Deichbrand Festival 2016 – Tag 3: Das ging ab am Sonntag


Deichbrand Festival 2016
(Bild: stagr / Julia Langmaack)

Den Startschuss am letzten Festivaltag feuert die Elektro-Pop-Band Grossstadtgeflüster gegen 11 Uhr Vormittag auf der Water Stage ab. Das Trio Keyboarder Raphael Schalz, Sängerin Jen Bender und Schlagzeuger Chriz Falk aus Berlin sind mittlerweile nicht mehr nur ein kleiner Geheimtipp sondern der aktuelle heiße Scheiss. Russkaja, die Band aus Wien mit ihrem traditionellen Musikmix aus russischem Polka-Ska-Rock legt nach. Wer sich das siebenköpfige Kollektiv live anschaut, wird direkt mit in einen Rausch gezogen aus trashigen, funkigen und abgedrehten Melodien. Wobei das Ganze eher wie eine Prügelei anmutet, wenn die Blechbläser richtig loshämmern. Wer sich die Füße bei Russkaja erstmal wund getanzt hat, kann sich nun bei der Antilopen Gang körperlich etwas mehr entspannen, denn es reicht fast, den Arm zur typischen Auf und Ab-Bewegung zu heben. Die Düsseldorfer Hip-Hop-Formation – bestehend aus den drei Rappern Koljah, Panik Panzer und Danger Dan – steht für verrückte, ironische Musik die direkt ins Ohr geht. Wenig später tritt die Dark-Rockband Mono Inc. aus Hamburg auf den Plan. Frontmann Martin Engler führt durchs melancholisch-krachende Programm.

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IRIE RÉVOLTÉS

Die Ansage „Diese Band braucht keine Ansage, diese Band IST eine Ansage“ ist Programm. Eine echte Explosion. Fette Beats und schwungvolle Action gibt es von der Reggae/Dancehall-Kombo. Die beiden Charlemoine-Brüder Mal Élevé und Carlito sind die Frtonmänner der ingesamt neun-köpfigen Band aus Heidelberg. Musikalisch haben sie ihren ganz eigenen Stil definiert zwischen Reggae, Hip-Hop und Dancehall – aber auch textlich sind sie mehr als außergewöhnlich mit ihrem deutsch-englisch-französisch Mix. Die Band hat in den vergangenen 16 Jahren fünf  Studioalben veröffentlicht, im letztem Jahr das gleichnamige aktuelle Werk „Irie Révoltés“. Eine Band, die sich treu geblieben ist. Die Iries tun, was sie für richtig halten, verbiegen sich nicht und genau das sagen sie auch. Als politische Band engagieren sie sich gegen Rassismus, Diskriminierung und Konsumwahn. Regelmäßig spielen die Irie Révoltés Benefizkonzerte und unterstützen, wie auch hier beim Deichbrand Festival, die Trinkwasser Organisation „Viva Con Agua“. Schlauchboot in die Menge und dann heißt es Pfandbecher sammeln. Nebenher gibt es aber natürlich auch Musik auf die Ohren. Mit „Soleil“ wird gebührend das perfekte Festivalwetter gehuldigt und Statements werden gesetzt u. a. mit „Antifaschist“, „Travailler“ oder „Zeit ist Geld“. Dabei zeigen die beiden Brüder akrobatische Sprung-Action, die Handtücher wedeln über den Köpfen – also eine riesen Party und vor allem ein erstklassiger Abriss.

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BLUMENTOPF

1992 bis 2016 R.I.P. – das Motto des Blumentopf-Auftritts beim Deichbrand Festival hängt als Banner im Hintergrund. Im vergangenen Jahr gaben Blumentopf bekannt, dass sich die Band nach 23 gemeinsamen Jahren auflösen wird. Schade, finden wir. Ihr Auftritt beim Deichbrand Festival bleibt nun als einer der letzten ihrer Art zwar noch mehr im Gedächtnis, aber überdrüssig sind die Fans ihrer längst nicht. Eine schwere Entscheidung wohl für die fünf Bandmitglieder, die 1997 ihren ersten Erfolg mit dem Album „Kein Zufall“ feierten. Die vier Rapper Cajus, Bernhard, Florian und Roger sowie DJ Sebastian genießen den Festival-Auftritt in Cuxhaven sichtlich, denn schließlich ist die Setlist gespickt mit allen ihren Hits. Mit viel Coolness und Leichtigkeit ziehen Blumentopf ihren Auftritt durch, sie sind Storyteller durch und durch. Mit viel Humor und Ironie sind ihre Texte gespickt, es geht um alltägliche Situationen und Beziehungen, aber auch politisch bezieht Blumentopf Stellung. Ihre Abschiedstour ist bereits restlos ausverkauft. Am 22. Oktober 2016 findet in München das Abschiedskonzert statt.

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HEAVEN SHALL BURN

Aus Saalfeld stammen die wichtigsten deutschen Metalcore-Vertreter rund um Frontmann Marcus Bischoff. Heaven Shall Burn sind bestrebt, ihre Hörer zu animieren, sich über vergangene und auch aktuelle Missstände zu informieren und so einen leichteren Zugang zu einem bewussten, positiveren Leben zu finden. Bekannt ist die fünfköpfige Band aber vor allem auch für ihre unglaublich Live-Energie. Schon das Bühnenbild droht an, man befinde sich mitten in einem Kriegsgebiet. Die schnellen Gitarrenriffs, Bischoffs unerwartet harte, tiefe Shouts sowie die ballernden Pyros rollen regelrecht über die „Tschechenigel-Requisiten. Im Infield bildet sich ein riesiger Mosh Pit und die trockene Erde auf dem Festivalgelände wirbelt zu einer großen Staubwolke vor der Bühne auf. Auch Sänger Bischoff steht binnen kurzer Zeit im Schweiß, einerseits knallt die Nachmittagssonne herunter und dazu lässt er (allerdings als einziger auf der Bühne mit Kurzhaarschnitt) mit seinen Kollegen – metaltypisch – die Haare fliegen. Übrigens: Auf Facebook haben Heaven Shall Burn so eben ihr neues Album „Wanderer“ angekündigt, das am 16. September 2016 auf den Markt kommt. Nach „Veto“ (2013) ist es ihr neuntes Studioalbum und sicher ein weiteres Statement, das sich nur schwer überhören lässt. Ein Clubtour hat das Quintett direkt mit angemeldet, einen Tag nach der Album-Veröffentlichung geht es los.

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FÜNF STERNE DELUXE

Die Hamburger Hip-Hop-Kombo besteht aus den beiden Rappern „Das Bo” und „Tobi Tobsen” (auch aktiv mit seinem DJ-Duo Moonbootica) sowie dem Designer „Marcnesium” (agiert im Hintergrund) und „DJ Coolman”. Mit der Veröffentlichung ihres ersten Album „Sillium” feierten die Genre-Veteranen 1998 erste Erfolge. Heute, 10 Jahre später, steht ein neues Album in den Startlöchern, dass noch in diesem Jahr erscheinen soll. Daher rappen sich die beiden Frontmänner (etwas gealtert) durch ihre Klassiker, allesamt unterhaltsame Songs die man kennt. Ob „Die Leude” oder „Deine Mudder”, im Publikum zeigen sich zufriedene Minien. Auf der Bühne geht es eher etwas spartanisch zu, zwar bieten Bo und Tobi ein witziges Schauspiel, ansonsten ist aber lediglich im Hintergrund eine große Theke aufgebaut an der DJ Coolman die Turntables bewegt. Immerhin ist die Theke bestens ausgestattet mit allerhand alkoholischen Getränken. Kleines Schmankerl: Sogar eine „Jägermeister Tap Machine” steht bereit, aus der die Band dann gekühlte Shots an die Zuschauer verteilt. Auch ein paar Cocktails kann man abstauben. Mit dem Ohrwurm „Wir brauchen Bass” hauen Fünf Sterne Deluxe dann nochmal ein Highlight raus, den Mega-Hit von Das Bo bei dem wirklich jeder mit gröhlen kann und auch jede Hüfte mitschwingt.

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SPORTFREUNDE STILLER

New York, Rio, Cuxhaven…? Auch wenn der Song anders geht, die beliebteste Indie-Rock-Band Deutschlands kommt gerne wieder (das letzte Mal vor 2 Jahren) zum Deichbrand Festival. Das Trio Peter, Flo und Rüde aus München ist schon seit 20 Jahren in der Musikwelt aktiv. Ihre Fans sind mit ihnen sozusagen gewachsen, jeder kennt ihre Songs und entsprechend voll ist das Infield vor der Fire Stage. Ihre Melodien sind eingängig und die deutschen Texte umschreiben Gefühle und Situationen, mit denen sich einfach jeder identifizieren kann. An diesem Abend gibt es einfach jeden Hit, den man aus den Radios des Landes und den Charts kennt. „Ich, Roque”, bei dem Drummer Flo auch mal das Mikro übernimmt; Unplugged-Ohrwurm „Ein Kompliment”; die Fußball-Hymne „54, 74, 90, 2006”, „7 Tage 7 Nächte” und viele weitere. In der Abendsonne singt Peter meistens aber gar nicht alleine, das gesamte Deichbrand Festivalgelände singt mit ihm. Zwischendrin verirrt sich dann aber doch auch mal was Neues. Auf jeden Fall macht es schon mal Lust auf ihr neues Album „Sturm & Stille”, das im Oktober erscheint. 12 neue Songs „Gegen Zaudern, Zweifeln und Zögern. Gegen Pessimismus, Mutlosigkeit, Engstirnigkeit, Traurigkeit und Lieblosigkeit“, wie die Band in der Ankündigung des Albums selbst mitteilen lässt. Und eine Tour zum Album ist auch schon in Planung. „Applaus, Applaus” für die Sportis …

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K.I.Z

Die deutsche Hip-Hop-Formation K.I.Z aus Berlin steht bei Universal unter Vertrag. Ihre eingängigen Texte sind gespickt mit viel schwarzem Humor und Sarkasmus über das deutsche Vaterland. Maxim, Nico, Tarek und DJ Craft haben Deutschland mit ihrem „Charme“ regelrecht angesteckt und zeigen, dass man auf einem Deutschrap – Konzert auch mal richtig pogen kann. Weiter geht es provkoant und in bekannter K.I.Z. Manier wird alles abgewertet, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Baum hin oder her, eigentlich machen die Berliner vor nichts Halt. Damit scheinen sie den Zahn der Zeit getroffen zu haben. Fast blind wirkend, folgen ihre vermehrt sehr jungen Fans und gröhlen mit, was das Zeug hält. Da scheint es auch nicht schlimm, dass K.I.Z. sich immer wieder über ihre Zuhörerschaft lustig machen. Die Vierer-Formation hat dank dem neuen und erfolgreichem Album „Hurra, die Welt geht unter“ und ihrer großen Festival-Sommer-Tour 2015 ihre Fangemeinde mindestens verdoppelt. Orangefarbende Fahnen mit dem K.I.Z-Logo wabern über die Menge. DJ-Craft hat seine Turntables hinter zwei Panzer-Attrappen eingebaut.Die drei Rapper Maxim, Tarek und Nico marschieren im Vordergrund im Militär-Look auf. Es gibt Hits der letzten Alben, wie das melodische „Urlaub fürs Gehirn“ oder die Klassiker „Ein Affe und ein Pferd“ und „Hurensohn“. In der Menge ist richtig Tumult, die Fans springen und pogen, gröhlen und feiern. Wer nach diesem Abriss mit trockenem T-Shirt oder ohne blaue Flecken seinen Heimweg antritt, der kann sich nur auf dem (Dixi-)Klo versteckt haben.

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