Rockharz Open Air 2024 – Dienstag und Mittwoch


Rockharz Open Air 2024
Am 3. Juli 2024 startete das Rockharz Open Air in seine ersten Tage. (Bild: Birger Treimer)

Dienstag, 2. Juli, Tag der Anreise

Endlich wieder Rockharz! Das muss der Leitgedanke der zahllosen Metalmaniacs gewesen sein, die bereits einen Tag vor offiziellen Start des diesjährigen Rockharzes ihre Pilgerfahrt nach Ballenstedt angetreten hatten. Eine gewaltige Blechlawine schlängelte sich durch den Ost-Harz zum Flugplatz und das trotz der 30€ Aufpreis für die verfrühte Anreise. Wenig verwunderlich erschien es, das Gäste mehrere Stunden warten musste, um endlich den geweihten Boden betreten zu dürfen. Es kann von Glück gesprochen werden, dass das Wetter eher herbstlich als hochsommerlich war. Bedeckt und regnerisch lässt sich das Warten eher aushalten, als bei über 30 Grad und blanker Sonne. Auf Grund des massiven Aufkommens an Gästen, entschied die Orga des RHZ, dass das Zeitfenster für den Einlass auf den Campground weiter offen gelassen wurde, auch wenn dieses eigentlich um 22 Uhr endete. Entsprechend nächtlich war so mancher Aufbau des Zeltes.

Mittwoch, 3. Juli, offizieller Start des Rockharz

Und dann war es endlich soweit, nach einer feuchten und kalten Nacht öffneten sich zwar nicht Tore nach Vallhalla, aber die heiligen Tore des Infields. Das Wetter.. Wechselhaft und windig, Rockharz Standard. Ein Strom an Menschen füllte Selbiges auch in Nu auf, sehr zur Freude des Festival Openers Power Paladin. Metal aus Island, der kein Black Metal ist und nicht Solstafir heißt. Sachen gibt es, die gibt es gar nicht. Der 6er, Rund um Sänger Atli Guðlaugsson ging auch gleich in die Vollen. Temporeicher Power Metal, der sehr stark an Blind Guardian erinnert, wurde euphorisch bejubelt, gewagt war auch die Gardrobenauswahl, wer hier Rüstungen erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Spaßig ging es nahtlos weiter mit Gutalax. Die Band aus Tschechien ist vor allem eingefleischten Party.San-Gänger*innen und Grindcore Fans ein Begriff. Fäkalgrind feierte nun seine Premiere auf dem RHZ. Entsprechend tummelten sich Menschen in Maleranzug mit Klobürsten bewaffnet vor der Bühne. Bis zum FOH staute sich die Menge. Krönung des Ganzen war eine große Restmülltonne, die zum ersten (und letzten?) mal Crowdsurfen durfte. Ein Spaß für Porzellanliebhaber oder Kackbandprinzessinen.

Nach einem bunt-spaßigem Rektalmassaker, wurde zum Mal am Tag das Epic-Level über die Regler hinaus hoch gedreht. Gleich 8 (!) Musiker*innen stürmten die Stage. Optisch eine Mischung aus Kratos von God of War und Vikings, der Serie, nur ohne die gestählten Körper, musikalisch Power Metal mit einer Prise Viking Metal. Die Rede ist von Brothers Of Metal aus Falun, Schweden. Vor allem die gesangliche Gewalt von Ylva Eriksson, Joakim Lindbäck Eriksson und Mats Nilsson gefiel nicht wenigen Zuschauer*innen.

Van Halen. Ein Name, den nun wirklich jeder Mensch irgendwo schon einmal gehört hat und mit Sicherheit, bewusst oder unbewusst, mit dem einen oder anderen Ohrwurm assoziiert. Allerdings ist hier jetzt nicht die Rede von Eddi Van Halen, sondern von seinem Sohn, Wolfgang Van Halen. Der Künstler aus den USA trat mit seinem Solo-Projekt Mammoth WVH den Zuschauer*innen mit einwandfreiem Hard Rock den Kitt aus der Brille. Der Grammy Award Gewinner aus 2022 ist von seinem musikalischem Gespür her genetisch geküsst worden, was bei einem solchem Vater jetzt nicht wirklich verwunderlich ist. Das war musikalische Professionalität auf ganz hohem Niveau.

Rockig ging es weiter, allerdings in eine andere Richtung. Prägende Off-Beats von den Drums, sehr ohrgängige Melodien von Gitarre und Gesang – mit Kärbholz wurde es nach klassischem Hard Rock, klassisch im Geiste des deutschsprachigen Punk Rock. Das Quartett um Sänger Torben Höffgen gilt zu den wohl einflussreichsten Bands des entsprechenden Genres. Folglich war es nicht verwunderlich, dass das Infield von zahlreichen Fans der Band gespickt war und die Songs textsicher mitsangen, wobei brüllen es eher trifft.

Deutlich aggressiver ließen es die Mannen von Callejon angehen. Obwohl es vor ein paar Monaten erst zu einem massiven Umbruch in der Band kam, merkte man davon nicht wirklich was. Die Formation, die als Pionier des deutschsprachigen Metalcore anzusehen ist, demonstrierte eindrucksvoll, dass auch Mitgliederwechsel nicht zwingend ein Abbruch der musikalischen Qualität sein muss. Ein randvolles Infield, fliegende Haare, frenetischer Jubel – so macht Metalcore Spass.

Augen auf – Oomph! betrat die Bühne des Geschehens. 35 Jahre Bandjubiläum wollten anständig zelebriert werden. Diesen Gefallen taten nicht nur bekennende Fans, sondern auch viele übrige Besucher*innen des RHZ. Obwohl eben für nicht eingeweihte Liebhaber der harten Musik es immer noch etwas ungewohnt erscheinen mag, dass nicht mehr Dero, sondern Der Schulz am Mikro steht, tat das der Party keinen Abbruch. Die durch und durch positive Energie auf der Bühne sprang ohne Weiteres auf das Publikum über.

Nun war es Zeit für die Hochkaräter am ersten offiziellen Festivaltag. Den Anfang machte kein geringer als Leadsänger der absoluten Heavy Metal Legende aus UK von Iron Maiden, der einzig wahre Bruce Dickinson. Obwohl der ikonische Sänger dieses Jahr seinen 66 Geburtstag feiern wird, können sich weitaus jüngere Musiker*innen sich was von der schier endlosen Energie des Briten abzweigen. Zwischen seiner Aktuellen Platte „The Mandrake Project“ und seiner vorletzten Veröffentlichung „Tyranny Of Souls“ mögen zwar ganze 19 Jahre liegen, auf der Bühne war die Qualität der Musik im allgemeinen überragend. Besonders erfrischend war, dass die Setlist ein gelungener Querschnitt der Bruce Dickinson Diskografie bot und sich nicht ausschließlich auf die aktuelle Scheibe konzentrierte. Entsprechend wurde der Engländer, samt seiner Musiker, von dem völlig ausgefüllten Infield gefeiert.

UK hat Dickinson, Deutschland hat Dirkschneider. Das Gründungsmitglied von Accept und U.D.O. der hiesigen Szene einen sehr markanten Stempel aufgedrückt, vor allem während seiner Zeit bei Accept. Im Zeichen seiner alten Formation stand auch das Set des Wuppertalers. Auch wenn der Altersdurchschnitt eventuell etwas anstieg, gab es auch nicht wenige Jungmetalheads, die textsicher die Hymnen „Fast As A Shark“ oder auch „Balls To The Wall“ mit sangen. Vor allem der Song „My Way“ unterstrich, dass der Sänger stets seine individuelle Vorstellung von Metal leben und produzieren wird. Udo Dirkschneider ist und bleibt eine feste Größe der Metalszene – er hat es (mal wider) eindrucksvoll bewiesen.

Es folgte Werbung (kleiner Spass am Rande). Mit der finnischen Formation Amorphis kam es zu einem Bruch mit dem knapp 2 Stunden Heavy Metal Sound. Die sympathische Gruppe aus Nordeuropa, rund um Sänger Tomi Joutsen, hat sich in den letzten Jahren zu einer regelrechten Institution und Exportschlager entwickelt. Ihr Erfolg mag vor allem damit einhergehen, dass sie in ihren über 30 Jahren diverse Einflüsse aus Metal und Rock äußerst erfolgreich adaptierten, zeitgleich aber nicht ihre Individualität verloren haben. Sie ergänzen ihren Melodic Death Metal und betrachten ihren Stil eben nicht als starres Konstrukt. Im Set machte sich das vor allem damit bemerkbar, dass neben Klassikern, wie „Black Winter Days“, auch ihre melodische Hymne „House Of Sleep“ neben den neusten Liedern der aktuellen Scheibe Platz fand. Dementsprechend war es auch nicht überraschend, dass zahllose Menschen dem Live Spektakel beiwohnten. Der 6er aus Finnland hatte nach ihrer Show definitiv neue Anhänger*innen dazu gewonnen.

Kam nun ein ruhiger Abschluss mit sanften Melodien, um den Tag friedlich ausklingen zu lassen? Weitgefehlt. Gleich dem Einschlag aus dem schweren Geschütz der Dicken Bertha schlugen Kanonenfieber ein. Die Black/Death Metal Formation hat sich ganz der Thematik der Urkatastrophe, dem 1. Weltkrieg, verschrieben. Entsprechend trugen alle Musiker die Grunduniform der deutschen Soldaten. Lediglich der Sänger hatte den Offiziersrock an. Auch der Bühnenaufbau, die Uniformen, die Licht- und Pyroshow war akribisch auf das jeweilige Lied abgestimmt. So trugen die Musiker*innen beispielsweise die Marineuniform der U-Bootfahrer der deutschen Marine, als sie das Lied „Die Haverie“ anstimmten. Den Abschluss des Abends und auch des ersten Festivaltages, machte der einer der zwei Songs mit englischsprachigen Textzeilen „ The Yankee Division March“. Das Abrisskommando ist wohl das heißeste Eisen aus der deutschen Metalschmiede – absolut legitim, wenn die Qualität auf der Bühne und die Unmengen an Zuschauer*innen davor als Referenzwert genommen werden.