Power Metal im 2er Pack: Dragonforce + Twilight Force in Köln


Vor zwei Jahren spielten Dragonforce bereits auf ihrer Tour in Köln in der Essigfabrik. Nun waren sie endlich wieder da – diesmal mit ihrem neuen Album “Reach to Infinity” und Twilight Force als Vorband im Gepäck. Eine angenehme Mischung, da Twilight Force und Dragonforce sich musikalisch sehr ähnlich sind. Epische Texte, kreischende Sänger, noch lauter kreischende Gitarren, schnelle Doublebass-Drum-Rhythmen und genauso schnell fliegende Finger auf den Gitarren-Saiten. Wobei Dragonforce natürlich für die schnellsten Drums und Gitarren überhaupt steht – spätestens seit ein Dragonforce-Song im letzten Level von Guitar Hero 3 war. 

Was ich an der Kombo aus Twilight Force und Dragonforce mochte? Die Bands haben zwei ganz unterschiedliche Arten, ihre Geschichten zu erzählen. Und genau darum geht es beim Metal im allgemeinen und beim Power Metal ganz besonders. Dabei gibt es unzählige Erzähl-Stile von “Es war einmal vor langer Zeit in einem weit entfernten Land” – bekannt durch Hammerfall, Blind Guardian und natürlich auch Twilight Force, über Sabaton die gefühlt eine alte Landkarte ausrollen und mit dem Finger auf einen Schauplatz zeigen und beginnen mit “Damals 1944, bei der Belagerung von Bastogne …” („Screaming Eagles von Sabaton“) – bis hin zu den Songs von Iron Maiden’s Bruce Dickinson, ganz Besonders “Empire of the Cloud”, wo man das Gefühl hat er erzählt aus seinem Leben, am Kamin, mit ’ner Pfeife in der Hand. Und ja, Iron Maiden ist nicht Power Metal, aber die erzählerischen Qualitäten von Bruce sind auf seine Weise unerreicht.

Marc Hudson und Dragonforce haben da einen ganz anderen Stil. Wenn er auf die Bühne kommt holt er nicht tief Luft, schaut einem nicht tief in die Augen und gibt einem nicht das Gefühl, dass man jetzt aufpassen muss, damit man nicht irgend ein wichtiges Detail der Geschichte verpasst. Der Frontmann gibt einem mehr das Gefühl, dass man in einer Bar sitzt und Marc läßt sich vor einem auf den Stuhl fallen, bestellt ein Bier, guckt der heißen Kellnerin kurz hinterher, beugt sich zu einem vor und sagt “Du glaubst nicht, was mir gerade passiert ist.” Diese entspannte Nähe, dieses Bewusstsein, dass man nun eine Story hört über die man lacht oder die Augen verdreht, diese Aura eines liebeswerten Spaßvogels anstelle eines Barden oder Geschichtenerzählers macht Dragonforce aus. Aber nun zum Gig.

TWILIGHT FORCE

Die Essigfabrik, eine ehemalige Fabrikhalle die 1.200 Besucher fasst, war voll mit Metal-Fans, wobei nicht wenige auch mit Twilight Force- Merch (aufblasbare Schwerter) da waren. Der Tour vorangegangen war ein Announcement, dass die Band sich Anfang Oktober von ihrem Sänger getrennt hatte. Als Retter für die Tour eingesprungen war Sabaton-Gitarrist Tommy Johansonn. Nicht als dauerhafte Lösung, aber zumindest um die Nachfolgersuche zu überbrücken. Im Vergleich zum doch etwas kleineren und “schmaleren” Ex-Sänger “Chileron” hatte Tommy mit seiner stämmigen Statur doch eine ganz andere Bühnenpräsenz. Fast so, als hätte man Frodo durch Samweis ersetzt. Aber der treue und großherzige Sam, der den doch etwas wehleidigen Frodo quer durch Modor schleppte und dabei mit seiner Bratpfanne vor allem Übel verteidigt hatte, war zumindest in meinen Augen der eigentliche Held der “Herr der Ringe”-Saga.

Anfangs merkte man schon, dass Tommy zum ersten Mal mit dem Rest der Band zusammen auf der Bühne stand. Während der Rest der Truppe eingespielt ihre Bühnenshow abzog, wirkte Tommy anfangs etwas isoliert auf der Bühne. Doch spätestens als er sich warm gesungen hatte und die Single “Flight of the Sapphire Dragon” schmetterte, gab es keine Zweifel mehr darüber, dass Tommy ein würdiger Vertreter für Chileron war.

Dragonforce

T-Shirts und Jeans statt Umhänge und Elfenohren. So kamen die Jungs von Dragonforce auf die Bühne und legten direkt mit “Reaching into Infinity” und “Ashes of the Dawn” los – den ersten 2 Songs des neuen Albums. Dragonforce ist für musikalische Geschwindigkeit bekannt. Und auch an diesem Abend machte es den Musikern sichtlich Spaß, diesem Ruf gerecht zu werden. Die Gitarristen Herman Li und Sam Totman ließen eifrig ihre Finger über die Saiten fliegen, und das nicht nur bei den Soli, sondern auch in den normalen Rhythm-Parts der Songs. Li ließ dabei auch mal gern seine Gitarre durch die Luft fliegen oder leckte das Griffbett ab. In meinen Augen gehört der langhaarige Asiate auf jeden Fall zu den unterhaltsamsten Gitarristen, die man derzeit Zeit live erleben kann! Was man dabei klarstellen musst: Sowohl Herman als auch Sam spielten keine virtuosen Stücke, wie Joe Bonamassa oder Steve Vai. Sie waren schon immer die Meister der einfachen Riffs und Strukturen wie sie für Power Metal typisch sind. Nur dass sie diese Strukturen durchgehend doppelt und dreifach so schnell spielten, wie die “Ich kann auch richtig schnell spielen” Soli anderer Bands (Hust, Twilight Force). Und dies komplett tight auf den Rhythmus.

Womit wir bei Gee Anzalone wären, dem übertakteten Herzschrittmacher der Band. Seine Ausdauer mit dem er die Doublebass trat und mit den Drumsticks auf das Set einschlug war schwer beeindruckend. Abgesehen davon, dass ich niemals so schnell Schlagzeug spielen könnte, wäre ich nach einem halben Song wahrscheinlich kollabiert und hätte künstlich beatmet werden müssen. Gee hingegen trommelte die ersten 6 Songs durch ohne Anzeichen der Erschöpfung, um dann in der Pause der Gitarristen (vermutlich um die glühenden Finger in Eiswasser zu kühlen) noch ein Drumsolo hinzulegen und Bassisten Frederic und Sänger Marc zu begleiten. Eine schöne Halbzeit-Show, in der Frederic an der Gitarre zeigen konnte, was er so als Gitarrist und Entertainer drauf hatte. Stellenweise mit Sänger Marc am Bass begleitet und supportet vom unermüdlichen Drummer Gee.

Meine Theorie: Gee ist ein Cyborg in Serienproduktion, so wie der Terminator und Dragonforce hatten bei dem Kölner Gig vielleicht zwei bis drei davon verschlissen. Einen in der ersten Hälfte und einen in der zweiten Hälfte des Sets und einen in der Zugabe. In der natürlich “Through the Fire and Flames” zum Abschluss gespielt wurde, bekannt aus dem End-Level von Guitar Hero 3.

Das nagelneue Dragonforce-Album gibt es z. B. bei Amazon:
Audio-CD „Reaching into Infinity“Vinyl-LP „Reaching into Infinity“ oder MP3-Download „Reaching into Infinity“