Vom 16. bis zum 18. August fand zum 13. Mal das wohl bunteste Musikfestival des Nordens statt: das MS Dockville 2019 in Hamburg. Heute berichten wir vom zweiten Tag: Samstag.
Gestern war Billie Eilish hier! Ja ja, war toll. Aber wir sind auch froh, dass sie wieder weg ist. Als Überheadliner hat sie dafür gesorgt, dass das Dockville aus allen Nähten platzte. Zeitweise war kein Durchkommen mehr und der Platz vor der Hauptbühne wurde offiziell abgeriegelt, weil es zu voll war. Es hat sich angefühlt, als würden Reeperbahn Festival, CSD und Monki-Supersale gleichzeitig stattfinden. Für das eigentlich sehr entspannte Dockville war das alles etwas unentspannt.
Deshalb freuten wir uns am Samstag auf einen Tag ohne gehypte Weltstars, sondern einfach nur mit guten, angesagten Musikern wie Nura, Giant Rooks und Von Wegen Lisbeth. Bei letzterem wurden die Fans von einem kleinen Monsunregen erwischt, aber dazu später mehr.
Nura
Kann sich noch jemand an gestern erinnern? Dann wisst ihr noch, dass Juju auf der Hauptbühne stand, eine Hälfte der Band SXTN. Die andere Hälfte durften wir am Samstag auf dem Vorschot erleben: Nura.
Auf der Bühne stand ein gigantischer Deutscher Reisepass neben dem DJ-Pult, von dem aus der DJ fragte: „Habt ihr Bock auf Nura?“ Haben wir! Als der Fan-Jubel vom DJ als angemessen euphorisch bewertet wurde, kam sie endlich auf die Bühne: Nura.
Es ging los mit dem Song „Ich bin schwarz“, der natürlich auch von Fans mitgesungen wurde, die weiß sind. Und braun, gelb, rot, bunt! Hautfarben interessieren auf dem weltoffenen Dockville eh niemanden – hier ist jeder willkommen. Schon in der ersten Strophe hat Nura auch erklärt, was der Deutsche Pass auf der Bühne zu suchen hatte: „Ich fick‘ deine Bitch, hab‘ ‘nen Heidenspaß, und jetzt hab‘ ich einen deutschen Pass!“
Mit der Frage „Wo sind meine Moshpit-Minister?“ wurde der nächste Song eröffnet: „Auf der Kippe“. Zum Song „Radio“ kam tatsächlich nochmal die Sonne raus. Und das zum letzten Mal für heute, wie wir später am eigenen, klitschnassen Leib erfahren sollten.
Nuras Rap-Style ist nicht wirklich mein Geschmack. Alles etwas prollig und grölig. Aber ihre Viva Con Agua Aktion konnte ich nur feiern: Ein großes, aufblasbares Ruderboot ging auf große Fahrt übers Menschenmeer. Dann forderte uns Nora auf, Plastikbecher und Flaschen ins Boot zu werfen, damit das Pfandgeld an Viva Con Agua gespendet werden kann. Der Verein setzt sich dafür ein, die Trinkwasserversorgung in südlichen Ländern zu verbessern. Und wenn ich nur mein Bier leertrinken muss, um was Gutes zu tun, mache ich gerne mit. Gute Aktion, Nura!
Giant Rooks
Schon am frühen Abend war der Platz vor dem Großschot komplett mit Fans gefüllt, die schon über die Deiche links und rechts der Bühne schwappten. Sie alle waren für die Giant Rooks hier, die um 20:40 die Bühne betraten.
Die fünf Musiker kommen aus Hamm, einer kleinen, langweiligen Stadt in NRW. Das hört man ihnen gottseidank nicht an: die Giant Rooks machen runden, gut arrangierten Indie-Rock, der sich irgendwie international anhört und an alt-J erinnert. Auf dem Dockville spielten sie zuerst „100 mg“, danach folgte „Bright Lies“. Die Unmengen an Fans, die zum Refrain laut „Ophelia“ mitsangen, haben auch Sänger Frederik Rabe beeindruckt: „Ihr seid so viele!“ Yepp, das waren sie. Und es sollten noch mehr werden. Denn als nächstes stand Von Wegen Lisbeth auf der Bühne.
Von wegen Lisbeth
Die Indie-Pop-Band um Sänger und Gitarrist Matthias Rohde war der Headliner des Tages. Die fünf Berliner waren um 22:20 Uhr auf dem Großschot angekündigt und sind alte Bekannte: Sie waren schon vor zwei Jahren hier, damals noch eine Nummer kleiner: auf dem Vorschot.
Die Bühne war noch für den Soundcheck abgehängt, als es wie aus Kübeln zu regnen begann. Die harten VWL-Fans, die schon stundenlang vor der Bühne warteten, haben ihre Plätze natürlich nicht aufgegeben. Sie waren bestens vorbereitet und haben Regenjacken, Regencapes, Regenponchos, Regenschirme, Regensonstwas aus ihren Rucksäcken gekramt. Alle anderen haben sich unter Bierständen, Jever-Schirmen und Bäumen in Sicherheit und Trockenheit gebracht.
Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge: es wurde dunkel und eine geheimnisvolle Melodie wurde gespielt. Gitarre und Keyboard setzen ein – dann fiel endlich der Vorhang und Von Wegen Lisbeth legten los! Zum lauten Jubel der durchnässten Fans spielten sie zur Begrüßung „Freigetränke“. Danach folgte „Meine Kneipe“, der Song mit dem saulustigen Text, der von der Crowd begeistert mitgegrölt wurde: „Schlaf‘ auf jedem Klo, mit jedem Typen, den du willst (…) Mach‘ was du willst, aber bring nie wieder deine neuen Freunde …. in meine Kneipe.“
Mittlerweile war auch der letzte Fan vom Regen durchnässt. Auch die beste High-Tech-Jacke bringt nicht mehr viel, wenn das Wasser in die Schuhe, in die Ärmel und in den Kragen kriecht. Feuchtigkeit findet immer einen Weg. Aber das juckte die Fans nicht, wie auch Sänger Matthias Rohde wusste: „Regen macht euch nichts aus. Ihr seid doch Hamburger!“ Wo er Recht hat, hat er Recht. Wer sich in Hamburg wegen Regen beschwert soll, nach München ziehen.
Wer war sonst noch da?
Drunken Masters. Das DJ-Team aus war als Ersatz für den kranken Karate Andi da. Die beiden DJs haben brettharte Beats, Songs und Samples aus alle Musikgenres ineinander geprügelt. Electro-Bass, E-Gitarre, Whoop there it is? Hauptsache es ballert. Den Fans hat’s gefallen: Schon um 18:30 sind sie vor der Bühne ausgerastet wie sonst um 3:00 nachts im Club. Alle haben ausgelassen getanzt, sind auf Kommando in die Knie gegangen und wieder hochgesprungen, als der Bass droppte. Uns war das alles etwas zu stressig, aber es gibt Bonuspunkte für den 1UP-Aufkleber auf dem Notebook.
Mine. Die deutsche Sängerin stand am frühen Abend auf dem Großschot. Und darüber hat sie sich genauso gefreut wie die Fans: „Es ist 19:20 und wir dürfen auf der Hauptbühne spielen! Ich scheiß mich ein!“ Im goldenen Outfit, mit einem riesigen Umhängekeyboard (auch Keytar genannt – schon wieder was gelernt) hat sie Pop mit Electro- und Hip-Hop-Elementen gespielt.
Yves Tumor. Der amerikanische Musiker hat auf der Maschinenraum-Bühne experimentelle Electro-Musik gemacht. Naja, er hat es zumindest versucht: Schon nach wenigen Beats gab’s Sound Probleme. Nicht schlimm, Yves hat die Pause genutzt, um mit den Fans zu quatschen und den American-Spirit-Promoter um Kippen und Werbeschnickschnack anzuschnorren: „Can I get a free ashtray?“ Na klar! Als es dann endlich weiter ging, konnten wir Yves auf der dunklen Bühne kaum erkennen, aber dafür umso besser hören: Zu lauten Beats, beunruhigenden Sounds und Störgeräuschen hat er Worte und kurze Sätze ins Mikro geschrien. Sehr experimentell.
Loyle Carner. Der Londoner Rapper stand als vorletzter Musiker auf dem Vorschot, das er sich gemütlich eingerichtet hatte: mit Ohrensessel und Fußballtrikots an den Wänden. Mit einem sensationellen Cockney-Slang rappte er Songs wie „Ice Water“ oder „You Don’t Know“. Die Boom Bap Beats fand ich sehr smooth und lässig, was aber auch an der Graswolke gelegen haben kann, die ständig zu mir rüber wehte. Kleiner Tipp: Wer Rap aus London gut findet, sollte sich mal Ocean Wisdom anhören, der mit seinem Debüt „Walkin“ Eminems Rap-Geschwindigkeits-Rekord übertroffen hat.
Jungle. War die letzte Band auf dem Vorschot. Leider waren wir vom Regen so durchnässt wie nach einer Bierdusche auf einem Deichkind-Konzert. Deshalb sind wir nach Hause gefahren, bevor Jungle loslegen konnte – Redakteure sind auch nur Menschen. Aber weil wir Jungle schon auf dem Reeperbahn Festival live gesehen haben, können wir euch versichern: die Neo-Soul-Band aus London hat sicherlich einen sensationellen Auftritt geliefert.
Wie geht es weiter?
Mittlerweile ist es Sonntag. Am letzten Tag fährt das Dockville Festival nochmal ein starkes Line-up auf: Kat Frankie, Roosevelt, Drangsal, Aurora, Bilderbuch und viele mehr. Morgen verraten wir euch, wie es war.