Motörhead zeigen in Berlin ein letztes Mal wo der Metal-Hammer hängt


Motoerhead Berlin 2015 / Lemmy Kilmister
(Bild: stagr / Christoph Eisenmenger – Basslord Pictures)

Aktualisiert am 28.12.2016: Dass dies das letzte Motörhead-Konzert sein sollte, konnte am Abend des 13. Dezember noch niemand ahnen. Sänger Lemmy starb auf Grund eines Krebsleidens innerhalb nur weniger Tage, nachdem er davon erfuhr. Die Musikwelt hat mit ihm einen großartigen Rockstar verloren. Das Konzert, aber vor allem Lemmy, wird unserem Team unvergessen bleiben.

Lemmy – jeder echte Rock und Metal Fan hat diesen Namen schon einmal gehört und mit Glück schon oft lauthals gegrölt. 40 Jahre hat dieser Kerl mit dem gebürtigen Namen Ian Kilmister aus dem englischen Stoke mit seiner Band Motörhead der Welt gezeigt wo Rock’n’Roll-mässig der Hammer hängt. Seine Mission war laut zu sein – am besten so laut das der Rasen seiner Nachbarn abkratzt – wie er einmal selbstsicher verkündete. Man muss nicht unbedingt ein Metal-Fan sein, um einem Musiker wie Lemmy Respekt zollen zu können. Es gibt wohl nur eine Handvoll Musiker die sich und ihrer Musik so lange treu geblieben sind wie diese Rockikone, ohne dabei ihre Seele an die Industrie zu verkaufen. Ein Typ dem man locker zutraut, dass er nicht mal beim Schlafen seine Cowboy-Stiefel auszieht – falls dieser Mann überhaupt jemals schlafen geht. Lemmy ist einer der Menschen die wohl sieben Leben gelebt haben – wenn das mal ausreicht – angeblich ist er ja unsterblich. Er selbst sagte einmal, dass es ihn wundert, dass er immer noch am Leben ist bei all dem Zeug, dass er sich reingezogen hat. 50 Prozent seines Blutes bestünden nach eigenen Angaben aus Jack Daniel’s Whiskey.

Bildergalerie: So war MOTÖRHEAD live:

Obwohl Motörhead nie den globalen kommerziellen Massenerfolg erzielten, sind sie – gerade wegen ihres charismatischen Bandleaders – die Nummer 1 in den Herzen unzähliger Fans und Musiker. Ende November sollten wir diese Legende anlässlich der Motörheads 40-JahreJubiläums-Tour selbst live erleben dürfen. Leider hatten wir vorab schon in der Presse erfahren, dass es um Lemmy’s Gesundheit nicht gut stünde – in jüngerer Vergangenheit mussten deshalb schon ganze Touren und Konzerte gecancelt werden. Aktuelle Fotos zeigten einen abgemagerten Mann der nur noch ein Schatten seiner selbst zu sein schien. Deshalb mischte sich zu unserer Vorfreude auch etwas Traurigkeit. Als dann der Gig am 27. November plötzlich abgesagt wurde, ahnten wir schon das Schlimmste. Aber diesmal war es Gitarrist Phil Campbell der ins Krankenhaus musste, woraufhin der Gig auf den 11.12.2015 verschoben wurde.

Die Max-Schmeling-Halle in Berlins ehemaligen Trendbezirk Prenzlauer Berg sollte also tatsächlich der Ort werden, an dem wir zum ersten mal unseren Helden Lemmy und seinen größten Kulthit Ace of Spades erleben sollten. Voller Vorfreude erreichten wir an einem eiskalten sternenklaren Abend das Ziel. Die etwas seelenlose Halle füllte sich nur gemächlich mit der metal-typischen schwarz gekleideten meist langhaarigen männlichen Fangemeinde. Anheizende T-Shirt-Sprüche wie “Everything Louder than Everything Else” und “We Play Rock’n’Roll” wurden überschattet von einer bierbäuchigen Dame auf deren gewölbten Shirt uns der Slogan “Keep Calm and listen to Motörhead” entgegen sprang. Wir hofften, dass sich keiner daran halten und der Laden so richtig krachen würde. Da Girlschool – eine der Vorbands – es leider nicht zum verschobenen Gig geschafft haben wurde es allein dem englischem Metal-Urgestein Saxon überlassen das unterkühlte Publikum für Motörhead aufzuheizen. Dies schien zunächst keine leichte Aufgaben. Wir hatten das Gefühl, dass man das lebens- und musikerfahrene Publikum nicht mehr ganz so leicht mit 80er Rock-Metal-Mucke vom Hocker hauen konnte. Die Bandmitglieder wirkten als hätten sie das Ganze schon viel zu oft gemacht – von Chemie untereinander war zumindest am Anfang nicht viel zu spüren. Der militärmanteltragende, graumähnige Sänger Bill Byford wirkte für die ersten zwei Drittel des einstündigen Gigs wie ein etwas verzweifelter General vor einer Schlacht. Halbherzig und mit etwas zuviel Routine versucht er seine Armee – also das Publikum – zum Kampf anzuspornen. Wir fühlten, dass es für Saxon vielleicht nach 39 Jahren Zeit war den Metal-Hammer an den Haken zu hängen.

Ein sehr willkommener Energieschub war die Gasteinlage von Motörheads Drummer Mikkey Dee der den von Motörhead inspirierte Song “747-Strangers in the Night” trommelnd unterlegte. Dessen Energie half dann wohl auch, dass es Saxon schlussendlich doch gelang das nun fast gefüllte Haus auf die richtige Temperatur für den lang erwarteten Hauptakt des Abends zu bringen. MOTÖRHEAD!!!

Als die Dunkelheit und die „LEMMY-LEMMY!“-Chöre der Fans plötzlich durch knallrote Suchscheinwerfer und weltkriegsmäßigen Sirenlärm zerrissen wird und ein gewaltiger Stahlgerüst-Bomber plötzlich in gleissendhellem Licht bedrohlich über der Bühne schwebt war uns allen klar – Motörhead waren endlich gelandet. Und auf einmal stand er vor uns – Lemmy. Sein ikonischer Südstaatenmilitärhut, Schnauzer und Cowboystiefel – vom Outfit her voll und ganz der Alte. Leider mussten wir jedoch feststellen, dass die Fotos nicht gelogen hatten. Lemmy war nur noch halb so schmal wie früher – er stand fast die ganze Zeit des Gigs nahezu unbeweglich hinter seinem Mic im hinteren Teil der Bühne überthront von Mikkeys Drumset. Er spielte zwar fleißig seinen Bass aber hatte jegliche anstachelnde Bandleader-Energie verloren. Die früher röhrende Stimme war so schwach, dass man sie größtenteils kaum verstehen konnte. Es war einerseits traurig ihn so zu sehen – auch aus Angst ihn vielleicht das letzte Mal live erleben zu können – andererseits war es etwas ganz Spezielles diesen fast 70 Jahre alten Haudegen erleben zu dürfen wie er immer noch erfolgreich sein Ding schiebt. Es war eine Ehre einen Musiker zu erleben der selbst nach 40 Jahren mit seiner Band einen Krach erzeugt der immer noch höllisch Spass macht! Und es war auch echt herzerwärmend zu sehen wie Mikkey und Phil sich doppelt ins Zeug legten um für Ihren Kumpanen mitzurocken. Es fühlte sich an als ob beide wüssten, dass jede Minute zusammen mit dieser Legende auf der Bühne ein Geschenk ist für sie selbst und die Fans. Ein Highlight war ein winzig kleiner Moment – der für viele vielleicht unbemerkt blieb – als Phil am Anfang des Gigs zu Lemmy ging, ihn wie einen Bruder kurz aber herzlich umarmte und ihn lächelnd einen Guitar-Plektrum in die Hand drückte.

Obwohl Lemmys Stimme kaum hörbar war ging uns ein wissendes stolzes Lächeln über die Lippen als wir Ace of Spades hörten und wir wussten, dass wir damit ein Lebensziel erreicht hatten. Motörhead vielen Dank für einen krachigen Gig der uns immer in Erinnerung bleiben wird. Lemmy: Respekt für Deinen Beitrag zur Musik und mögest du noch lange weiter rocken. We salute you!

Das aktuelle Album von Motörhead gibt es bei Amazon:
Audio-CD „Bad Magic“, Vinyl LP „Bad Magic“ oder MP3-Download „Bad Magic“

Motörhead – 40th Anniversary Tour 2016

Special Guests: Saxon + Girlschool 
So., 14.02.2016 = Wien, Wiener Stadthalle – Österreich
Mo., 15.02.2016 = Linz, Tips Arena – Schweiz
Sa., 20.02.2016 = Trient, PalaTrento – Italien
Mo., 22.02.2016 = Chemnitz, Chemnitz Arena
Di., 23.02.2016 = Offenbach/Main, Stadthalle Offenbach

Alle Tickets für Motörhead 2016 gibt es bei: Eventim

Bildergalerie: So war SAXON live:

Danke an:
Stefan Klenke (Text) und Christoph Eisenmenger (Fotos)