlass ordentlich gefeiert und zum Soundcheck geheadbangt.
Warkings
Los ging es mit der internationalen Band Warkings, die treue Powerwolf-Fans bereits von der Wolfsnächte-Tour im vergangenen Herbst kennen dürften. Ihre ungewöhnliche Mischung aus Tribunes klarem und hellem männlichen Gesang mit gutturaler Unterstützung von Morganas weiblichem Organ hört man nicht oft. Doch der treibende, zugleich melodische und stellenweise fast schon symphonische Power Metal kam beim Publikum offensichtlich gut an. Obwohl es noch früh am Tag war, konnten die Warkings das Publikum mit ihren martialischen Nummern wie „Maximus“, „Hephaistos“ und „Sparta“ abholen. Nicht umsonst sah man ab der ersten Umbaupause immer mehr Warkings-Shirts im Publikum und dafür deutlich weniger am Merch-Stand. Na gut, vielleicht hatte auch der Regenschauer zur Mitte des Auftritts etwas damit zu tun. Aber die Stimmung lässt sich trotzdem nur als ausgelassen und begeistert beschreiben. Hier wurde ein gutes Händchen bei der Auswahl des Anheizers bewiesen.
Doro
Nach kurzem Umbau und notdürftigem Abdichten des nicht ganz wasserdichten Getränkestands ging es dann weiter mit der Queen of Metal. Doro hatte leider in der ersten Hälfte ihres Sets nicht nur mit einem weiteren Schauer zu kämpfen, sondern auch mit dem eher mittelmäßigen Ton. Zum Glück sollte dieser bis zum Ende der Veranstaltung die absolute Ausnahme bleiben. Die Fans scheint es auch nicht weiter gestört zu haben – sie feierten die rockige Mischung aus Warlock- und Solo-Nummern vom ersten Ton an bis zum Verklingen des letzten ab. Ruhigere Stücke und fette Rock-Hymnen wechselten sich ab und spätestens bei „All We Are“ sangen dann selbst alle diejenigen mit, die sichtlich nicht für Doro angereist waren. Auch in ihrem 40. Jubiläumsjahr zeigt Doro mit ihrer unglaublichen Bühnenpräsenz und monumentalem Gesang wieso sie als Queen of Metal international gefeiert wird. Man sah ihr die Freude an dem Auftritt an, und das Publikum ließ sich davon gerne infizieren.
Saltatio Mortis
Wer sie vorher noch nicht kannte, mag sich gefragt haben, was denn Saltatio Mortis auf diesem Festival zu suchen haben. Mittelalter? Dudelsack? Das ist doch bestimmt total weichgespült und geht zwischen Power Metal und Schwermetall-Ikonen wie Doro sicher eh unter. Aber weit gefehlt. Die Rocker um Alea, den Bescheidenen, begeisterten von Anfang an nicht nur durch Feierlaune und Publikumsnähe, sondern auch dadurch, dass sie genauso hart rocken können wie die anderen Bands des Abends. Abgeliefert wurde die bekannte Mischung aus Folkig-Mittelalterlichem („Spielmannsschwur“, „My Mother Told Me“), Gesellschaftskritischem („Brot und Spiele“, „Dorn im Ohr“) und ungezügelter Party („Drunken Sailor“, „Hypa Hypa“) – und die kam sichtlich gut an. Bei keinem der vorherigen Auftritte wurde so viel mitgesungen wie bei SaMo und selbst während des unweigerlichen Wolkenbruchs in der Mitte drängten deutlich weniger Leute unter die Dächer der Fress- und Getränkestände. Niemand wollte sich die Gelegenheit nehmen lassen, bei „Taugenichts“ den Neidern den erhobenen Mittelfinger zu zeigen. Insgesamt war das Set ausgezeichnet gewählt, um die Energie vom freudespringenden – ja geradezu auf der Bühne umher fliegenden – Alea und herumpreschenden Luzi auf das feiernde Publikum zu übertragen. Besonders die Platzierung von „Loki“ und „Heimdall“ auf der Setlist bildete denn nicht nur eine thematische Brücke zwischen den Warkings und Powerwolf, sondern führte auch zu Begeisterungsstürmen im Publikum. Bei der letzten Ansage entschuldigte Alea sich dann noch für die fehlende Feuershow. Wobei von „fehlen“ eigentlich keine Rede sein kann. Die Stimmung hätte kaum noch befeuert werden können.
Powerwolf
Als hätten sie Aleas Entschuldigung als Ansporn aufgefaßt, starteten Powerwolf mit einem Knall – beziehungsweise mit vielen. Beim ersten Song „Faster Than the Flame“ fuhr das Rudel um Attila mehr Pyrotechnik auf als alle vorherigen Bands zusammen. Spätestens jetzt war klar: hier ist ein absoluter, exzessiver Abriss geplant. Und der wurde dann auch umgehend geliefert. Bei absoluten Brechern wie „Army of the Night“, „Beast of Gévaudan“ und „Sanctified by Dynamite” wurde es ekstatisch, heiß und zügellos. Die Menge ließ alle Hemmungen fallen und zelebrierte den Abschluss des Festivals ohne Rücksicht auf Verluste.
Natürlich durften auch Super-Hits wie „Demons Are A Girl’s Best Friend“, „Sainted by the Storm” und „We Drink Your Blood” nicht fehlen. Vor dem Hintergrund einer meterhohen Projektion anstatt eines schnöden Backdrops explodierten die Bandmitglieder förmlich vor Energie; selbst Roel war für einen Drummer ungewöhnlich mobil. Ungewöhnlich war auch, dass Keyboarder Falk mal vorne sitzen durfte anstatt durch sein Instrument an den hinteren Bühnenrand gebunden zu sein. So verdeckte die Orgel zwar zeitweise Teile des hammermäßigen Bühnenbilds, setzte den Organisten dafür aber besonders gut in Szene. Umringt von Feuer seinen Bandkollegen lieferte er ein hammer Spiel ab. Zwischen Feuershow, passend auf die Songs abgestimmten Projektionen und kleinen Showeinlagen der Bandmitglieder gab es also nicht nur richtig auf die Ohren, sondern auch massig was für die Augen. Auch das Publikum trug zum Erfolg bei, indem es sich vom erneuten Gewitter nicht beirren ließ. Hatten auf die Frage, wer Powerwolf noch nie live gesehen habe, noch einige Dutzend Leute verhalten die Hände gehoben, so sangen bei „Amen and Attack“ dann doch gefühlt alle mit – und wer nicht sang, der moshte, tanzte, hüpfte oder zeigte auf andere Art, dass sich echte Wölfe nicht vor einem bisschen Regen fürchten.
Gerne hätte die Show noch stundenlang weitergehen können, und auch die Band hätte sicher nichts dagegen gehabt, sich noch länger feiern zu lassen. Leider zeichnete sich immer deutlicher ab, dass das Gewitter, welches bereits seit dem Mittag immer näher kam, das Festivalgelände genau treffen würde. Gegen 21:50 wurde klar: es gibt eine Unwetterwarnung, man kann der Band nicht mehr Zeit geben als weitere zehn Minuten. Die letzten Songs wurden daraufhin zügig runtergespielt – für Zugaben keine Zeit mehr. Trotz Regen und näherrückenden Blitzen ließ sich die Menge nicht nehmen, bis zum Ende zu feiern. Nass aber glücklich ging es für die Besucher pünktlich um 22 Uhr vom Gelände. Insgesamt wurde hier ein mega Programm geliefert, bei dem man trotz zwischenzeitlich wahlweise apokalyptischer oder sintflutartiger Zustände kaum anders konnte, als sich mitreißen zu lassen. Das machte Bock auf mehr. In einem Wort: geil!
Setlist – Powerwolf in Saabrücken 2023
1. Faster Than the Flame
2. Army of the Night
3. Dancing With the Dead
4. Armata Strigoi
5. Amen and Attack
6. Sainted by the Storm
7. Stossgebet
8. Demons Are a Girl’s Best Friend
9. My Will Be Done
10. Beast of Gévaudan
11. Where the Wild Wolves Have Gone
12. Fire and Forgive
13. Resurrection by Erection
14. Blood for Blood
15. Sanctified with Dynamite
16. We Drink Your Blood
17. Werewolves of Armenia