Amphi Festival 2019: 15 Jahre Elektropop, Industrial und Gothic-Rock


Amphi Festival 2019
(Bild: stagr / Cynthia Theisinger)

15 Jahre Amphi Festival! Das sollte gefeiert werden und so starten wir vom 20. bis 22. Juli 2019 in ein weiteres Jahr am Tanzbrunnen in Köln. Bei sommerlichen Höchsttemperaturen liegt ein Wochenende voller Gothic-, Rock- und Electro-Sounds vor uns. Auf drei verschiedenen Bühnen zeigen 42 Künstler, was in ihren Kehlen, Tasten, Saiten und Bassdrums steckt.

Zur Eröffnung heißt es „Vorwärts“ mit Seelennacht. Hinter dem Namen versteckt sich der Sänger Marc Ziegler mit seiner Live-Unterstützung René Wedekind. Die mit ihrem Steampunk im Elektropop-Kleid die ersten Besucher begrüßen.

Den zweiten Akt des Tages zeigen uns Erdling. Mit aufwändigem Bühnen Make-Up und rockigen Gitarren-Riffs wird es stürmischer auf der Bühne und wo zuvor noch langsam und bedächtig gestartet wurde, gibt jetzt auch das Publikum Gas.

Nach einer kurzen Durchsage – “Vorsicht wir haben eine Unwetterwarnung und halten euch auf dem Laufenden” – treten nach einer Ansage aus purem Kölsch CHROM auf die Bühne. Zu den ersten schweren Beats prasseln auch gleich schon die ersten Tropfen herunter. Das hält hier aber niemanden auf. Unter den Pilzen vor der Bühne ist noch massig Platz. Einige genießen sogar den Regen als Abkühlung und tanzen dafür einfach noch mehr.

Auf der Theater-Stage machen es sich derweil die Briten von Massive Ego gemütlich. Mit einzigartigen Outfits und viel Humor weihen sie das Theater gebührend ein. Die Ansagen in eher zerstückeltem Deutsch nimmt ihnen hier niemand übel. Der Wille ist da und wird mit großem Jubel gewürdigt. Zu Anfang ist es noch recht kühl und gut klimatisiert, aber unter dem eingängigen Hämmern der Beats ändert sich das schnell.

Mit ihrem Mix aus klassischer Musik, Metal aus Norwegen und Prog-Rock der Marke Bella Italia machen Samsas Traum draußen weiter. Die Animationsversuche von Sänger Alexander Kaschte kommen Mal besser und Mal schlechter an.

Ein kurzer Abstecher zur Orbit-Stage. Hier wird die Gemütlichkeit noch großgeschrieben. Hearts Of Black Science beschallen mit einem Mix aus einem dunklem Synthie Pop und Post Rock. Ein recht zahlreiches Publikum, ob dieses hier ist, weil sie der Name angelockt hat oder die Klimaanlage weiß man nicht genau, aber die Schweden schaffen es trotzdem die Begeisterung in den Gästen zu wecken.

Im Theater bieten derweil Dive eine kurze Einstimmung für den Headliner des Abends Nitzer Ebb mit ihrem minimalistischen Elektro-Industrial.

Draußen explodiert derweil die Stimmung. Hocico drehen voll auf und die Menge eskaliert. Nicht nur Sänger Erk Aicrag fühlt sich durch die Grenzen seiner Bühne unnötig eingeengt, auch das Publikum. So entwickeln sich nicht nur Moshpits, sondern einige Gäste wachsen über sich heraus und geh auf die Reise über die erste Reihen. Leider sind Gothic Veranstaltungen nicht sonderlich Crowd-Surfer freundlich. Dafür stehen die Leute nicht dicht an dicht genug oder würden überhaupt damit rechnen und haben deswegen nicht unbedingt ein Auge nach hinten. Wir empfehlen das Crowd-Surfen auf Metal-Festivals zu verschieben: Es macht eh mehr Spaß, wenn es auf den Wellen zwei Runden im Kreis geht, bevor man Richtung Bühne wandert, oder nicht?

Wieder zurück im Theater geht es zwar ruhiger aber nicht weniger eindrucksvoll weiter. Mit viel Gefühl und einer bombastischen Live-Stimme erfüllen The Cassandra Complex den Saal. Zu jedem Song gibt es ein kleines bisschen Geschichte und so wird zu Feier des Jubiläums der Apollo 11 Mission „Second Shot“ ausgepackt, dass vom ersten Golfspieler auf dem Mond Alan Shepard handelt.

Wem das zu langweilig ist, kann sich von Lord Of The Lost wegputzen lassen. Immerhin kommt Keyboarder Gerrit Heinemann im „I Want To Break Free“ würdigen Putzoutfit auf die Bühne und schwingt den Besen. Seine Kollegen waren nicht weniger aufwändig geschmückt, als sie die Bühne von hinten aufrollen und mit ihren kräftigen Gitarren-Riffs die Fans von den Füßen holten. Wer soll dabei auch noch ruhig stehen bleiben?

Zeit Rot zu sehen. Solitary Experiments drehen den Beat auf und bringen als erste das Theater an seine Kapazitätsgrenzen. Während drinnen die Luft vor lauter Schweiß klebt. Prasselt es draußen ganz gewaltig. Die Läden machen die Schotten dicht und auch bei der Beach-Bar werden die Stühle zusammengeklappt. Von dem ganzen Sturm kriegen die Fans drinnen gar nichts wirklich mit, zu groß die Euphorie die immer wieder zwischen Bühne und Publikum hin und her schwappt.

Im frischen Sonnenschein erscheint danach „die sonnigste Band der schwarzen Szene“ Blutengel. Mit imposanten Orgel Intro und aufwendig montierten LED-Wänden bewaffnet ziehen Chris Pohl und Ulrike Goldmann die Menge in ihren Bann. Die Melodien sind eingängig, die Textzeilen weitreichend bekannt und so wird zu altem wie neuem gesungen, was das Zeug hält. Aber keine Bühnenshow von Blutengel ist vollständig ohne größere Mengen Kunstblut und Chris Chor an Tänzerinnen in stetig wechselnden Outfits. Im Nachgang steht ein einsamer Bühnentechniker mit einem Wischmop da um kümmert sich kopfschüttelnd um den Salat… Irgendwas ist immer.

Dem Abend die Krone setzten heute der Headliner Nitzer Ebb auf. Mit ihrem Old School EBM Industrial locken die Briten die ganze Alte Riege auf die Tanzfläche. Man ist je wählerisch und mag diesen ganzen „neumodischen Quatsch“ gar nicht. Mit bester Laune fegte Sänger Douglas McCarthy über die Bühne. Dass die Mitte der Setlist leider die Fans weniger begeistern konnte, machte Nitzer Ebb damit weg, dass auf einmal sich David Gooday das Micro schnappte und „Alarm“ im die Kölner Abendluft schmetterte. Damit bietet uns Nitzer Ebb eine willkommene Überraschung ist es doch 32 Jahre her, dass David diesen Song live das letzte mal Live präsentierte. Wer dieses Urgestein verpasst hat sollte sich nicht die Gelegenheit die Briten auf ihrer Deutschland Tour im November abzupassen. Man weiß ja nie, wann sich noch einmal die Gelegenheit bietet.

Damit neigt sich auch der Samstag dem Ende und auf der Bühne mag zwar Ruhe einkehren, aber bei den Aftershow-Partys im Theater und auf der Orbit-Stage wird noch bis spät in die Nacht weiter gefeiert. Im Theater sorgen die DJ’s Hades, Gillian, Sven Friedrich, Don Levi, Torny Gottberg und DJane Dark Princess & DJ SEB H für die passende Untermalung. Auf der Orbit-Stage ließ DJ Alex Wesselsky und DJ Oliver Klein das Schiff aus allen Nähten platzen. Aber die Energie soll gut eingeteilt sein, wir haben ja ersten den ersten Tag hinter uns. Morgen geht es weiter mit dem Amphi Festival 2019 – Tag Zwei.

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Text: Lars Tobias Lorbeer