Deafheaven in Berlin: Blackgaze trifft Blackmetal


Deafheaven

Nach dem Berlin den Winter verabschiedet hat, kommen die Vögel wieder zum Vorschein und musizieren durch die Hauptstadt. Heute bin ich schon etwas früher im ehemaligen Magnet, um mir den Club anzuschauen, der heute ein Privatclub der Berliner Booking-Agentur Landstreicher ist. Etwas düster, mit flackernden Glühstrumpf-Glühbirnen und netten Sitzgelegenheiten ist das ehemalige Magnet geschmückt, das sich heutzutage „Musik und Frieden“ nennt. Laut dem Veranstaltungsplan soll die Sause heute um 21 Uhr steigen, allerdings ist es wohl Mode die Vorband früher als geplant spielen zu lassen. Gegen halb neun ist der kleine Saal – mit ungünstigem weil sichthemmendem Mauerpfahl in der Mitte – schon recht gut gefüllt. Draußen vor der Tür stehen noch die letzten kartenlosen Fans mit der Hoffnung auf ein Ticket für das ausverkaufte Konzert.

Die Corpsepaint bemalten Dänen „Myrkur“ betreten die Bühne. Zu nächst bleibt das Mikrofon-Holzgestell leer, da sich die Frontfrau noch im Dunklen an ihrem Keyboard versteckt. Im zweiten Song offenbart sie sich nun dem Publikum. Amalie Bruun, die komplett allein hinter dem Projekt „Myrkur“ steht, tritt nun mit ihren Musikern vor der Berliner Crowd auf. Die dürre Leadsängerin versucht mit ihren düsteren Bewegungen das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Während die Band dünne Blastbeats nach vorne treibt, versucht Amalie diese mit ihrer klaren, mystischen Stimme zu verstärken. Vom klaren Chorgesang bis hin zu bestialischem Geschrei präsentiert die 31-jährige alles aus ihrem umfangreichen Stimmen-Repertoire. Leider fühlen sich viele Besucher noch nicht von dem klassischen norwegischen Blackmetal der Dänen abgeholt. Anfänglich war ich sehr irritiert was die Auswahl des Support-Acts angeht. Doch auf der Suche nach dem Konzept des Abends wird mir schnell klar, der Headliner „Deafheaven“ möchte den Zuschauern einen Vergleich zwischen klassischem und dem neuen Blackmetal anbieten.

Bildergalerie: So war MYRKUR live:

Der letzte Ton der Vorband hallt durch den Raum, die Bühne wird für Deafheaven vorbereitet, die Gäste bewegen sich zügig in den schlecht belüfteten Raucherbereich um die eine oder andere Sucht zu befriedigen. Schnell füllt sich der Saal, Gitarrist und Gründungsmitglied „Kerry McCoy“ organisiert die letzten Kleinigkeiten vor dem Auftritt und nun bewegen sich die Bandmitglieder auf die Bühne. Mit jubelnden Applaus begrüßen die Gäste die Truppe aus San Francisco. Ohne jeglichen Aufwand beginnen Deafheaven ihr düsteres Set. In den vergangen Jahren haben sich schon viele Bands mit dem Sound in diesem kleinen Club verschätzt, doch heute zeigt Deafheaven, dass es auch anders geht. Von Anfang an treibt ein fetter, durchdachter Klang durch den Schuppen. Spannend finde ich die Instrumentalisten, dich sich ausgiebig auf ihren Job konzentrieren, während der Sänger die Show mit ausdrucksstarken Gesten adaptiert. Jede kleinste Triole ist hörbar, die im nächsten Moment in Postrock-Melodramen ausarten. Eine gewisse Offenbarung eröffnet aufbauend die Höhepunkte der einzelnen Lieder.

Bildergalerie: So war DEAFHEAVEN live:

Sänger George Clarke führt die Kapelle wie ein Organist an, obwohl der Gitarrist und offenbar Bandleader Kerry McCoy den Start und das Schlusssignal einleitet. Erst live gewinnt die Stimme von Clarke an Farbe, welche ich auf dem Alben etwas vermisse. Der Schlagzeuger Daniel Tracy, der erst seit 2012 für die Blackgaze-Band trommelt, spielt eine sehr knackige und hochgestimmte Snare, die durch den kräftigen Sound-Teppich klingt. Strukturiert und solide verpacken sie klassische Blackmetal Elemente mit einer gewaltigen Portion Postrock zusammen. Damit aber die Einzigartigkeit vorhanden bleibt, entdeckt man oft das britische Shoegazing im Set. Nachdem die neue Platte „ New Bermuda“ 2015 alle Rekorde geknackt hat, lassen es sich Deafheaven heute Abend nicht nehmen, das fast komplette Album in Berlin zu präsentieren. Die Besucher sehen wirklich glücklich und zufrieden aus. In den Pausen zwischen den Songs hallen atmosphärische Sounds durch den Raum. Harmonisch im Einklang spielen sich die Amerikanische Blackgaze-Formation in die schwarzen Herzen der neuen Ära der Blackmetal-Fans. „Wir spielen noch zwei Songs… Ist das okay“? fragt der Frontmann. Zur großen Freude meinerseits, ist der erste Song der Zugabe, der gleichnamige Songtitel des dritte Studioalbum „Sunbather“. Zum Abschluss des Abends schmettert Deafheaven noch das Meisterwerk „ Dream House“ in die begeisterte Runde und vollendet damit ihr unglaubliches Set.

Das aktuelle Album von Deafheaven bekommt ihr bei Amazon:
„New Bermuda“ Audio-CD„New Bermuda“ Vinyl-LP oder
„New Bermuda“ MP3-Download

Mehr Informationen unter: deafheaven.com
oder auf Facebook und Twitter

Danke an:
Christoph Eisenmenger (Text und Fotos)