Elbriot Festival 2019 – Ein letztes Mal am Mehr! Theater


Elbriot Festival 2019
Der Samstag beim Elbriot Festival 2019 in Hamburg war regnerisch, dafür aber mit umso besserer Livemusik gespickt. (Bild: stagr / Mark Carstens)

Vor 7 Jahren fand zum ersten mal das Elbriot in Hamburg auf dem Großneumarkt statt. Ein “kleines” Metal-Festival mit “nur” 14.000 verkauften Tickets, die damals schon die Logistik überforderte. Unvergessen die ewig langen Schlangen an den unterbesetzten Bierständen. Unvergessbar auch, wie die Band As I Lay Dying kurzfristig absagen musste, weil der Frontmann verhaftet wurde.

Dieses Jahr findet das letzte Elbriot auf dem Großneumarkt statt. Das Festival, das von den Ticket-Zahlen nicht größer geworden ist, muss sich eine neue Location suchen. Ein letztes mal können Metalheads aus der Umgebung auf asphaltiertem Grund mit guter Kanalisation, erreichbar problemlos mit der U Bahn (eine Station vom Hauptbahnhof und dann 10 Minuten Fußweg) oder auch mit dem Auto (kostenfreie Parkplätze in zahlreichen Anfahrtsstraßen). Der Komfort ist unvergleichlich. Aber auch das Line-up kann sich sehen lassen.

Wobei dieses Jahr auch wieder ein Band kurzfristig absagen muss: Der Van mit dem Equipment von Avatar hatte einen Unfall, entsprechend können die Jungs nicht auftreten. Anders als damals, als Caliban noch für As I Lay Dying einspringen konnte, kam die absage so kurzfristig dass man nur noch die Running-Order anpassen kann um die Lücke zu kaschieren.

Aber auch ohne Avatar ist das Elbriot ein Fest mit vielen Metalheads, die sich vor allem auf Dragonforce und In Flames freuen, Hardcore-Fans mit Bandana, die zu Hatebreed und Of Mice And Men abgehen, und Altrockern mit AC/DC-Kluft, die sich vor allem auf Airbourne freuen.

Es bleibt das Problem, dass die Bässe ein wenig schwach sind, und das ganze Programm pünktlich um 23 Uhr enden muss. Vermutlich weil sich ein paar anliegende Einwohner über den Lärm beschwert haben. Bleibt zu wünschen, dass das Riot nächstes Jahr einen neuen Platz findet, der ähnlich gut zu erreichen ist, und wo man vielleicht die Bässe wieder voll aufdrehen kann.

Dragonforce

Zwei überdimensionierte Videospiel-Automaten, auf denen die beiden Gitarristen stehen und ihre Finger mit unglaublicher Geschwindigkeit über die Gitarrensaiten fliegen lassen. Dragonforce war schon immer eng mit der Videospielkultur verbunden – fast jeder kennt “Through the Fires and Flames” als “den Guitar Hero Song”, den man auf dem Gitarren-förmigen Controller spielen musste um den Endgegner zu Besiegen. Aber auch das Musikvideo von der neuen Single “Highway to Oblivion” hat eine sehr schöne Tron-Optik und soll auch in einem Videospiel verwendet werden.

“Highway to Oblivion” und andere Tracks des im September erscheinenden neuen Albums “Extreme Power Metal” werden leider nicht gespielt, aber dafür Klassiker wie “Season”, “Cry Thunder” und natürlich “Through the Fires and Flame”. Wie immer dreht vor allem Gitarrist Herman Li durch, hebt die Gitarre an den Saiten hoch um sie dann fallen zu lassen, mit einem gekonnten Kick wieder “hochzuheben” und sie aufzufangen, pustet in den Tonabnehmer der Gitarre, spiel sprichwörtliche “Licks” mit seiner Zunge … wenige Leute sind so kreativ im Umgang mit diesem Instrument, und haben dabei auch noch ganz offenkundig so viel Spaß dabei. Und wer künftig mehr Lust auf den verrückten langhaarigen Asiaten von Dragonforce hat, kann ihn auch auf Twitch in Livestreams sehen unter twitch.tv/hermanli. Hier wurde auch der Elbriot-Gig live übertragen.

Übrigens der letzte Gig in der aktuelle Band-Zusammenstellung, denn für Bassisten Frédéric Leclercq der sich von der Band trennen wird, war das der allerletzte Live-Gig mit Dragonforce. Oder wie Frontmann Marc Hudson nach dem “Guitar Hero Song” sagte: “Congrats. You never have to play this song again.” Einen Song, den Frederic geschrieben hat.

Of Mice And Men

Of Mice and Men (auf Deutsch: Von Mäusen und Menschen) ist ein traurig-schöner, Gesellschaftskritischer Roman der in den 30er Jahren erschien. Die nach dem Roman benannte Band präsentiert Hardcore-typisch gesellschaftskritische Texte mit stampfenden Drum-Beats, Rap-ähnlichen Sprechgesängen und lauten Screams. Was “Of Mice and Men” aber von den meisten Core-Bands wie “While she sleeps”, “Power Trip” und natürlich Hatebreed unterscheidet sind die melodischen Parts (instrumental und gesungen) die eher aus dem Nu Metal stammen.

Dass die Mischung aus beidem gut funktioniert beweisen Of Mice and Men bereits mit ihren beiden Openern “Warzone” und “Deffy” von ihrem neusten Album, das ebenfalls “Deffy” heißt. Andere Songs wie “Instincts” sind eher Core-lasting, fast schon Old-School, aber mit nicht weniger Energie. Und es ist eine andere, härtere Energie als die Gute-Laune-Powermetal-Songs der lächelnden und scherzenden Jungs von Dragonforce. Musikalisch müssen sich gerade die melodischen Parts nicht vor Dragonforce verstecken, und mit ihren Donnernden Core-Elementen schlagen sie eine saubere Brücke zu Hatebreed, die als nächstes spielen.

Hatebreed

Seit 25 Jahren ist Jamey Jasta mit Bandana und Mikro bewaffnet und begleitet von Bassist Chris Beattie als “Hatebreed” unterwegs. Zum 25. Jubiläum tourt Hatebreed nun wieder um die Welt. Dabei waren Hatebreed vor 2 jahren bereits auf dem Riot, letztes Jahr in Wacken und dann mit Kreator auf der “european Apokalypse” Tour unterwegs, und Jamey Jasta stand mit seinem Nebenprojekt “Jasta” letztes Jahr auf der Elbriot-Bühne.

Allerdings gehört Hatebreed meiner Ansicht nach zu den Bands, die man ruhig mal öfter sehen kann. Es ist nicht so, dass ich mir Hatebreed zuhause anhöre, wenn ich auf der Couch sitze und den Tag ausklingen lassen will. Oder dass Hatebreed musikalisch anspruchsvoll ist – es ist ganz klarer auf die Fresse Hardcore Metal – und zwar “As die-hard as they come” (toller Song, den sie auch performt haben).

Aber ein Hatebreed-Konzert ist immer wie ein treffen mit Core-Freunden, die sich allesamt von Jameys Energie und den Riffs von Wayne und Frank mitreißen lassen. Übrigens: Wayne ist der Gitarrist der immer ein Cap trägt, und Frank der andere Gitarrist der immer n Cap trägt. Bis Hatebreed hat das Elbriot die Bands gefeiert, aber bei Hatebreed wurde die Crowd noch mal so richtig wachgerüttelt. Neben dem neuen Volkssport “Crowdsurfen” startete auch die Nebendisziplinen “Circlepit” und “Becher-Weitwurf in richtung Bühne” zu Wechsrufen wie “Destroy everything”, Looking down the Barrel of today”, “Last breath” und natürlich “I will be heard”.

Airbourne

Zwischen Hatebreed und Airbourne löste sich das Infield einmal fast komplett auf, um sich neu zu befüllen. Hatebreed war die nächste Zündungsstufe der Hardcore-Rakete nach Mice & Men, Airbourne wiederum steigerte noch mal den Gute-Laune-Rock-n-Roll von Dragonforce.

De aktuell beste Hardrock-Band Australiens (meine persönliche Überzeugung) gehört ebenfalls zu den Bands, die man ruhig mal kurz nacheinander sehen kann. Tatsächlich hatte ich die O’Keeffe Brüder (Frontmann Joel und Drummer und Luftschutzsirenen-Solist Ryan) vor 2 Wochen in Wacken schon vor der Linse und auf die Ohren bekommen.

Dennoch: Wenn Joel O’Keeffe shoutet wie Bryan Johnen (AC/DC Sänger) shoutet und wie Angus Young (AC/DC Leadgitarrist) an der Gitarre durchdreht gibt#s kaum jemanden, der stillstehen kann. Es ist immer wieder schön zu sehen wie die Metalheads und Hardcore-Bandana-Träger und -Innen zu “Bone Shaker”, “Girls in Black”, “Stand up for Rock and Roll” und “Running Wild” abgehen. Und nein, es wird nicht nur gepogt und geheadbangt, es wird tatsächlich getanzt.

Mittendrin nimmt sich Joel auch noch die Zeit, ein paar Jack Daniels Cola für die Band zu mischen um auf Lemmy (Ex-Motörhead-Frontmann, 2015 verstorben) anzustoßen. Und dem Publikum Bier in bechern zuzuwerfen. Aber nur denen, die sich auf die Schultern ihrer Freunde trauen. Bis zumindest ein Bier gefangen wird. Und singt dazu “Come on, drink your beer! Come on, drink your wine! let#s have a good time!”

In Flames

Wieder tauscht sich das Infield durch, die Rocker gehen nach hinten und lassen die Jesterheads – wie sich die In Flames Fans nennen – nach vorne damit sie ihrer Band möglich nah sein können.

In ihren Ursprüngen waren In Flames Pioniere: Sie mischten die Riffs von Power-metal-Größen wie Iron Maiden mit den Texten und Gesängen von Death Metal und garnierten das ganze mit einer Prise Melodic Metal, in dem sie unter anderem zwei melodische Leadgitarren über eine Rythmus-Gitarre legten und das ganze noch von einem Keyboard unterstützen ließen. Aber mit zunehmender Bekanntheit und wachsender Fanbase laufe solche virtuosen immer Gefahr, zu sehr im Mainstream zu versinken. In Flames hatte in den letzten Jahren hart an dieser Herausforderung zu knabbern. Mit dem neuen Album “I, the Mask” besinnen sich die Schweden wieder an ihre Urspünge.

Opener “Voices” (auch Opener von Elbriot-Set) ist fast so gut wie ihr (meiner Ansicht nach bestes Album) Clayman. Die Energie des Death Metal in Kombination mit der Eingängigkeit und Dynamik eines Power-Metal Songs sind gut ausbalanciert. Gesänge und Screams von Frontmann Andres Fridén tragen den Song genau dahin, wo die Jesterheads der ersten Jahre ihn erwarten und andere Metal-Hörer zustimmend “nicken”.

Der Auftritt beim Riot ist allerdings nicht zu sehr Neues-Album-Lastig. In Flames präsentiert eine Mischung aus ihrer langen Bandgeschichte, wie “Everything’s gone” com 2014er Album “Siren Charms” und “Pinball Map” vom 2000er Album “Clayman” – und das waren nur die ersten 3 Opener. Die Reise durch die Diskographie von In Flames umfasst zwei Jahrzehnte und zahlreiche Experimente der Band, die alle auf die eine oder andere weise erfolgreich waren, sei es um eine größere Fanbase zu erreichen, oder um mal wieder gelungen zu überraschen.

In jedem Fall dankt es das Publikum, und als schließlich der letzte Song “The End” ausklingt haben viele noch nicht genug. Aber dafür gibt es ja jedes Jahr die Aftershow-Party im “Headcrash”. Die nächstes Jahr wahrscheinlich nicht umziehen muss.