Midgardsblot 2023: Begeisterte Massen dank einzigartiger Verbindung von Musik & Geschichte


Midgardsblot 2023
(Bild: Hannes Fuchs)

So war der Freitag

Schunkelig beginnt der Freitag auf der Hauptbühne: Gangar vermischen Folk mit allen denkbaren Musik-Stilen von Jazz über Rockabilly bis Djentrock. Das Ergebnis ist launiger, einem breiten Publikum zugänglicher Folk-Rock voller Spielfreude. Ein guter Auftakt und eine klare Hörempfehlung für Gute-Laune-Musik mit Anspruch.

Auf der kleine Nebenbühne Kaupangr geht es schwarzmetallisch weiter: Eternity entführen das Publikum in den norwegischen Black-Metal-Underground. Rasiermesser-scharfe Riffs, präzises High-Speed-Drumming und abermals große Spielfreude sorgen für kreisende Mähne und Nackenschmerzen bei den Fans.

Die Hauptbühne erlebt einen faszinierenden Auftritt von Skáld, der das Publikum in eine Welt nordischer Mythen entführt. Die Band strahlt auf der Bühne Spielfreude aus und präsentiert eine moderne Interpretation alter Legenden. Die Kombination aus traditionellen Instrumenten wie Flöten und Trommeln mit zeitgenössischen Klängen erzeugt eine einzigartige Atmosphäre. Skálds Auftritt auf der Hauptbühne hinterlässt einen bleibenden Eindruck, während sie ihre kreative Verbindung zwischen Geschichte und Musik zelebrieren.

Auf der Kaupangr-Stage geht es nordisch weiter. Vevaki präsentieren sich deutlich minimalistischer als Skald, aber nicht minder intensiv. Das Neo-Folk-Projekt aus Island setzt auf traditionelle Instrumente und stellt den vielschichtigen Gesang in den Vordergrund. Auf ihrem ersten Auftritt auf dem Kontinent zelebrieren Vevaki eine schamanistisches Ritual, dass das Publikum trotz der gleißenden Sonne in seinen Bann zieht.

Vor einer enthusiastischen Menge auf der Hauptbühne zeigt Einherjer echte Spielfreude und feiert ihr 30. Bandjubiläum mit einer starken Performance. Die Bandmitglieder Frode, Gerhard, Ole und Tom strahlen auf der Bühne eine tiefe Verbindung zur Musik aus, während sie ihre einzigartige Mischung aus Viking Metal und Folk präsentieren. Die Zuschauer – nicht zuletzt der besondere Wikinger-Moshpit in Vollrüstung (!) – erleben eine mitreißende Darbietung und feiern die langjährige Erfolgsgeschichte der Band. Ein besonderer Höhepunkt des Abends ist, dass es am nächsten Tag ein Wiedersehen mit der Band in der Gildehalle geben wird: Ein weiterer Auftritt mit besonderem Set und Livepainting bei der Einherjers Musik mit visuellen Kunstwerken kombiniert wird, ist für den morgigen Samstag geplant.

Blackbraid gehört zu den Bands, die bei vielen Festivalbesuchern ganz weit oben auf dem Wunschzettel stand. Das Solo-Projekt von Sänger und Bandgründer Sgah’gahsowáh liefert auch live gehörig ab. Nordischer Black-Metal verbindet sich mit musikalischen Einflüssen der amerikanischen Ureinwohner zu einer energiegeladenen und unheiligen Allianz. Die fünf Musiker bringen die Songs der beiden Alben mit glasklarem Sound und voller Spielfreude auf die Bühne. Ihr herausragender Auftritt wird von den Fans frentisch gefeiert. Blackbraid hätten das Highlights des Festivals sein können, wäre da nicht der spätere Eklat um u.a. übermäßigen Alkoholkonsum gewesen.

Am Freitagabend erreicht die Hauptbühne des Festivals einen weiteren Höhepunkt, als die Folk-Metal-Band Týr aus den Färöer-Inseln als letzte Band des Abends auftritt. Frontmann Heri führt das Publikum mit seiner Präsenz und kraftvollen Stimme an. Die Spielfreude der Band überträgt sich schnell auf das Publikum. Die fesselnde Kombination aus Folklore und Metal schafft eine einzigartige Atmosphäre, die das Publikum in eine ferne Welt der nordischen Legenden entführt. Týr sind und bleiben ein Erfolgsgarant für jedes Metal-Festival.

So war der Samstag

Den letzten Festivaltag eröffnen Einherjer in der malerischen Gildenhalle mit einer intimen und exklusiven Show zum 30-jährigen Jubiläum. Mit einem ausgewählten Live-Set begleiten die Urgesteine des Viking-Metals den rumänischen Künstler Costin Chioreanu in einer Live-Painting-Session mit hohem Wiedererkennungswert. Seine Gemälde zieren Albumcover vieler verschiedener Bands und Künstler, darunter Opeth, At the Gates, Arch Enemy, Mayhem, Arcturus, Ulver und natürlich Einherjer.

Auf der kleinen Kaupangr-Stage entfesseln im Anschluss ORM mit kräftigen Gitarrenriffs und donnerndem Schlagzeug eine Welle von Energie. Die Dänen spielen eine einzigartige Mischung aus Black-Metal und experimenteller Musik und haben sich einen Ruf für ihre kreative Herangehensweise an das Genre erworben. Ihr Name „ORM“ bedeutet auf Dänisch „Schlange“, was auch das Symbol der Band ist. Die Dänen sind in Spielfreud und schaffen es, ihre einzigartige Mischung aus düsteren Klanglandschaften und melodischen Elementen trotz gleißendem Sonnenschein perfekt zur Geltung zu bringen.

Im Anschluss erstrahlt die Hauptbühne des Midgardsblot-Festivals im magischen Licht, als die schwedische Folk-Metal-Band Garmana auftritt. Die Band entfacht sofort eine mitreißende Stimmung im Publikum, als sie ihre instrumentalen Klänge mit kraftvollen Gesangseinlagen verschmolz. Garmana verbindet geschickt moderne Elemente mit traditionellen nordischen Melodien und schafft eine fesselnde Darbietung, die die Herzen der Festivalbesucher erobert und diese zum Mittanzen animiert.

Magisch geht es dann auch auf der Kaupangr-Bühne weiter, als Mio dort auftritt. Die sanfte Stimme der Sängerin füllt die Luft und reißt das Publikum mit. Die zarten Melodien der Norweger schaffen eine berührende Performance an diesem Samstagnachmittag

Auf der Hauptbühne übernimmt die gefeierte samische Künstlerin Mari Boine das Zepter. Seit über 30 Jahren schafft sie Musik im Grenzbereich zwischen Sami-Volksmusik, Rock und Jazz und liefert Live-Auftritte, die jedem den Atem rauben können! Ganz nebenbei hatte sie in den vergangenen Jahrzehnten großen Einfluss auf die samische Kultur und die Anerkennung der indigenen Völker. Ihre Musik und ihre Aktivitäten haben dazu beigetragen, die samische Kultur zu fördern, Traditionen zu bewahren und auf die sozialen und politischen Herausforderungen der samischen Gemeinschaft aufmerksam zu machen. Ihre markante Stimme füllt die Luft, während sie mit Leidenschaft singt. Begleitet von ihrer traditionellen Handtrommel schlägt Mari Boine auch den härtesten Metal-Fan in ihren Bann.

Auf der Kaupangr-Stage sorgt der Auftritt von Naglfar für einen krassen musikalischen Kontrast zu Mari Boines vorherigem Auftritt. Die schwedische Black-Metal-Band bringt mit ihren aggressiven Riffs eine explosive Energie auf die Bühne. Rasenden Gitarrenriffs treffen auf wütenden Gesang. Während Mari Boine für kulturelle Verbindung und Reflexion stand, verkörpern Naglfar Dunkelheit und Intensität des Black-Metal. Ein Kontrast und eine musikalische Bandbreite, die das Midgardsblot zu dem Ausnahmefestival machen, als das es bekannt ist!

Auch die Tschechen Nemuer bilden einen deutlichen Kontrast zu den genannten Künstlern.  Parallel zum schwedischen Black-Metal von Naglfar verzaubern sie die Gildenhalle mit ihren Dark-Folk-Klängen. Sie verbinden Kehlkopfgesang, hypnotische Percussion-Rhythmen, alte Instrumente und tote Sprachen zu einer eindringlich dunklen Atmosphäre wie ein Nebel in einem Waldmoor. Natürlich darf auch eine verzerrte E-Gitarre nicht fehlen auf der Reise von nordischen Mythen bis zur ägyptischen Götterwelt.

Am Samstagabend verwandelt sich die Hauptbühne in einen Hexenkessel, als Tsjuder mit ihrem kompromisslosen Black-Metal loslegen. Das norwegische Trio liefert wie gewohnt eine rasante und aggressive Performance ab, die von donnernden Drums und rasiermesserscharfen Gitarrenriffs geprägt ist. Tsjuder liefern in 60 Minuten zu dritt mehr ab als manche Bands auf einer ganzen Tour. Nackenschmerzen inklusive.

Die Kaupangr-Stage wird in ein mystisches Ambiente gehüllt, als Mortiis die Bühne betritt. Die düstere Atmosphäre des norwegischen Dark-Ambient-Künstlers wird durch die massiven Nebelschwaden der Nebelmaschinen verstärkt. Die elektronischen Klänge und die tiefen Bassvibrationen erzeugen eine geheimnisvolle Stimmung, die das Publikum in eine andere Welt entführt. Mortiis‘ ikonische Maskerade und sein eigenwilliger Stil fügen eine weitere Schicht Intensität hinzu, während die Zuschauer gebannt in den Klangwelten versinken, die er erschafft.

Die Hauptbühne des Festivals wird von einer Aura der Melancholie umgeben, als My Dying Bride als letzte Band des Abends auftreten. Passend dazu stellt sich auch ein dezenter Nieselregen ein. Die britische Doom-Metal-Legende erzeugen direkt mit dem ersten Song „Your River“ direkt eine düstere, tonnen-schwere Atmosphäre, die das Publikum in ihren Bann zieht. Der Abend ist geprägt von Songs der härteren Gangart insbesondere Klassikern vom Album „Turn Loose the Swans“, das als Meilenstein des Genres gilt. Während die Gitarren ihr Lamento zelebrieren, verwendet der stets mitleidende Sänger Aaron eine beeindruckende Bandbreite an Vocals. Sie reichen von gutturalen Growls bis hin zu herzzerreißenden Schreien und verstärken die emotionalen Facetten der Musik noch weiter. Highlight ist einmal mehr „The Cry of Mankind“ vom 1995er Album „The Angel and the Dark River“. Viel zu schnell ist die Stunde vorbei und My Dying Bride den Abend mit einem eindrucksvollen Finale beschließt.

Zum Abschluss erwartet die Besucher wie jeden Abend weitere Musik in der Gildehalle und in der gut frequentierten Striga-Bar, bevor gegen 2 Uhr das Ende des Festivals naht. Das Midgardsblot bleibt ein inklusiver Ort für Menschen unterschiedlichster Hintergründe, der Gemeinschaft und Vielfalt feiert. Das Festival beeindruckt mit seiner gut organisierten Struktur, abwechslungsreichen musikalischen Genres und nahezu perfektem Sound. Ein umfangreiches Rahmenprogramm sorgt für vielfältige Unterhaltung. Die Erfahrung bleibt unvergesslich, und meine Dankbarkeit gilt den Organisatoren, Mitwirkenden und Freiwilligen, die dieses Erlebnis ermöglicht haben. Bis zum nächsten Mal!

Das Midgardsblot ist ein 4-Tagesfestival in Norwegen. Den Mittwoch und Donnerstag findet ihr hier.