Open Flair 2024: Rockige Nächte und bunte Tage


Open Flair 2024
(Bild: Annekathrin Linge)

Das Open Flair Festival 2024 in Eschwege ist in jedem Jahr ein Feuerwerk aus Musik, Kunst und purer Lebensfreude. Mit einem Line-up, das von Indie-Helden bis zu Punk-Ikonen reicht, bietet das Festival für jeden Musikgeschmack etwas Besonderes. Höhepunkte sind energiegeladene Shows und mitreißende Performances, die bei den Besuchern für Gänsehaut und ausgelassene Stimmung zugleich sorgen. Besonders beeindruckend ist aber die einzigartige Mischung aus Livemusik, Street-Art und Kabarett, die das Flair jedes Jahr aufs Neue so besonders macht. Ein Festival, das nicht nur musikalisch, sondern auch kulturell eine wahre Perle ist und die Fans in Scharen anzieht.

So war Der Samstag

Am Samstag führt mich mein Weg zuerst zur Seebühne, wo Heisskalt einen ihrer ersten Auftritte seit sage und schreibe 6 Jahren haben. Völlig überraschend und fast wie aus dem Nichts wurde die Band aus Baden-Württemberg noch recht spontan für dieses Jahr ins Programm genommen und wenn ich mir den Platz so ansehe, bin ich nicht die einzige, die sich über die Rückkehr von Heisskalt so freut. Der leider nur 40 Minuten dauernde Auftritt wird von dem Lied “Bürgerliche Herkunft” eröffnet. Die Stimmung während der gesamten Show ist wahnsinnig gut. Die brandneue Single “Wasser, Luft und Licht” darf natürlich ebenso wenig fehlen, wie das textlich großartige “Gipfelkreuz”. Letzter Song des Sets ist “Hallo”, die wohl bisher erfolgreichste Nummer von Heisskalt. Im Anschluss spielen HotWax nach kurzer Umbaupause auf der Seebühne. Leider will der Funke von den drei noch sehr jungen Engländern nicht so richtig überspringen. Apropos Funke: zurück am Hauptgelände funkt es nur so zwischen Roy Bianco & den Abbrunziati Boys und ihren Fans. Die sechsköpfige Band aus Bayern versprüht mit einer ganzen Schippe Selbstironie nur so italienischen Charme mit ihrer Musik irgendwo zwischen Italo-Pop und Italo-Schlager.

Musikalisch gibt es anschließend mein persönliches zweites Highlight des Tages (nach Heisskalt) mit den Beatsteaks. Wenn man diese Band im Sommer bei bestem Wetter Open Air spielen sieht, so gibt es eigentlich nichts passenderes, als das Set mit “Summer” zu beginnen. Und so ist es dann auch beim diesjährigen Auftritt der fünf Berliner. Es folgen dann direkt weitere Hits am Stück mit “Jane became insane”, “Let me in”, später dann auch u. a. “Boombox” und “Hey du”. Zur Zugabe gibt es dann “French Disko” und den Klassiker “Hand in Hand”. Kurzer Wechsel zur Freibühne: dort spielen mit Dritte Wahl ein paar alte Hasen des Showgeschäfts. Die Rostocker Band hätte bereits auf dem fünften Open Flair vor 35 Jahren spielen können, denn so lange gibt es die Punkrock-Urgesteine bereits. Dementsprechend ziehen sie nicht nur alte, sondern auch neue und junge Fans vor die Bühne. Neben vielen Songs aus der langen Bandgeschichte gab es auch das ein oder andere Stück vom brandaktuellen Album “Urlaub in der Bredouille” zu hören.

Der nächste Künstler hatte sich eigentlich letztes Jahr von der Bühne verabschiedet. Ende November wurden alle Social-Media-Kanäle geleert, um dann nur wenige Tage später die Single “So raus” mit Fred Durst zu veröffentlichen. Zum Open Flair ist er nun auch zurück: lauter, provokanter, Alligatoah. Die Bühne wie ein Büro eingerichtet, wirft er mit Ordnern um sich, zertrümmert ein Notebook mit einem Baseballschläger und auch musikalisch überrascht der 34-jährige. Neben aktuellen Hits vom Anfang des Jahres erschienenen Albums “Off” gibt es natürlich auch frühere Nummern zu hören. Die Fans auf dem Werdchen freut’s.

Kurzer Schwenk zurück zur Seebühne: dort spielen Panteón Rococó. Musikalisch stechen die Mexikaner komplett heraus mit ihrem Latin-Ska. Hier bewegt sich das ganze Publikum, es wird getanzt und gefeiert in dieser wunderbaren lauen Sommernacht.

So war Der Sonntag

Am Sonntag eröffnen Contour auf Kassel die Freibühne. Sie selbst waren schon oft als Besucher auf dem Open Flair und natürlich ist es dann ein besonderer Moment, dann auch selbst einmal auf der Bühne hier zu stehen. Es gibt bereits kleine Moshpits und auch eine Wall of Death. Millencolin starten im Anschluss direkt mit einem ihrer erfolgreichen Hits “Penguins & Polarbears” auf der Radio BOB!-Bühne. Im Vorfeld war ich mir unsicher, ob so eine Klassiker-Band des Skatepunk wirklich am frühen Nachmittag des letzten Tages auf der Hauptbühne spielen sollte. Aber es funktioniert. Und das sogar wunderbar! Es haben sich viele Fans eingefunden und die Stimmung ist jetzt bereits ausgelassen. Die ersten Crowdsurfer des Tages sind auch schon unterwegs.

Lonely Spring hatten im Rahmen des Insel Flair 2021 schon in Eschwege gespielt. Drei Jahre später nun sind sie zurück und haben unter anderem ihren Hit “Misfit” dabei, mit dem sie 2023 im deutschen Vorentscheid des Eurovision Song Contest den fünften Platz erzielen konnten. Das Bühnenbild bei Swiss & die Andern ist an den Titel des aktuellen Albums “Erstmal zu Penny” angelehnt, denn es zeigt eine fast identische Nachbildung des Eingangs vom berühmt-berüchtigten Penny-Markt auf der Reeperbahn in Hamburg. Neben dem Ärzte-Klassiker “Schrei nach Liebe” dürfen natürlich auch eigene Songs wie “So bereuen” oder “Nicht für ein Land” nicht fehlen. Die Fans sind am Moshen und Crowdsurfen.

Setyoursails habe ich als Vorband der Emil Bulls schon einige Male gesehen und auch für gut empfunden, allerdings ist ihr Auftritt auf der Freibühne an diesem Sonntagnachmittag wirklich großes Kino. Energiegeladen und hier und da mit etwas Feuerelementen gespickt, bringt die Band aus Köln mit Frontfrau Jules gut eine Stunde lang die Freibühne zum Beben. Bei „Why“, einem älteren Song, kommt Bassist Nicolai ins Publikum und lässt einen CirclePit fast so groß wie das Gelände der Freibühne um sich kreisen, während er spielt.

Sondaschule sind auf dem Open Flair immer eine sichere Bank und Garant für Partystimmung und gute Laune. Natürlich werden sie dieser Erwartung auch in diesem Jahr wieder gerecht und sorgen für ausgelassene Stimmung auf dem Werdchen. Als Nina Chuba dann als nächste Künstlerin die Radio BOB!-Hauptbühne übernimmt, hat sich der Altersdurchschnitt in den vorderen Reihen fast schon halbiert. Viele der jungen Fans haben Plakate für ihr Idol gebastelt, auf denen sie beispielsweise um ein gemeinsames Foto bitten. Die junge Sängerin, die vor zwei Jahren ihren großen Durchbruch mit dem Megahit “Wildberry Lillet” hatte, begeistert gute 75 Minuten das Publikum.

Den Abschluss auf der Radio BOB!-Bühne bilden, wie auch schon bei ihren letzten Konzerten beim Open Flair, Rise Against. Souverän rocken die vier US-Amerikaner und bringen das ganze Gelände zum Beben. Großartige Hits, Feuer, Energie und auch ruhige Momente: all das sorgt für einen mehr als gelungenen Auftritt.

Danke, liebes Open Flair und danke an all die wunderbaren Menschen, die diese 5 Tage Jahr für Jahr zu etwas ganz besonderem werden lassen.