Der dritte Tag des Summer Breeze 2022 sollte unter einem schlechten Stern stehen, zumindest was das Wetter angeht. Am Morgen ist davon noch nichts zu merken – der nächtliche Regen sorgt eher für einen angenehm kühlen Morgen. So wird niemand um 8 Uhr aus seinem Zelt gezwungen und bekommt noch etwas mehr dringend nötigen Schlaf, die die letzten Tage bei vielen ausblieb.
Die Mainstage wird heute von Bloodywood eröffnet. Der einzigartige Mix aus Nu-Metal mit traditionellen indischen Instrumenten sorgt für viel Andrang. Die wohl “aggressivste Flöte des Festivals” bringt die Fans schnell in Bewegung, während die Sänger Jayant Bhadula und Raoul Kerr wie wild über die Bühne springen, auch wenn die Texte und Ansprachen der Band eher harte Kost sind. Abgeschlossen wird der Auftritt mit einem Appell an Diversität und einem großen Dank an das Summer Breeze, dessen Offenheit der Truppe überhaupt erst den Auftritt ermöglicht hat.
Auf der T-Stage machen sich derweil Vended fertig. Der Slipknot Nachwuchs – guckt man nur auf Sänger Griffin Taylor und Schlagzeuger Simon Crahan – ist jedoch keinesfalls auf die Eltern zu beschränken, auch wenn Griffin deutlich bei seinem Vater Corey Taylor gelernt hat. Abseits der Stimme erinnert jedoch nur die Maske von Bassist Jeremiah Pugh an Slipknot. Die noch junge Band hat einen deutlich eigenen, wenn auch noch teilweise unausgereiften Stil. Die Aggressivität ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. “I need you all to unleash fucking hell, wall of death mother fuckers”, schreit Griffin. Der Auftritt vergeht in einem Fingerschnippen. “I promised you we will come fucking back”, sagt uns Griffin am Ende und das hoffen wir alle.
Bei Landmvrks fängt es anschließend direkt zu Beginn an leicht zu regnen. Noch interessiert dieser aber nur die wenigsten. Etwas, das sich bald ändern sollte. Bis dahin feiern die Fans ausgelassen und geben den Grabenschlampen einiges an Arbeit. Das Set der Band ist besonders vom letzten Album “Lost in the Waves” geprägt und weist daher nicht nur englische, sondern auch französische Texte auf. Eine Verschnaufpause gibt es aber erst am Ende des Sets, wo plötzlich die Anzahl an Regencapes vor der Bühne deutlich gewachsen ist.
Diese sind auch bitter nötig. “Summer Breeze, wie geht’s euch in eurer Dusche?”, fragt uns eine Bühne weiter, auf der Main Stage, Orden Ogan-Sänger Sebastian „Seeb“ Levermann, während der Regen immer weiter zunimmt. Man könnte Orden Ogan zwar als “die modernste Power Metal Band der Welt” betiteln, handeln ihre Texte doch eher weniger von Schlachten und Wikingern und eher vom technischen Fortschritt: Ein Mittel gegen Regen haben sie jedoch nicht im Repertoire. Bei dem Song “Let the Fire Rain” gegen Ende des Sets denken wir uns aber doch wieder, dass der Regen doch gerade angenehm ist.
Auch bei den sich anschließenden Hämatom sieht das Bild nicht anders aus. Wer sich heute statt Stiefeln für die Turnschuhe entschieden hat, hat nun schlechte Karten. Die Hauptwege zwischen den Bühnen werden langsam zu einer Rutschpartie. Durch die vorhergegangene Trockenheit kann der Boden das viele Wasser nicht aufnehmen und sammelt sich nun in einer dicken Schlammschicht. Dennoch wird die Regencape-Dichte vor der Bühne nicht geringer. So langsam wünscht man sich dann doch, dass der Song “Es regnet Bier” Realität wäre und sich dann zumindest die Becher wieder von selbst füllen würden.
Erst zu Alestorm, ganze fünf Stunden nach den ersten Tropfen, wird der Regen langsam weniger. Aber was wäre ein Pirat ohne Wasser? Auf der Bühne findet man in diesem Fall immerhin nur Bier vor. Alestorm eben. Songs wie “Drink” oder “Pirate Metal Drinking Crew” wurden schließlich nicht ohne Grund geschrieben. Natürlich darf auch die überdimensionierte Gummiente auf der Bühne nicht fehlen. Ebenso wie die Pits im Publikum. Der Bitte von Sänger Christopher Bowes, sich in den Schlamm zu setzen kommen zwar nur die wenigsten nach, dafür gibt es zu “Hangover”, einem passenden Cover von Taio Cruz, einen regelrechten Schlamm-Tornado. Alternativ werden eh alle “schlammig” beim weiterreichend er vielen Crowdsurfer, die sich teilweise stapeln.
Auch wenn es sich bei Jinjer um eine ukrainische Band handelt, liegt der Fokus des Auftritts auf der T-Stage nicht auf den aktuellen Weltgeschehnissen. Natürlich wirft uns Sängerin Tatiana Shmailyuk ein kurzes “thank you all for supporting us, fuck the war” zu und bekommt laute “fuck Putin” rufe zurück, aber mehr auch nicht. Der Fokus liegt auf der Musik. Der ständige Wechsel zwischen ruhigen Passagen und purer Aggressivität ist mittlerweile das Markenzeichen der Band, wenn man Tatiana’s Stimme absieht. Dennoch herrscht weiterhin eine gewisse Ratlosigkeit im Publikum, wie man sich dazu am besten bewegt. Der Pit bleibt heute zum Großteil aus, Spaß haben aber dennoch alle. Grund dafür kann auch Tatiana’s Outfit in Schwarz und Neon Grün sein, das viele Blicke auf sich zieht.
Auch beim Headliner des Tages, wieder auf der Main Stage, Within Temptation, möchte uns der Regen noch nicht komplett verlassen. Interessieren tut das inzwischen aber nur noch die wenigsten. Nass bis auf die Knochen ist man eh schon lange, da machen weitere Tropfen keinen Unterschied mehr. Die Blicke gehen gespannt Richtung Bühne, auf der eine große Maske mit leuchtenden Augen zu sehen ist, wo kurz zuvor noch eine Quietscheente zu sehen war. Neben den typischen Songs der Band finden sich auch zwei Songs des kommenden Albums im Set wieder, wovon der Titeltrack “Don’t Pray For Me” leider von technischen Problemen geplagt ist. Zusätzlich werden viele Songs gespielt, die ursprünglich ein Feature enthalten. Die Gäste werden leider nur per Videowall hinter der Bühne gezeigt, bis auf “Shed My Skin”, bei dem Annisokay Sänger Christoph Wieczorek auf die Bühne kommt. Der Song “Raise Your Banner” wird kurzerhand den Ukrainischen Freiheitskämpfern gewidmet. “We stand with Ukraine!”, sagt Sängerin Sharon Janny den Adel stolz, während eine große ukrainische Flagge geschwenkt wird. Das große Finale wird schließlich mit “Mother Earth” eingeleitet. Pyro inklusive.
Der Schlamm muss tief sein, denn zu Amorphis hat sich das Publikum vor der Mainstage sichtlich nur gering verändert. „Thank you for coming. It’s nice to see you’re still alive“, sagt uns Sänger Tomi Joutsen während des Sets, welches zu einem großen Teil des vor einem Jahr erschienenen Album “Halo” besteht. „We haven’t played that song much. It’s a duet with a beautiful lady from Holland. Unfortunately she’s not here today“, sagt er weiter, kurz bevor ein Video von Anneke van Giersbergen auf den Leinwänden erscheint und bei “zusammen” den Song “Amongst Stars” performen. Aber auch altes Material ist mit dabei. So treibt es uns mit “My Kantele” zurück nach 1996, bevor mit “House of Sleep” das Ende eingeläutet wird und sich viele den Titel zu Herzen nehmen und zurück zu ihrem Zelt wandern.
Der Abend neigt sich dem Ende zu und ebenso der Regen. Noch immer nieselt es, aber wird von Minute zu Minute bei Any Given Day weniger. “Ihr hattet ja gutes Wetter heute, aber der Regen scheint jetzt aufzuhören”, sagt uns Sänger Dennis Diehl lachend, bevor die ersten Feuersäulen in die Höhe schießen. Das Trocknen ist heute inklusive. Die Fans sind am Crowdsurfer und eröffnen den Schlamm-Pit zu Songs wie “Endurance” oder “Apocalypse”, während es gegen Ende ruhig wird. Mit „Wind of Change“ covert die Band einen Song der Scorpions und möchte damit ein Zeichen setzen, bevor beim finalen “Savior” nochmal alle Register gezogen werden.
Auf der Mainstage machen heute Lord of the Lost den Sack zu. Hier sehen wir zum ersten Mal, wie knapp bemessen die Umbauzeiten auf der Bühne eigentlich sind. Während die ersten Töne erklingen, rennt ein Techniker, bewaffnet mit einer Rolle Panzertape, wie wild über die Bühne, um die letzten Dinge zu befestigen. “Wir haben den Regen besiegt!”, ruft uns Sänger Chris Harms mit erhobener Faust zu. In der Tat verirren sich nur noch selten Tropfen Richtung Boden. Die Regencapes zieren aber dennoch die Landschaft der Fans. Neben den eigenen Songs spielt die Band auch “Children of the Damned”, ein Iron Maiden cover, bei dem Lord of the Lost vor kurzem noch als Vorband auftraten. Die Fans singen laut mit, wobei es mit der Zeit immer mehr Fans vor der Bühne werden. Der Weg zu den Bühnen wird allmählich immer schwerer zu gehen, was sich besonders in der benötigten Zeit widerspiegelt.