Es gibt Bands, die laut sind. Und es gibt Bands, die laut und stilvoll sind – mit einer Prise Ironie, einem dicken Schuss Pathos und der Fähigkeit, Stahlträger mit ihrem Sound in Schwingung zu versetzen. Genau dieser seltenen Kategorie gehört Eisbrecher an. Am Samstag, den 17. Mai 2025, legten Alexx Wesselsky und seine Männer in der restlos ausverkauften Swiss Life Hall in Hannover an – im Gepäck: die aktuelle „Eiszeit X“-Tour und das brandneue Studioalbum „Polarlicht“, das seit März die Charts zum Glühen bringt.
Heldmaschine
Doch bevor es losgeht, donnert zu allererst die Heldmaschine durch die Swiss Life Hall. Damit steht Neue Deutsche Härte der Koblenzer Band auf dem ganz Programm. Musik der Sorte „Rammstein“, aber mit vielen innovativen Elementen, bringt die fünfköpfige Truppe um Frontmann René Anlauff an den Mann (und die Frau). Die Band geht dabei aber einen eigenen Weg und grenzt sich musikalisch vom (mittlerweile ehemaligen) Branchenführer Rammstein ab. Vor der Bühne entwickelt sich binnen kurzer Zeit ein ausgelassenes Tanzgelage, dass zeitweise in einem Mosh- und Head-Bangbattle gipfelt. Völlige Eskalation, im positiven Sinne. Da auch eine gute Prise elektronischer Beats die Songs begleitet, kommen Fans härter Rockklänge genauso auf ihre Kosten, wie Fans von Joachim Witt- oder Kraftwerk-ähnlichen Sounds.
Eisbrecher
Wer Eisbrecher sagt, muss auch Neue Deutsche Härte sagen – allerdings mit einem Augenzwinkern und ohne die düstere Schwere, die andere Genre-Vertreter manchmal wie Betonplatten durch den Konzertsaal schleifen. Stattdessen servieren Frontmann Alexx Wesselsky (ehemals Megaherz) und seine Crew eine Mischung aus druckvollen Industrial-Riffs, tanzbaren Beats und hymnischen Refrains, die das Publikum spätestens beim dritten Song in einen kollektiven Bewegungsdrang versetzen.
Gitarrist Noel Pix, gleichzeitig das musikalische Mastermind der Band, zimmerte an diesem Abend ein Riff-Feuerwerk sondergleichen, unterstützt von Rupert Keplinger am Bass, Achim Färber an den Drums und Christian „Licky“ Schmitz an der zweiten Gitarre. Zusammen erschufen sie eine Soundwand, die so kalt und präzise wirkte wie ein frisch geschmiedetes Katana – nur eben elektrisch verstärkt und gnadenlos auf den Punkt.
Die Setlist ließ keine Wünsche offen. Mit Krachern wie „Verrückt“, „Prototyp“ und dem Überhit „Miststück“ (eine Reminiszenz an Wesselskys Megaherz-Vergangenheit) heizte die Band die Halle schnell auf Saunatemperatur – ganz im Kontrast zum frostigen Bühnenbild, das mit Eisformationen und LED-Wänden eine arktische Kulisse heraufbeschwor. Natürlich durfte auch das neue Material aus „Polarlicht“ nicht fehlen. Songs wie „Herz aus Eis“ und „Kältezone“ überzeugten mit einem frischen, modern produzierten Sound, der die Härte der NDH-Tradition mit überraschend melodiösen Momenten verband. Besonders „FAKK“ (eine Abkürzung, die sich die Fans sicher nach kurzer Bedenkzeit selbst erschließen konnten…) sorgte für kollektives Grölen und schweißtreibende Moshpits.
Was ein Eisbrecher-Konzert so besonders macht, ist nicht nur die musikalische Wucht, sondern vor allem Alexx Wesselskys unnachahmliche Bühnenpräsenz. Der Mann beherrscht die Kunst, mit erhobenem Zeigefinger und einem schelmischen Grinsen gleichzeitig zu dozieren und zu unterhalten. Seine Ansagen pendelten mühelos zwischen charmanter Provokation und humorvollen Seitenhieben – mal gegen die Musikindustrie, mal gegen den eigenen Hang zum Pathos. Und genau hier liegt das Geheimnis des Abends: Während andere Bands in der NDH-Szene Gefahr laufen, sich in bierernster Symbolik zu verlieren, spielt Eisbrecher mit den Klischees – und das mit einer Leichtigkeit, die selten geworden ist.
Nach über zwei Stunden brach die Kältewelle endgültig, das Publikum war durchgeschwitzt, aber selig. Eisbrecher lieferten in Hannover nicht nur eine technisch brillante und musikalisch abwechslungsreiche Show ab – sie bewiesen erneut, dass Härte und Humor, Schwere und Leichtigkeit kein Widerspruch sein müssen. Wer die „Eiszeit X“-Tour verpasst, verpasst mehr als ein simples Konzert. Er verpasst ein Stück moderner Rockkultur, das mit beiden Beinen im Hier und Jetzt steht – frostig, kompromisslos und doch mit einem breiten Grinsen im Gesicht.