Die Überraschung und Freude ist groß, dass Rock am Ring nach zwei Jahren in Mendig wieder in der Heimat am Nürburgring steigt. Deutschlands größtes Rockfestival hat sich von der 9.000-Einwohner-Gemeinde verabschiedet, denn schließlich begann die Festival-Geschichte vor mehr als 30 Jahren auch hier am Ring. Auf den Zeltplätzen und den Straßen rund um den Nürburgring herrscht bereits seit Mittwoch reges Treiben. Nahe des Haupteingangs ist wieder eine Lidl-Festival-Filiale in Form eines großen Zelts aufgebaut, in das die Menschen schubweise drängen und vollbepackt wieder herausströmen. Der Auftakt beginnt planmäßig am frühen Freitagnachmittag. Bei strahlendem Sonnenschein und fast 30 Grad können sich die ersten Festivalbesucher ab 13 Uhr auf die Rennstrecke begeben. Am späten Abend soll dann Headliner Rammstein mit fulminanter Show auf der Hauptbühne auftreten.

SONDASCHULE

Den Ska-Punk-Helden Sondaschule aus Mülheim an der Ruhr gebührt die Ehre, am Freitagnachmittag als Opener auf der Volcano Stage aufzutreten. Ganz getreu dem Sound ihrer Vorbilder Rancid, der kalifornischen Skate-Punks NOFX oder The Mighty Mighty Bosstones geben die sieben Jungs zum Besten, was in der deutschsprachigen Ska-Punk-Szene so geliebt wird. Kumpelhaft und nahbar zeigen sich Frontmann Tim und Co. während ihrer Liveshow, da geht es auch direkt mal in s Publikum. Gute Laune ist hier ebenso garantiert wie schräger Humor. Im Gepäck haben die Ruhrpottler ihr neues Album „Schere, Stein, Papier“, das Anfang Juli erscheinen wird.

DON BROCO

Auf der Crater Stage macht sich derweil eine vierköpfige englische Rockband bereit. Don Broco ist die Band um Frontmann und Sänger Rob Damiani. Wie man Stimmung macht, zeigen die Briten direkt beim Betren der Bühne. Ihr Musikstil ist nicht zwingend für ein klassisches Rockpublikum gedacht, wer es poppig und rockig mag bekommt ihr einen richtig guten Vibe, der nicht mit Gitarren-Riffs geizt und trotzdem verspielt und hypnotisch daher kommt. Hier zu Lande ist die Band längst nicht so bekannt, doch wer sie hier und heute live gesehen hat, bei dem werden die Ohrwürmer unaufhörlich rotieren.

SKINDRED

Noch eine UK-Band, die bereit ist den Ring zu rocken – allerdings auf der Hauptbühne und etwas zeitlich versetzt. Seit 1998 gibt es die Band mit dem bunt durchmischten Musikmix aus Reggae, Metal, Rapcore, Alternative. Wer ein Freund von rockmusikalischen Klängen ist, versammelt sich jetzt am besten im Infield, denn der stimmgewaltige Sänger Benji Webbe startet den Abriss. Die aus den Überresten der Formation Dub War entstandene Band ist im Laufe der letzten Jahre zu einem richtigen Festivalliebling in Deutschland geworden. Was sicherlich an erster Stelle an ihrer mitreißenden Performance liegt. Das Crossover-Quartett spielt eine Show mit stetig steigernder Energie und natürlich hinterlassen die UKler ihr Publikum nass geschwitzt und hellauf begeistert.

IN FLAMES

Das aktuelle Album „Battles“ aus November 2016 ist auch ein etwas über ein halbes Jahr später noch ein guter Grund für die schwedische Melodic-Death-Metal-Band auf ausgiebige Festivaltour in Deutschland zu gehen. Da ist ein Konzert bei Rock am Ring ja eigentlich fast Pflichtprogramm. Sie gelten quasi als die Erfinder ihres Musikstils und sie haben eine 27 Jahre bewegte Bandgeschichte hinter sich. Charakteristisch für den In Flames-Sound die zwei harmonierenden Lead-Gitarren, die über der Rhythmusgitarre erklingen und dazu die für den Death Metal ungewöhnlichen Keyboard-Einsätze. Frontmann Anders Fridén fordert die Zuschauer gerne heraus, prompt wabern die ersten Crowd-Surfer wie Wellen über die Köpfe im Infield, im vordersten Wellenbrecher formieren sich die metal-typsichen Moshpit-Kreise.

2 CELLOS

Wer schon einmal Sir Elton John auf seiner Welttournee begleiten durfte, scheint in der Musikwelt Fuss gefasst zu haben. Das kroatische Cellisten-Duo, bestehend aus Luka Šulić und Stjepan Hauser, bietet aber auch einfach mal etwas „anderes“. Mit ihrer Interpretation vom Michael Jackson-Hit „Smooth Criminal“ erlangten sie 2011 erste internationale Aufmerksamkeit. Beide Musiker blicken auf eine hervorragende klassische Musikausbildung zurück; Šulić an der Royal Academy of Music in London, Hauser am Royal Northern College of Music in Manchester. Moderne Stücke zu interpretieren ist ihr Ding und die Streich-Adaptionen, die 2 Cellos an diesem frühen Nachmittag auf der Crater Stage zum Besten geben, finden Anklang beim Rock am Ring-Publikum. Denn Šulić und Hauser sind voller Hingabe an ihren Instrumenten.

SIMPLE PLAN

Es ist ein „einfacher Plan“, den die 1999 gegründete kanadische Rockband aus Montréal verfolgt: Fröhliche Pop-Punk-Meoldien an den Mann oder die Frau z bringen. Sänger Pierre Bouvier und seine vier Bandkollegen haben ihr aktuelles Album „Taking One For The Team“ aus Februar 2016 mit im Gepäck.
Die Kanadier hauen ihren rohen und energiegeladenen Punksound nur so heraus, ein wahrer Live-Leckerbissen für die Festival-Fans vor der Crater Stage. Die Pop-Punk-Formation ist auch nach 18 Jahren Bandbestehen noch nicht müde gespielt, Pierre (Gesang, Gitarre) und Jeff (Gitarre) wickeln das Publikum dabei am Meisten um den kleinen Finger, scherzen miteinander und mit den Fans und lassen es gehörig krachen.

FIVE FINGER DEATH PUNCH

Die US-amerikanische Metal-Band Five Finger Death Punch aus Las Vegas existiert seit 2005. Doch seitdem sind sie steil zu einem der gefeiertsten Acts der Hardrock-Szene aufstiegen. Der Sound der fünfköpfigen Gruppe liegt irgendwo zwischen Alternative-, Heavy- und Groove-Metal. Das aktuelle Album „Got Your Six“, mittlerweile das sechste Album, erschien Ende August 2015. Als am frühen Abend Five Finger Death Punch die Bühne entern, gehen vor der Volcano Stage alle Hände zur „Fünf“ nach oben. Frontmann Ivan „Ghost“ Moody hat seinen silber-glänzenden Totenkopf-Mikrofonständer dabei, um den er sich an diesem Abend regelrecht herumwickelt. Die US-Metaller spielen gerne in Deutschland, sagen sie. Einfach ansteckend, wenn die Rocker nur so über die Bühne wirbeln, die Gitarren über dem Kopf gespielt werden und wild die Haare fliegen. FFDP geben eine Kostprobe ihrer älteren Hits, aber vor allem werden die neuen Songs abwechslungsreich hart, härter und noch härter gespielt. Da bleibt kein T-Shirt im Zuschauerbereich trocken.

RAG’N’BONE MAN

Bevor der frühere Rapper aus dem Südosten Englands die Bühne betritt, sehen wir ihn bereits auf einer dramatischen Street-Art Collage im Hintergrund. Ungeduldige Pfiffe vor der Bühne gehen über in motivierendes Klatschen. Und endlich geht’s los. Rory Graham lächelt und seine Stimme sitzt von der ersten Sekunde an. Der massige Mann mit buschigem Vollbart unter raspelkurzem Crew-Cut und Tattoos am ganzen Körper ist ein sanfter Riese. Als er „Hard Came The Rain“ anspielt, strotzt er vor Energie und zum Glück bleibt der strömende Regen dabei aus. „Skin“ sorgt natürlich für Gänsehaut und der herzliche Applaus zaubert dem zweifachen ECHO-Gewinner ein Lächeln ins Gesicht. Graham mauserte sich in letzter Zeit zu einem echten Chart-Phänomen. Mit Beats, Soul und Blues trifft Rag’n’Bone Man den Zeitgeist, seine Songs wirken wie Seelenbalsam.

BROILERS

2017 ist ein fettes Jahr für die Broilers, bestehend aus Sammy, Ron, Ines, Andi und Chris. Die Band hat nicht nur an neuen Liedern gearbeitet und neue Ideen entwickelt. Man hat sich neu sortiert und Energie getankt. Vollkommen bereit zeigen sich die vier Düsseldorfer am Freitagabend, um die Volcano Stage zu entern. Da die Broilers den guten Ruf genießen, eine der besten Live-Bands des Landes zu sein, sind die beiden vorderen Wellenbrecher und auch der Bereich dahinter bis zu Bersten gefüllt. Der Erfolg der Broilers, sie sind eine Band, bei der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit quasi Grundvoraussetzungen sind, steht auf drei Säulen: ausgelassenen Live-Shows; dem unverwechselbaren Sound-Mix aus Punk, Streetrock und Singer/Songwriter-Elementen und natürlich den Texten von Sänger und Gitarrist Sammy Amara, der mit trockener Poesie Privates, Politik und Alltag treffend kommentiert. Leider können die Broilers ihr großartiges Set nicht bis zum Ende spielen.

Gegen 21:00 Uhr unterbrechen die Broilers auf der Hauptbühne ihre Liveshow, Veranstalter Marek Lieberberg tritt vor das Publikum. Ausführlich erklärt der 71-jährige, dass die Sicherheitsbehörden eine konkrete Gefährdungslage festgestellt haben und dies einen Abbruch des ersten Festivaltages mit sich zieht. Die folgende Evakuierung der Festivalbesucher geht geordnet und ruhig von statten. Aber natürlich merkt man den vielen Fans die Enttäuschung an, denn die spektakuläre Liveshow von Tages-Headliner Rammstein – für den viele Fans extra angereist sind – fällt damit aus.

In einer emotionalen Erklärung stellt sich Lieberberg direkt der Presse und lobt die Festivalbesucher für ihr Verständnis und das vorbildliche Verhalten beim Verlassen des Festivalgeländes. Über Nacht durchkämmen Polizisten das Festivalgelände mit Bombenspürhunden ab. Erst am frühen Samstagmorgen sollen nähere Hintergründe bekannt werden und so heißt geht der erste Festivaltag mit der Hoffnung zu Ende, Rock am Ring 2017 fortgeführt wird.