Philipp Poisel: Sehnsucht nach der Sehnsucht


Wollen wir nicht alle am liebsten sofort irgendwohin aufbrechen, um dann möglichst schnell irgendwo anzukommen? Und damit meine ich nicht den Weg zwischen Schreibtisch und Fitnessstudio. Sondern den zwischen dem was ist, und dem was jetzt gerade viel schöner wäre. Kurz, wir sprechen von einer diffusen Sehnsucht, die vermutlich jeder kennt. Und in der auch diejenigen gerne mal baden wollen, die sie eigentlich gar nicht spüren. Philipp Poisel hat diese Sehnsucht, und sie ist der Kompass, dem alle seine Texte und Lieder folgen.

In der ausverkauften Barclaycard Arena jedenfalls konnte man es sehen: Poisel erreicht die Herzen seiner Fans. Der allein gekommene Mittvierziger neben mir in seiner Camp David Jacke summte jedes Lied von Anfang bis Ende mit. Pärchen wiegten sich engumschlungen zu „Erkläre mir die Liebe“, übrigens visuell toll unterstützt durch retromoderne 80er Jahre Filmbilder auf der beeindruckenden Videowand. Mutter und Tochter jeweils mit kleiner Handtasche und um die Hüften geschlungenen Pullover filmten mit ihren Smartphones jede Bewegung und Äußerung Poisels. Der machte seine Sache sehr gut. Wenig Show, viel Emotion, kurze und sympathische Ansagen. Wenn man unter geschätzten 14.000 Gästen so etwas wie Intimität erzeugen möchte, dann so. Allerdings: Das Ganze kam nicht so richtig in Fahrt. Es herrschte eine gebremste Begeisterung.

So souverän, reduziert und einfach die Musiker agierten, so aufwändig und pompös war die digitale Videowand hinter der Bühne. Jeder Song hatte eine eigene Kulisse. Mal schwebte die Band in den Wolken, mal spielte sie in einer weihnachtlichen Winterlandschaft mit Tannenbäumen, mal strahlte ein Leuchtturm in tosender See übers Publikum. Dabei hatte man zeitweise Mühe, Philipp Poisel und die Musiker überhaupt noch wahrzunehmen. Um dann Akzente zu setzen, begab sich Band immer wieder auf eine kleine runde Bühne in der Mitte des Saales. Dort wurde dann wie am Lagerfeuer geklampft, Fackeln beleuchteten die Szenerie.

Es war an diesem Abend ein runder Auftritt von Philipp Poisel. Ich hätte mir manchmal etwas weniger Harmonie und ein bisschen mehr Energie gewünscht. Geschenkt. Denn das Publikum konnte das genießen, wofür es gekommen war: jede Menge Sehnsucht. Dafür würde es Philipp Poisel vermutlich überall hin folgen. Auch „Bis ans Ende der Hölle“.