Vom 17. bis zum 19. August fand zum 12. Mal das wohl bunteste Musikfestival in Deutschlands Norden statt: das MS Dockville 2018 in Hamburg. Heute berichten wir vom 3. Tag.
Sonntag – der letzte Tag des Dockville-Festivals. Wurde am Vortag noch hemmungslos Party gemacht und laut „Fuck you, Montag!“ geschrien, knurrte man heute leise: „Verdammt, fast Montag.“ Schon morgen sollte es zurück zur Arbeit oder zur Uni gehen. Da feiert man natürlich mit angezogener Handbremse. Das Festivalgelände war etwas weniger voll, die Festivalgäste auch. Man konnte es vielen Menschen ansehen, dass ihnen zwei Tage Festival, zwei Tage Camping, zwei Tage Fast Food, zwei Tage Bier in den Gliedern stecken.
Doch das hielt sie natürlich nicht davon ab, ihre letzten Kraftreserven zu mobilisieren und nochmal so laut zu feiern, dass man es bis Pöseldorf hören konnte. Naja, zumindest bis zum Hauptbahnhof. Bin gespannt, wie viele Krankmeldungen es Montag gibt, weil jemand ganz plötzlich, so ein Zufall, eine Erkältung bekommen hat, die schon Dienstag auf magische Weise wieder verschwunden ist.
Für Fotograf Axel und mich ging es diesmal etwas später los. Erst um 16 Uhr (was ja für Festivalverhältnisse schon später Abend ist) sind wir zur Maschinenraum-Bühne, um uns dort eine talentierte deutsche Rapperin anzuschauen:
Antifuchs
Die Rapperin aus Flensburg finde ich ja eigentlich interessant. Sie hat definitiv Skills am Mic und eine coole, kratzige Stimme, die zu ihrer rotzigen Anti-Haltung passt. Doch ein ganzes Konzert den verbalen Mittelfinger an alle zu zeigen – das wurde mir auf Dauer etwas zu einseitig. Klar, als Female MC muss man in der übermaskulinen Hip-Hop-Szene leider die Ellenbogen besonders weit ausfahren. Erst Recht als Battle Rapperin. Aber an einem faulen Sonntag war ich einfach etwas zu verpennt für soviel Energie.
Swiss und Die Andern
Apropos Anti. Wir sind weiter zu Swiss und Die Andern, einer Punkrock-Band aus Hamburg. Die fünf Jungs sind laut, wütend, politisch klar links und noch klarer gegen rechts. Swiss ist der Frontmann, Die Andern sind die Band. Auch mit dabei war Rapper Shocky, der ein krasses Gesichtstattoo trägt: ein breites Totenkopflächeln über beide Wangen. Geschockt? Das war wohl Sinn der Sache. Als es losging, wurde zwei Rauchbomben auf der Bühne entzündet, die die Fans in roten Rauch hüllten und schon ging der Pogo los. Doch nicht genug für Rapper Swiss: „Ich will ’n bisschen mehr Randale sehen, wir sind hier in Hamburg!“ Alles klar, dann lasst uns mal eskalieren!
Welshly Arms
Nächster Act auf dem Vorschot: Welshly Arms aus Cleveland, Ohio. Die Band um Sänger und Gitarrist Sam Getz ist bekannt für den legendären Song „Legendary“, der in einem Werbespot und in diversen Filmen, Serien und Trailern gespielt wurde. Welshly Arms standen um 19 Uhr auf der Hauptbühne – doch für diese Uhrzeit war nicht so viel los. Tja, Sonntag halt. Welshly Arms haben trotzdem Vollgas geben und energiegeladenen Blues-Rock gespielt, bei dem jedes Lied versuchte, episch zu klingen. Was eher komisch klang: als Sänger Sam Getz mit seiner rauen Stimme die Ansage zwischen zwei Songs halb gesprochen, halb gesungen hat. Dabei hat er sich angehört wie amerikanischer Prediger. Halleluja! Welshly Arms hat übrigens auch einen neuen Song gespielt: „Sanctuary“, bei dem nicht nur der Name an „Legendary“ erinnert. Was kommt als nächstes? Revolutionary? Contemporary? Dictionary?
Rhye
Etwas sanftere Töne gab’s danach auf der Vorschot-Bühne. Hier hat „Rhye“ gespielt, eine Band um den kanadischen Sänger Mike Milosh, der zu entspanntem Downtempo-Electro-Pop sanft und gefühlvoll gesungen hat. Seine Stimme hat mich gelegentlich an George Michael erinnert. Einfach mal einen Rhye Song anhören und die Augen zu machen. Na? Das alles war sehr melodisch und verträumt – man hätte statt eines Moshpits ein Cuddlepit starten können.
Olli Schulz
Der Headliner des diesjährigen Dockvilles: Olli Schulz. Das Multitalent kennt man aus dem Radio, dem Fernsehen und natürlich aus „Fest & Flauschig“, seinem Podcast mit Jan Böhmermann. Heute ist er allerdings als Musiker hier. Er hat die Crowd mit einem fröhlichen „Hallo!“ begrüßt und gesagt dass er sich freut, nach 10 Jahren endlich auch mal auf dem Dockville spielen zu dürfen. Es ging los mit dem Song „Wenn die Musik nicht so laut wär“ (wär sie auch nur halb so schön), gefolgt von einem Emo-Part, in dem er Meat Loaf angespielt hat: „I would do anything for love, but i won’t do that.“ Und weil Olli nicht nur singen kann, sondern auch lustig ist, gab’s zwischen den Songs immer wieder unterhaltsame Ansagen ans Publikum. Zum Beispiel als er 1000-Mark-André vorgestellt hat: „Der verkuppelt alle! Keiner geht heute alleine nach Hause!“ Mein (und vielleicht auch sein) Höhepunkt des Auftritts: als ein riesiger, aufblasbarer Dino in die Menge geworfen wurde, gefolgt von einem Orca, einem Hai und Olli höchstpersönlich, der sich auf einer Hummer-Luftmatratze über das Menschenmeer tragen lies. Hummer-Surfing statt Stage-Diving!
Wer war sonst noch da?
Alice Merton: Die deutsche Musikerin hat treibenden Pop auf der Hauptbühne gespielt. Hinds: Vier Mädels, die Indie-Rock spielten und fürs Dockville etwas deutsch gelernt haben: „Wir sind Hinds und kommen aus Madrid. Ganze Liebe!“ Børns: ein Musiker aus LA, der eigentlich aus Michigan, USA kommt. Definitiv nicht aus Michigan, USA: das „Ø“ in seinem Künstlernamen. Er hat mit zarter Falsett-Stimme bewegenden Indie-Pop gespielt, sich aber selbst nicht viel bewegt. Klar, es geht eigentlich um die Musik. Aber ein bisschen mehr Energie hätte seinem Auftritt gut getan.
Das war der letzte Tag des MS Dockville Festivals 2018. Es war mal wieder ein buntes Festival voller Musik, Kunst und Glitzerschminke. Wir freuen uns schon auf das Dockville 2019!