Heroes Festival 2023 – Hannover schwingt im kollektiven Rhythmus


Heroes Festival Hannover 2023
Am Samstag, den 18. August 2023 startete das Heroes Festival Hannover auf der Expo-Plaza. (Bild: stagr / Julia Langmaack)

Am Freitag, den 18. und Samstag, den 19. August 2023 beben gleich vier Bühnen auf der Expo-Plaza in Hannover. Dabei glühen die Mikrofone, während deutsche Künstlerinnen und Künstler ihre einzigartigen Geschichten durch kraftvolle Texte und treibende Beats zum Ausdruck bringen. Vom aufstrebenden Talent bis hin zu Ikonen der Rapszene bietet das Heroes Festival-Konzept, das auch in Geiselwind, Freiburg und im Allgäu dieses Jahr an den Start geht, eine große Vielfalt an Stilen des Genres.

20.000 Zuschauer und ausverkauft – vor allem die Altersgruppe 14 bis 30 Jahre – sind gekommen, um bei bestem Sommerwetter in der Leinestadt endlich auch mal ein Hip-Hop-Festival zu erleben, wo Beats und Gedanken verschmelzen, wo Kulturen aufeinandertreffen und wo die Kraft der Musik eine Bewegung formt. Leider gibt es beim Einlass Probleme, die Besucher müssen längere Wartezeiten in Kauf nehmen.

Visuell ist das Festivals von urbaner Kunst und Street Art inspiriert. Was das zweitägige Festival aber am meisten auszeichnet, ist die Atmosphäre. Die jungen Besucher unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Lebenserfahrung kommen hier zusammen, um gut gelaunt und vereint einige der besten deutschen Rapper zu erleben.

Auf der Club Stage in der ZAG Arena startet für uns das Tagesprogramm mit Tom Hengst, bekannt für seine gelungene Fusion aus tiefgründigen Texten und treibenden Beats. Der Bereich vor der Bühne verwandelt sich schnell in einen Hexenkessel, als Hengst mit seiner energiegeladenen Präsenz die Bühne erobert. Die Lyrik des Musikers berührt Themen, die vielen aus dem Herzen sprechen. Mit einer Mischung aus Wortwitz, ehrlichen Einblicken in sein Leben und Gesellschaftskritik schafft er es, das Publikum auf eine emotionale Achterbahnfahrt mitzunehmen. In Songs wie „Stadtlichter“ oder „Schattenwurf“ präsentiert Hengst eine lyrische Tiefe, die man im Mainstream-Rap nicht so oft findet. Doch Tom Hengst ist nicht nur ein guter Texter, seine Interaktion mit dem Publikum ist lebendig und herzlich. Und auch in seinen Freestyle-Improvisationen zeigt er sein raptechnisches Können in reinster Form.

In der heißen Nachmittagssonne betritt Skrt Cobain die Hauptbühne – nicht nur als Rapper, sondern auch als Visionär, der kreative Geschichten erzählt. Sein Stil ist ein Mosaik aus verschiedenen Einflüssen – von experimentellem Hip-Hop bis hin zu Elementen aus Alternative und Trap. Skrt Cobain bricht traditionelle Strukturen auf und jongliert mit Klängen, die in einem scheinbar zusammenhanglosen Chaos verschmelzen und doch Harmonie erzeugen. Seine Stimme setzt er dabei wie ein Instrument ein, das er perfekt beherrscht, um die Gefühlspalette von düsterer Melancholie bis zu leidenschaftlicher Wut zu zeigen. Stücke wie „Nebula Dreams“ und „Echos in the Void“ lassen den Zuhörer in hypnotische Klanglandschaften eintauchen. Skrt Cobains Bewegungen auf der Bühne sind Ausdruck seiner Emotionen und er interagiert viel mit dem Publikum. Dabei setzt Skrt Cobain mit dieser Show ein Statement für Individualität und Authentizität, während seine Texte die Kämpfe und Triumphe seiner persönlichen Reise reflektieren – so ermutigt er sein Publikum, seine eigenen Geschichten anzunehmen und zu teilen.

Pa Sports betritt die Hauptbühne mit einer Aura von Selbstbewusstsein und Authentizität – die Expo-Plaza ist mittlerweile voll. Schon der erste Beat lässt die Menge in Ekstase verfallen, als er mit seinen eingängigen Rhymes die Reise durch seine Musikwelt startet. Mit geschicktem Einsatz von Lichtern und Visuals schafft er direkt er eine Atmosphäre, in der man förmlich in seine Geschichten eintauchen kann. Doch trotz aller visuellen Reize vergisst PA Sports nie den eigentlichen Kern seines Schaffens: die Musik. Die Fans animiert er zum Mitklatschen oder  überlässt ganze Passagen seiner Texte dem Publikum – die Menge ist stets präsent und feiert jede Zeile mit Inbrunst. Hier zeigt sich ein weiteres PA Sports‘ Talent, eine Verbindung zu seinen Fans herzustellen, die über den bloßen musikalischen Genuss hinausgeht.

Wenn man sich auf das Terrain von TYM’s Show begibt, betritt man eine Welt voller künstlerischer Energie und genreübergreifender Innovation. Schon die ersten Klänge offenbaren eine kühne Mischung aus Hip-Hop, elektronischen Elementen und experimentellen Sounds, die gleichzeitig vertraut und doch erfrischend neu wirken. Es ist, als ob er die Regeln der Musik neu schreiben will, während er sie auf der Bühne performt. Von eindringlichen Lichtspielereien bis hin zu überraschenden visuellen Effekten schafft er eine Atmosphäre, die die Sinne anspricht und die Musik in ein faszinierendes Gesamterlebnis verwandelt. Dabei ist der Rapper mit der Jute-Kapuze auf dem Kopf die meiste Zeit völlig in seiner eigenen Welt während er mit Leichtigkeit zwischen Rap, Gesang und elektronischen Beats wechselt.

Auf der Main Stage folgt nun ein Paar, dass sich beruflich und privat gefunden hat. Die beiden Musiker Dardan und Hava sind verlobt und bieten eine Symbiose zweier einzigartiger Künstler, die unterschiedliche Stile und Persönlichkeiten zusammenführen, um ein unvergessliches Erlebnis auf die Bühne zu zaubern. Die Bühne erbebt vor Energie, wenn die beiden die Bühne für sich beanspruchen und gleichzeitig liegt dabei eine Aura von Eleganz und Selbstbewusstsein in der Luft. Dardan, bekannt für seine kraftvollen Lyrics und seinen urbanen Vibe, liefert eine Performance ab, die das Publikum von der ersten Sekunde an mitnimmt. Seine Reime trafen wie Schläge ins Schwarze. Auf der anderen Seite steht Hava, die mit ihrer charismatischen Ausstrahlung und ihrer unverkennbaren Stimme das Publikum verzaubert. Ihre Performance ist geprägt von einer beeindruckenden Mischung aus Soul und R&B, die eine wohlige Atmosphäre schafft, in der man sich einfach fallen lassen kann.

Schon beim Betreten der der ZAG Arena spürt man die aufgeladene Atmosphäre, die Vorfreude und Energie der Fans, die sich versammelt haben. Und es sind sehr sehr viele, die nun Zeuge dieses Rap-Spektakels werden wollen. T-Lows Lyrik entfaltet sich wie eine gut choreografierte Tanzperformance. Jeder Vers, jeder Reim ist sorgfältig platziert, um den Rhythmus der Menge aufzugreifen und zu verstärken. T-Low versteht es, mit seinen Worten Bilder zu malen und Geschichten zu erzählen, die direkt aus dem Herzen der Straße zu kommen scheinen. Seine Texte sind dabei ehrlich, roh und oft von einer tiefen Emotionalität durchzogen, die das Publikum in seinen Bann zieht. Und natürlich gibt es den obligatorischen Joint auf der Bühne, ohne den er laut eigener Aussage nie auf die Bühne geht. Die Stimmung in der Arena ist ausgelassen, jeder Song wird mitgesungen und T-Low selbst freut sich am meisten, darüber, dass so viele Besucher ihn sehen wollen.

Aus der deutschen Hauptstadt Berlin kommt der nächste Act auf die Main Stage. Es ist rappelvoll. Ski Aggu hat mit seiner aktuellen Coverversion von Otto Waalkes‘ „Friesenjung“ wohl den Ohrwurm des Sommers kreiert. Der wortgewandte 26-Jährige ist immer auf der Suche nach neuen Beats und inspirierenden Geschichten und hat Joost ein gutes Gespür für Stings Ursprungswerk „Englishman in New York“ gezeigt. Mit seiner Mischung aus Hip-Hop, Elektronik und experimentellen Elementen bringt Ski Aggu frischen Wind in die Musiklandschaft und nun auch auf die Expo-Plaza. Sein Stil ist eine Fusion aus rhythmischer Verspieltheit und ehrlicher Lyrik, die tief in die Höhen und Tiefen menschlicher Erfahrungen eintaucht. In Tracks wie „Neonträume“ und „Stroboskopische Gedanken“ bettet er seine Worte in einen Klangteppich, der von tanzbaren Beats bis hin zu verträumten Melodien reicht. Neben guter Laune, einer authentischen und energiegeladenen Performance klingen seine Songs und Texte wie ein Soundtrack zum urbanen Leben und werden an diesem Tag noch lange auf dem Expo-Gelände nachhallen.

Wer auf eine Mischung aus druckvollen Beats, sanften Melodien und intensiven Rhythmen steht, ist als nächstes auf der Club Stage bei Disarstar genau richtig, denn er versteht sich nicht nur als Rapper, sondern auch als Poet, der hervorragend Emotionen in Worte fassen kann. Seine Texte sind wie Fenster in seine eigene Gedankenwelt und erzählen Geschichten von Liebe, Schmerz, sozialer Ungerechtigkeit und inneren Kämpfen. In Stücken wie „Worte gewinnen Kriege“ oder „Grenzenlos“ verwebt er seine poetische Begabung mit scharfsinniger Beobachtungsgabe. Mit seiner Stimme als Werkzeug vermittelt er seine Botschaften – mal flüsternd, mal brüllend, aber immer mit aufrichtiger Hingabe. Die Live-Band, die Disarstar begleitet, verschmilzt nahtlos mit seiner Kunst, fängt die Stimmung jedes Liedes ein und nimmt das Publikum richtig mit. Zwischen den Songs teilt Disarstar seine persönlichen Gedanken und Ansichten zu aktuellen Themen. Seine klare Haltung zu sozialen und politischen Themen verleiht seinen Texten zusätzliches Gewicht und zeigt, dass er nicht nur Künstler, sondern auch Denker ist.

Ein Sido-Konzert ist ein bisschen wie ein Treffen mit einem alten Freund, der Geschichten aus seinem Leben erzählt, einen zum Lachen bringt, zum Nachdenken anregt und ein Gefühl der Verbundenheit hinterlässt. Sido, mit bürgerlichem Namen Paul Würdig, ist ein Ausnahmetalent der deutschen Hip-Hop-Szene, denn er vereint viele Stilrichtungen. Von Gangsta-Rap, Pop-Rap, Rap-Rock, Trap, Comedy-Rap oder Battle-Rap hat er alles in seinem Repertoire. In seinem unverkennbaren Stil, einer Mischung aus Lässigkeit und Exzentrik, betritt der deutsche Rapper die Bühne. Neonlichter, die in alle Richtungen strahlen, rücken ihn ins Rampenlicht, während DJ Desue im Hintergrund den Klangteppich legt, auf dem Sidos Reime tanzen können. Sidos Texte sind wie kleine Kurzgeschichten. Von humorvollen Alltagsbeobachtungen bis hin zu tiefgründigen Lebensreflexionen weiß Sido sein Publikum damit zu fesseln. Seine Reime sind messerscharf, präzise und oft provokant, aber sie haben immer eine Botschaft, eine Meinung. Und was Sido von vielen anderen Rappern unterscheidet, ist seine Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen. Zwischen provokanten Phrasen verstecken er Poesie und tiefe Einblicke in seine Gedankenwelt. Während er die Menge mit Hits wie „Mein Block“, „Bilder im Kopf“ und „Astronaut“ mitreißt, kann man die Nuancen seiner Texte erkennen – Geschichten von Aufstieg und Fall, von Liebe und Verlust, von Identität und Veränderung. Darüber hinaus ist Sido kein Künstler, der sich auf seiner Bühne abschottet. Im Gegenteil, er interagiert mit der Menge auf eine Weise, die zeigt, dass er die Menschen versteht. Seine Ansagen sind ehrlich, manchmal humorvoll, manchmal nachdenklich, aber immer authentisch – und das kommt richtig gut an.

Es ist eine jener Nächte, die man nicht vergisst – ein Szenario aus grellen Lichtern, wummernden Bässen und einer Energie, die ein wildes Feuer in den Herzen der Menge entfacht. Die Bühne bildet den perfekten Rahmen für das explosive Duo. Straßenbandenchef Bonez MC und Indipendenza-Chef RAF Camora betreten die Bühne wie moderne Gladiatoren, bereit, das Publikum mit ihren Waffen aus Worten und Beats zu erobern. Wie ein Orkan fegen die ersten Töne über das Publikum hinweg. Die markante Stimme von RAF Camora dröhnt aus den Boxen, dazu der kraftvolle Rap von Bonez MC. Die Texte, mal provokant, mal tiefgründig, treffen immer ins Schwarze. Doch es ist nicht nur ihre Musik, die diesen Abend zu etwas Besonderem macht. Es ist auch die Verbindung zwischen den Künstlern und ihrem Publikum. Bonez MC und RAF Camora schaffen es, eine Brücke zu schlagen, als wären sie alte Freunde, die ihre Geschichten teilen. Die Momente zwischen den Songs sind geprägt von Humor, Selbstironie und dem unverkennbaren Charme der beiden. Der Höhepunkt des Abends ist zweifellos, wenn Bonez MC und RAF Camora ihre größten Hits zum Besten geben. „Ohne mein Team“, „500 PS“, „Palmen aus Plastik“ – diese Hymnen bringen die Menge zum Toben, zum Mitsingen und Mitklatschen.

Leider durften wir aufgrund von Restriktionen der Künstler keine Fotos erstellen oder veröffentlichen.

Als die letzten Beats verklungen sind und die beiden Künstler die Bühne verlassen haben, bleibt eine euphorische Menge zurück, hungrig nach mehr. Zum Glück geht es am Samstag weiter mit großartigen Künstlern beim Heroes Festival 2023 in Hannover.