Hardcore Monday: EMP Persistence Tour 2017 in Hamburg


Die EMP Persistance Tour ist laut eigenen Angaben “Europe’s Biggest HC-Tour”. Und allein wenn man sich das Line Up ansieht, kann man dem getrost zustimmen. 1.500 Hardcore-Fans kamen am Montag Abend auf die Große Freiheit, um mit Hardcore-Urgesteinen wie Agnostic Front und Suicidal Tendencies zu feiern. Und wie Down to Nothing Frontmann treffen beschrieb – “Es spielt kein Rolle ob Harcore, Metalcore, Crossover oder Punk”, jede einzelne Band gab alles auf der Bühne, und das Publikum stand ihnen in nichts nach. Ein Circlepit nach dem anderen wurde aufgemacht und versank irgendwann in unübersichtlichem Mosch-Gerangel, wobei sich immer wieder herausstellte dass die kleineren, leichteren Besucher es mit fast doppelt so großen und teils mehr als doppelt so schweren Kollegen aufnehmen konnten. Zumindest solange die richtige Musik gespielt wurde. Schnelle Drumbeats und Basslines, Gitarristen die mit ihren verstärkten und verzerrten Gitarren alles vom Tapping über Grooves bis hin zu kreischendem Feedback anstellten, und das ganze möglichst LAUT. Dazu schrieen, kreischten und sangen ein Frontmann oder eine Frontfrau, und heizte das Publikum an.

Bei Hardcore gibt es keine Balladen, keine ruhigen Lieder, kein Ausruhen. Sogar die Bühnen-Rowdies standen in den Pausen nie still, sondern meisterten jeden Umbau in unter 15 Minuten, so dass man gerade noch genug Zeit hatte einmal durchzuatmen und sich ein neues Bier zu holen bevor die nächste Band startete. Und selbst in diesen Pausen lief Musik zum moshen und mitgrölen, wie zum Beispiel die ersten 5 Tracks vom Body Count-Album “Body Count” durchgehend am Stück.

Natürlich war EMP als Veranstalter präsent, neben den großen Banderolen an der Wand waren natürlich große Merch-Stände aufgebaut, und am Eingang wurde man von netten Promoterinnen empfangen die einen Fragten ob man schon den EMP-Katalog kostenlos per Post erhält. Allerdings vermute ich, die Quote der “Den bekomm ich schon”-Sagern war ziemlich hoch. Am Ende des Konzerts blieb eine glücklich ausgepowerte Menge übrig, die sich über 6 Stunden hinweg ausgetobt hatte und dann realisierte, dass noch 4 Tage vor Ihnen liegt bis endlich Wochenende ist und sie Ausschlafen können. Aber auch im Bewusstsein dass der Abend für den Rest der Woche in den Knochen stecken bleibt: es war es auf jeden Fall wert.

DOWN To Nothing

Wenn man nach Down to Nothing googlet, findet man auf Platz 1 die MySpace-Seite der Band. Für alle jüngeren Leser: MySpace war cool bevor Studi-VZ Cool war bevor Facebook Cool war. Musiker nutzten MySpace anstelle einer Facebook-Seite um sich zu präsentieren, YouTube-Videos zu posten und sich mit ihren Fans und anderen Bands zu vernetzen. Die Jungs von Down To Nothing sind auf eine sehr schöne Art “pur”: Heavy ohne Metal, lustig ohne dabei dumm zu wirken, “catchy” aber trotzdem Hardcore. Die lauten Gitarren spielen kraftvolle Riffs die man trotzdem noch mitsummen kann.

Für alle, die sich mit Hardcore auseinandersetzen wollen, würde ich Down To Nothing als Einstieg empfehlen, denn ihre Songs haben alles was das Genre ausmacht, und sind trotzdem “bekömmlicher” für Hardcore-Neulinge als so manch anderer Genre-Genosse.

municipal waste

Municipal Waste Gitarrist Ryan Waste gibt an, dass er Stark von der Hardcore-Legende “Minor Threat” und der Black-Metal-legende “Slayer” beeinflußt wurde. Diese Mischung aus Hardcore-Punk und finsteren Metal-Gitarren beschreibt sehr treffend den Stil der Cross-Over-Band aus Richmond, Virginia. Vor allem im letzten Album dass sie verstärkt auf der Bühne präsentierten mischten sich lange Gitarrensoli die man eher aus dem Metal kennt in die kraftvollen Hardcore-Beats und Riffs die den Abend dominierten und setzten (für einen Metal-Jünger wie mich) einen angenehm Abwechslungsreichen Akzent in den sonst sehr kraftvoll durchgepowerten Abend.



walls of jericho

Wer über “Starke Frauen im Musik-Business” spricht, sollte auf jeden Fall auch Candace Kucsulain erwähnen, die Frontfrau von Walls of Jericho. Das Kraftpaket (sowohl physisch als auch Gesangs-Technisch) im Suicdal Tendencies Shirt stand keine 2 Sekunden am Stück auf der Bühne still, und wenn, denn nur um einen langen, lauten Ton ihres Gesangs zu halten. Ansonsten wirbelte sie über die Bühne wie ein kleiner Tornado, riss ihre Ganze Band mit sich mit und präsentierte dabei stilsicher ihre Songs mit einem markanten Scream-Gesang von dem man dachte er würde das Mikrofon in ihrer Hand überfordern. Andererseits schien das Mikrofon auch nur Deko zu sein, denn die Hardcore-Lady hätte mit die Große Freiheit sicher auch A capella zusammen schreien können. Damit hier nicht das falsche Bild entsteht: Mit all der Power und Energie die sie auf der Bühne gezeigt hat ist Candance eine begnadete Sängerin, und wer das nicht glaubt, sollte sich auf jeden Fall die Akustik-Tracks auf den 2008er Album “Redemption” anhören.

agnostic front

Vinnie Stigmata gründete die Hardcore-Punk-Band 1982, löste sie Mitte der 90er auf und gründete sie ende der 90er neu. Für alle die ihn nicht kennen: Er war der sympathische Gitarrist mit dem Bürstenschnitt, der wenn er die schnellsten Riffs auf seiner Gitarre spielte noch von links nach rechts über die Bühne flitzte und sich dabei noch zweimal um die eigene Achse drehte, so dass mir vom zusehen fast schwindelig wurde. Frontmann Roger Miret ist seit 1983 dabei (also ein Fast-Gründungsmitglied) und bestach auch an diesem Abend durch seine gelungene Mischung aus tiefen, melodischen Gesang und Hardcore-typischen Shouten.

Die Songs von Agnostic Front waren kurz, knackig, verzichteten auf Solo-Passagen und waren trotzdem eingängig genug als dass sie fast jeder mitsingen konnte. Wenn man sich nicht gerade mitten im Circlepit befand oder am Crowdsurfen war. Als letzten Song gab es denn noch mal eine Hommage an den Punk-Rock, in dem der Ursprung von Hardcore liegt: Mit “Hey Ho Let’s go” von den Ramones schlossen Agnotic Front einen gelungenen auftritt ab und hatten die Menge mehr als heiß gespielt für den Headliner: Suicidal Tendencies.

suicidal tendencies

Suicidal Tendencies haben eine ähnliche Historie wie Agnostic Front: Gegründet 1992, ausgelöst und neu gegründet in den 90ern. Eine der ältesten noch aktiven Hardcore-Bands, die das Genre geprägt und durch zahlreiche Experimente den Grundstein für zahlreiche Sub-Genres gelegt haben. Angeführt von Gründungsmitglied Mike “Cyco Miko” Muir (man spricht es “Psycho Miko” aus) rockte Suicidal Tendencies die Freiheit mit ihrem ganz eigenen Stil aus Hardcore-Punk mit Funk- und Trash-Metal-Einflüssen, der oft imitiert aber nie in dieser Perfektion erreicht wurde.

Auch der Kleidungsstil von Hardcore – Hochgeklappte Baseball-Mützen, Bandanas und Basketball-Shirts, wurde maßgeblich von Sucicidal Tendencies geprägt, und zahlreiche “Suicycos” bzw “Cycos” waren auf im Publikum anzutreffen. Bei allem Respekt für das echt gute Line Up an diesem Abend: Es wird nicht mehr Hardcore als Suicidal Tendencies, und auch an diesem Abend wurde dies deutlich bewiesen.