Eine bunte Tüte, bitte! Samstag auf dem MS Dockville 2018


MS Dockville 2018
(Bild: stagr / Axel Schilling)

Das wohl bunteste Musikfestival des Nordens findet vom 17. bis zum 19. August 2018 zum 12. Mal statt: das MS Dockville in Hamburg. Heute berichten vom zweiten Tag: Samstag.

Der zweite Tag vom MS Dockville 2018 ist wahrscheinlich der inoffizielle Haupttag. Alle haben frei und können feiern! Keiner muss Sonntag arbeiten! Fuck you, Montag! Dementsprechend voll war es auf dem Gelände. Am Freitag konnten Fotograf Axel und ich vor der Hauptbühne noch entspannt die Arme ausstrecken, am Samstag fühlten wir uns oft wie die berühmten Sardinen in der Büchse. Und wenn viele Menschen zwischen vielen Bühnen hin- und herlaufen, wird viel Staub aufgewirbelt. Kennt ihr den Sandsturm aus dem 90er Blockbuster „Die Mumie“? So staubig war’s manchmal auf dem Dockville. Wer mir nicht glaubt, sollte nach einem Festivaltag mal einen Blick ins Taschentuch werfen. Egal, Hauptsache kein Regen. Am Samstag war es leicht bewölkt, aber trocken. Nicht zu warm, nicht zu kalt, eigentlich perfektes Festivalwetter.

Das ungewollte Mashup

Nicht nur das Publikum war eng gedrängt. Auch die vielen großen und kleinen Bühnen standen teilweise nah beieinander. Wenn wir mit einem Bier in der Hand von Bühne zu Bühne geschlendert sind, konnten wir zwei, drei Songs gleichzeitig hören. Zusammen verwandelten sie sich in ein ungewolltes (und ungewöhnliches) Mashup. Am Samstagabend gab’s zum Beispiel First Aid Erobique und Princess Nick Nokia Murphy. Doch vorher ging’s zur Maschinenraum-Bühne. Hier spielten:

Waving the Guns

Eine Hip-Hop-Gruppe aus Rostock. Die beiden Rapper Milli Dance und Admiral Adonis treten üblicherweise maskiert auf. Auch auf der Maschinenraum-Bühne sah es aus, als hätten sich zwei Bankräuber verirrt. Mit Masken und Sturmhauben sahen sie furchteinflößend aus, waren aber überraschend sympathisch: „Wir haben seit 2017 nix raus gebracht, aber unsere alten Track sind auch okay!“ Waving the Guns spielten typischen 90s Hip-Hop mit weichen, dicken Boom-Bap-Beats, dazu hat ihr DJ live gescratcht. Heutzutage leider eine Seltenheit. Dazu gab’s politische Raps und Ansagen, die sich klar gegen Faschismus richten: „Exkludierende Tendenzen machen sich breit. Wir stellen uns dagegen!“ So was kann ich nur gut finden.

Mhmmm, lecker. Nicht

Kurzer Zwischenstopp am Foodcourt neben der Hauptbühne. Leider waren wir nicht die einzigen mit knurrendem Magen: an jedem Stand waren lange Schlangen mit zehn, zwanzig, dreißig Leuten. Außer beim Asia Food – schnell hin! Großer Fehler. Das war das schlimmste Asia Food seit langem. Kein Wunder, dass die Schlange so kurz war. Aber ein Sprichwort aus dem 19. Jahrhundert sagt ja: In der Not frisst der Festivalgänger Fliegen.

Nick Murphy

Kennt ihr nicht? Kennt ihr doch: Nick war früher bekannt als Chat Faker. Das Musikvideo für seinen Hit „Gold“ wurde auf YouTube fast 144 Millionen mal gesehen – bestimmt auch von euch. Er hat zu einem kitschigen, rosafarbenen Sonnenuntergang auf der Hauptbühne gespielt. „Watch this beautiful sunset behind you!“ Es ging los mit einem epischen Intro, gefolgt von komplexen Songs, die Indie und Electro verbinden. Sein Chat-Faker-Hit „Gold“ war natürlich auch dabei. Live hat sich das alles sehr groß und episch angehört.

Princess Nokia

Die Rapperin aus NY ist eigentlich interessant: sie engagiert sich aktiv für Feminismus und die LGBT-Bewegung. Doch auf dem Dockville war sie eine Enttäuschung. Sie hat eigentlich nur ihr Playback gedoppelt und nur jede zweite, dritte Zeile beigesteuert. Zeitweise hat sie am DJ-Pult gestanden und Wasser getrunken, während ihr Playback für sie weiter rappt. Fand ich unprofessionell und respektlos den Fans gegenüber. Aber denen war das nach drei Bier wahrscheinlich egal.

Faber

Der Singer-Songwriter Faber war der heutige Headliner auf dem Vorschot. Auch, wenn er das nicht wahr haben wollte: Er hat zur Hauptbühne gedeutet und die Fans gefragt, ob es nicht ein bisschen dumm ist, dass „ihr hier seid und nicht da drüben!“ Denn dort hat parallel alt-J gespielt. Doch die Fans haben sich für Faber entschieden – und wurden nicht enttäuscht. Er hat mit breiter, rauer Stimme gesungen und in jede Zeile tonnenweise Emotionen gepackt. Und das mit seinem unverwechselbaren Dialekt. Faber singt zwar Hochdeutsch, ist aber Schweizer – und das hört man. Faber war natürlich nicht alleine auf der Bühne: seine Band hat genauso viel Energie in jeden Takt gesteckt wie er jedes Wort. Dabei haben die Musiker teilweise mehrere Instrumente gleichzeitig gespielt. Ein wunderbarer Anblick war der Drummer, der einhändig gespielt hat, weil er in der linken Hand noch die Posaune hatte – und nebenbei noch entspannt seine Kippe geraucht hat. Musikalisches Multitasking.

Wer war sonst noch da?

Lion Sphere: Die vierköpfige Band aus Berlin ist dafür bekannt, die Grenzen der Musikgenres nach Belieben zu verschieben und hat auf der Vorschot-Bühne gespielt. Yellow Days: Der junge Singer-Songwriter mit einer wunderbar kratzigen Stimme gesungen und mit seiner eiförmigen E-Gitarre eine Mischung aus Indie, RnB und Blues gespielt. Fink: Der Englische Singer-Songwriter hat auf der Hauptbühne melodischen und melancholischen Indie-Rock gespielt – kein Wunder, dass er immer etwas traurig aussah.

Erobique: Den müsste eigentlich jeder Hamburger kennen: Erobique heißt eigentlich Carsten Meyer und war früher Keyboarder der Band „International Pony“. Habt ihr bestimmt mal gehört, als ihr um 3 Uhr nachts im Golden Pudel Club auf den (bröckeligen) Putz gehauen habt. Doch zurück zum Dockville. Hier hat Erobique auf gefühlt 20 Keyboards gleichzeitig Electro-Beats gespielt, die an den funky Disco-Sound der 70s erinnern. Dazu hat er übrigens live gesungen – und das hat sich nicht unbedingt gut angehört, war aber sehr, sehr lustig. „Ich hol mit jetzt ein Bier. Ich hol mit jetzt ’nen Sekt, korrekt.“ Und das alles im ollen Schlabber-Shirt und mit dickem Schnubbi. Legendär.

Das Paradies: hat auf dem Großschot poppigen Mitsing-Indie gespielt.

BHZ: Von der 6-köpfigen Rap-Crew aus Berlin gab’s Cloud-Rap auf der Maschinenraum-Bühne.

Fil Bo Riva: Der Musiker aus Rom lebt mittlerweile in Berlin. In Hamburg hat er Folk und Indie-Rock gespielt, mal verträumt, mal tanzbar. Leider hab ich nicht viel von ihm gesehen, weil mir eine aufblasbare, goldene Riesen-Ananas die Sicht versperrt hat. Hat ihr jemand einen Dartpfeil?

First Aid Kit: Zwei Mädels aus Schweden, die folkigen Indie-Pop gespielt haben. Mittlerweile war der Platz vor der Hauptbühne proppenvoll, aber bewegt hat sich niemand. Aber darum ging’s bei First Aid Kid auch gar nicht. Einfach zuhören und genießen.

Oscar and the Wolf: Kam im XXXXXXXL-Pulli auf eine Bühne und hat Elektropop gespielt. Dabei hat er einen interessanten Tanzstil aufs Parkett gelegt, der Hip-Hop-Posen, Voguing und Sex mit dem Mikrofonständer verbunden hat.

alt-J: Die britische Alternative-Folk-Band war einer der Headliner des Tages – und wir haben sie verpasst. Warum? Weil alt-J zu spät auf die Bühne kamen und wir unbedingt zu Faber wollten. Man kann nicht alles haben.

Verkauft ihr Drogen?

Ein aufregender Dockville-Samstag ging zu Ende. Als Fotograf Axel und ich mit zwei Feierabendbier auf einer Steinmauer ein saßen, wurden wir von einem hektischen Typen gefragt, ob wir Drogen verkaufen. Nein, tun wir nicht! War das ein Zivilfahnder oder ein Zivil-Idiot? Wenn letzteres der Fall war, sollte er sich eine bessere Taktik überlegen. Übers Festivalgelände zu gehen und wahllos Leute nach Drogen zu fragen, ist nicht sehr schlau. Zwei Typen, von denen einer eine dicke Canon mit Teleobjektiv in der Hand hat, sehen nicht unbedingt aus wie Drogendealer. Oder doch?

Das war Tag 2 auf dem MS Dockville 2018. Als nächstes berichten wir von Tag 3: Sonntag. Heute spielen Acts wie Welshly Arms, Rhye, Olli Schulz und viele mehr. Stay tuned!

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