Rockharz Open Air 2019: Mittwoch und Donnerstag


Vom 3. bis 6. Juli fand das Rockharz Open Air 2019 wieder in Ballenstedt imHarz statt.

Das Rockharz Open Air 2019 beginnt auf dem Flughafen in Ballenstedt im Harz wieder mit dem besten Festivalwetter. Keine 30 Grad und die leichte Abkühlung durch den Wind kommt den 20.000 Besuchern und Fans der härteren Genres sehr zu Gute.

Rockharz Open Air 2019: Mittwoch

Das Rockharz 2019 wurde am Mittwochnachmittag von einem richtigen Newcomer eröffnet. 2017 gegründet und frisch an Tatendrang toben sich From North aus Schweden auf der Bühne aus. Tatsächlich war es schön anzuhören und zu sehen, dass eine neue Band, sowohl was Gründung und Aufenthalt auf dem RHZ angeht, hunderte Leute vor der Bühne fesselte. Moonsorrow gab Einherjer ein Stelldichein. Eine gelungene Mischung aus Viking und Folk Metal.

Wir blieben im Norden. Sowohl thematisch und auch stilistisch. Turisas mit Nightwish und ganz viel Manowar. Brothers Of Metal aus Schweden lieferten eine gewaltige True Metal-Show und begeisterten tausende Besucher. Tatsächlich Tausende! Es war erst Mittwoch und das Rockharz zeigte, dass es sich nicht mehr hinter dem Summer Breeze oder dem W:O:A verstecken muss!

Und dann wurden sämtliche heroische Attitüden ausgeklammert. Neben Behemoth müssten Vader genannt werden, wenn es um große Bands aus Polen geht – denn so viel Hass erlebt man sonst nur durch die etablierten Bands wie Slayer. Die Dynamik des 80er Giganten war eines der vielen Merkmale der Band. Dementsprechend peitschte die Todeskapelle ihre Energie den zahllosen Menschen ins Gesicht. Auch die neuen Songs ihrer aktuellen EP „Thy Messenger“ wurden exzessiv bejubelt.

Nach dieser geballten Hassentladung fand, zumindest tempotechnisch, eine Entschleunigung statt. Aber Vorweg: woran denkt man zuerst, wenn es um Bands aus Norwegen geht? Richtig! Galle spuckende Schwarzmetall Kapellen. Combichrist kamen zwar aus selbigem Land, waren aber definitiv nicht im Black Metal verwurzelt. Fans der elektronischen Musik kannten die Band in erster Linie von Festivals wie dem Amphi und ähnlichen Vertretern. Mittlerweile waren die Ausnahmekünstler allerdings auch in der Metal Szene angekommen – besonders ihre aktuelle Scheibe war eine deutliche Annährung zum harten Genre. Jedoch erklangen auch hier die EBM-Sounds heraus die durch die Gitarren unterstrichen wurden. Den Einstieg in die Szene hatten sie am ersten Tag des Rockharz gemeistert und neue Eindrücke hinterlassen.

Ein gern gesehener Gast auf dem Rockharz und eine wahrhafte Stimmungskanone legte nach dem elektronisch-metallischem Exkurs los. Die Blödel-Metaller von JBO, die sich selber als Verteidiger des wahren Blödsinns sehen, überzeugten (wieder mal) mit ihren Ohrwürmern. Schlussendlich wurde der Festivalground ein Männerchor der den Freudengöttern Gaudin und Ulkohr frönten und das ganze ohne Kitzmann Bier. Die Süddeutschen rissen die Massen mit und sorgten für eine ausgelassene Stimmung am späten Abend. Obwohl der Headliner des ersten Tages mit der Scheibe „Deutsche Vita“ durchaus neues (geklautes) Material aufzuweisen hatte, griffen die Erlanger auf ihre altbewehrten Hits zurück. Bolle, ein Fest – man kannte die Hits der Franken.

Kultig wurde es dann zum Abschluss des ersten Tages. Ein regelrechter Metal-Dino ergötzte das Publikum. U.D.O., seit 1987 in der Heavy Metal-Szene verwurzelt und nicht mehr weg zu denken, legte traditionell rhythmisch und kraftvoll los. Der ehemalige Accept-Sänger Dirk Schneider rockte routiniert und sicher sein Set runter. Im Stil der alten Schule war es eine Unterrichtsstunde in Sachen Rockkultur. Aber wenn man über 30 Jahre im Business unterwegs ist, dann weiß man was man tut. Auch die aktuelle Platte „Steel Factory“ bestach ganz im Sinne des Hard Rocks.

Rockharz Open Air 2020: Tickets + Infos

Um Gottes Willen – der erste Festivaltag beim Rockharz 2019 war von Anfang bis Ende der totale Alkoholocaust. Wie wird man den exorbitanten Kater los? Richtig! Mit einem gehörigem Tritt in den Allerwertesten.

Rockharz Open Air 2019: Donnerstag

Diese Aufgabe übernahm mit größter Perfektion Bloodred Houtglass aus Finnland. Zünftig zimmerten die Nordeuropäer ihren qualitativ hochwertigen Melodic Death Metal dem verkaterten Publikum um die Ohren. Eine extrem gute Kombination der positiven Aspekte etablierter nordeuropäischer Bands der Melo Death-Szene überrollte die Festivalgänger – jetzt war jeder wach.

Wir blieben im hohen Norden. Stam1na polterten weiter – Thrash Metal mit Keyboard. Ja, in der Tat! Thrash Metal mit Keyboard. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber absolut tauglich. Entsprechend resolut feuerten die Frühaufsteher die finnische Formation an. Und viel wichtiger! Es wurden immer mehr Leute vor der Bühne.

Dass aus Südamerika nicht nur heiße Sambamusik und begnadeter Fußball kommt, weiß man spätestens seit Sepultura. Aber dass auch hochwertiger Female Fronted Death Metal aus der Fußballnation kommt, ist eher unbekannt. Nervosa räumten aber mit allen Klischees auf – so eine aggressive Musik und technisch hochwertig erlebt man ansonsten nur von Arch Enemy und Co. Das Trio aus Sau Paulo glänzte in allen Aspekten und stand den männlichen Vertretern des Todesmetall in nichts nach! Was ein Abriss!

Lacrimas Profundere – ein Begriff seit 1993 für düsteren Gothic Rock oder wie sie sich selber titulieren „Sad’n’Roll“. Auch wenn es tatsächlich kein trauriges Wetter war, animierte Herr Oliver Nikolas Schmid unermüdlich das Publikum und flitzte über die gesamte Bühne. Nur weil ihre Texte von tiefster Melancholie erfüllt sind heißt das nicht, dass sie keinen Spaß auf der Bühne haben.

Weniger traurig in der Melodie stimmten The Unguided melodische Töne an. Obwohl ein deutlicher Sonic Snydicate Einschlag zu hören war, sind die Schweden keine billige Cover Band. Richard Sjunnesson blieb seinem alten Stil treu und verpackte ihn in eine neue Band. Das Publikum dankte mit Headbangen und lautem Mitsingen. Besonders das Cover „Denied“ wurde von unzähligen Kehlen textsicher mit geträllert.

A-Cappella ist musikalisch nicht zwangsweise im Metal zuhause. Also eher so gar nicht. Aber: Die Musiker von Van Canto belehrten uns eines Besseren. Auch wenn es gewöhnungsbedürftig ist, die Klassiker der metallischen Schule ohne Gitarre live zu erleben, zeigten die Gesangskünstler, dass Metal auch ohne Verzerrung druckvoll klingt. Mit Ihrer Mundakrobatik begeisterten sie am Donnerstagnachmittag die Masse.

Wenn Mozart tatsächlich eine Metal Band gründen würde, dann wäre Coppelius diese Umsetzung. Gewandet im Stil des frühen 19. Jahrhunderts lebten sie auch die Musik zeitgenössisch aus – Gitarren suchte man bei der Kammermusik vergebens. Das hieß aber nicht, dass die Extravaganz leiden musste. Schwungvoll rannten die Musiker über die Bühne und entluden ihre Energie auf das Publikum und das ALLES (!) ohne verzerrte Gitarre.

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Hebt die Hörner! Stecht das Fass an! Trinkt! Tatsächlich war Feuerschwanz die Mittelalterband, die stilistisch und auch bezüglich Bekanntheit mit einer Band aus Erlangen zu vergleichen war. Der Unterschied: Hier wurde nichts geklaut, aber der Spaß war mindestens der Gleiche. Und da der Honigwein anscheinend Dreh- und Angelpunkt der Band war, war es nicht verwunderlich, dass von Anfang bis Ende Methörner in die Lüfte gereckt wurden. Met-Notstand gab es zwar im Märchenland, aber nicht auf dem Rockharz 2019.

Dann fegten Overkill mit Zerstörungswut und Aggression über das Festival. Obwohl die Band zum alten Eisen zählte, waren sie dynamisch und animierend. Ohne Wenn und Aber tobten die Amerikaner über die Bühne und stellten so mache Band in den Schatten. Die klassische Trash Metal-Formation demonstrierte anschaulich, wie viel Erfahrung wert ist. Glücklicherweise erinnerte lediglich das Aussehen von Bobby „Blitz“ Ellsworth an eine Person aus Deutschland mit ganz vielen Freundschaftsbändchen.

Hard Rock? Halleluja! Absätze, die Kiss Konkurrenz machten und Melodien die im Ohr blieben. Das ist Lordi! Mr. Lordi zeigte sich in bester Laune und animierte zwischen jedem Song die zahllosen Fans vor der Bühne. Auch wenn viele diese Band mit ein bis zwei Songs assoziierten, war die Setlist mit diversen Schmuckstücken versehen. Aber selbstverständlich durfte ihr Gassenhauer, auch wenn er tatsächlich Eigenschaften des absoluten Ohrwurms hat, nicht fehlen. Wer kann es erraten?

Blutergüsse waren im Regelfall nicht gerade angenehm oder schön. Hämatom konnen jedoch das Gegenteil beweisen. Die starke Stimme von Nord kam durch die NDH robust zur Geltung und begeisterte das Publikum. Das Album „Bestie der Freiheit“, das nicht nur ein Chartbreaker geworden war, wurde in Sachen Energie ein absolutes Ausrufezeichen und mit Abstand eines der besten NDH-Alben die je produziert wurden. Nur ein Beispiel: „Ich hasse dich zu lieben“ mit über tausend Stimmen kam richtig gut an. Und welche Band konnte schon von sich behaupten, dass ihr Schlagzeuger Crowdsurfing machen kann?

Ein wirkliches Highlight in Sachen musikalische Perfektion waren Wintersun! Ganz im Sinne der Jubiläums-Aktion zu Ehren ihres ersten Albums, wurde selbiges im größten Maß der Vollkommenheit gespielt. Für eingefleischte Fans ein regelrechter feuchter Traum, für Fans des Melo Death Metals ein Genuss. Death And The Healing, Sadness And Hate – teilweise ist es doch schön die alten Zeiten einer Band wieder auf der Bühne live miterleben zu können. Man merkte, dass nicht nur das Publikum von der Nostalgie hingerissen war, sondern auch die Band aufs Ganze ging.

Cradle of Filth bot eine reichhaltige Abwechslung an Songs und verschiedenen Eindrücken in ihrem ganz eigenen Stil der ausgewogenen Szenerie des Metals. Seit 1991 sind sie aktiv und fanden aufgrund der richtigen Mischung ihren ganz eigenen Weg des Songschreibens. Düstere Atmosphäre, Blast Beats und das gewohnte Keifen von Dany Filth trieb die zahllosen Menschen in Ekstase. Besonders schön war es, als „Her Ghost In The Fog“ angestimmt wurde. Klassiker bestechen eben immer und dementsprechend begeistert reagierte das Publikum!

Wetzt die Schwerter! Hebt die Hörner! Schüttelt die Haare! 2008 spielte diese Ausnahmeband das erste Mal auf dem Rockharz. Selbst in Förste standen damals unzählige Menschen vor der Bühne. In Ballenstedt waren es dann nochmal mehr. Aber wer kann bei Amon Amarth schon ruhig im Zelt sitzen? Mit „Pursuit Of Vikings“ eröffneten die sympathischen Schweden ihr Set. Die Bühnenshow begeisterte und die kraftvollen Sounds gingen bis ins Knochenmark. Der Headliner des Tages lieferte alles, was er auf Lager hatte und die Masse gab ihnen alles zurück. Die Stimmung war heiß und die Haare wehten im Mondschein taktvoll mit. Trotz der wirklich abwechslungsreichen Diskografie, zimmerten die Nordeuropäer tatsächlich „Legend Of A Banished Man“ raus! Das absolute Highlight des ganzen Auftritts!

Als Gute-Nachtgruß stand Joachim Witt auf der Bühne und zelebrierte sein Privileg als Mitbegründer der Neuen Deutschen Welle. Ohne Rücksicht schmetterte er dem Publikum ironische Sätze um die Ohren wie „Ich Bekomme keine Luft mehr, wo sind die Sanis“ oder auch „Wer ist hier Betrunken? Der einzige Betrunkene ist hier auf der Bühne.“ Und so wurde der Goldene Reiter ein betrunkener Reiter. Aber egal. Das war tatsächlich gelungenes Entertainment .

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