Mon Dieu, was für ein damn funny concerto – Reggie Watts in Hamburg


Reggie Watts Tour 2018 / Reggie Watts Hamburg 2018
(Bild: stagr / Axel Schilling)

Konzert? Comedy? Soul, Rap, Electro, Metal? Englisch, französisch, italienisch? Alles! Letzten Freitag spielte Reggie Watts in der Großen Freiheit 36. Das Konzert war Teil seiner „I’m In Europe Tour“ 2018.

Reggie Who? Vielen Menschen in Deutschland dürfte Reggie Watts noch unbekannt sein. Ich habe ihn zum Glück mal auf Youtube entdeckt. Das Video zeigte seinen Auftritt bei den „TED Talks“ und hatte den vielversprechenden Titel „Reggie Watts disorients you in the most entertaining way“. Hört sich lustig an, ist allerdings supermegalustig. Der 46-jährigen Amerikaner mit dem wohl weltgrößten Afro nennt sich selbst „Musical Disinformationist“. Ziel seiner wahnsinnigen Show ist es, die Zuschauer verwirren – auf musikalische und unterhaltsame Art und Weise.

Ich hatte letzten Freitag endlich die Chance, ihn live zu sehen. Der Auftritt des Musikers, Sängers, Beatboxers und Comedians sollte im großen Saal der Großen Freiheit 36 stattfinden. Doch damit der Gig etwas kuscheliger und intimer wird, haben ihn die Veranstalter eine Etage tiefer verlegt: in den Kaiserkeller. Als ich gegen 18:30 in den Rockclub stolperte, hab ich zur Begrüßung erst mal den nächsten Barhocker umgerempelt. Sorry! War stockduster da. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich mich umschauen: der Raum war nur luftig gefüllt. Schade, ich hatte Reggie ein ausverkauftes Haus gegönnt. Doch schon ein halbes Bier später war der Laden bis in die hinterste, düsterste Ecke besetzt.

Auf das erste Bier folgte schnell ein zweites, weil der Kaiserkeller in kürzester Zeit zum Saunakeller wurde. Bloß nicht dehydrieren, viel trinken! Gegen 19:30 kam dann endlich Saunameister Reggie Watts auf die Bühne. Das erste, was mir durch den Kopf ging: der Mann hat trainiert. Aus dem coolen, dicken Typ ist ein cooler, breiter Schrank geworden. Ein kurzes Hallo und schon ging die unterhaltsame Verwirrung los. Reggie erklärte den Fans, was heute Abend passieren wird: Die Show wird zu Beginn sehr, sehr lustig sein, dann folgt ein dunkles Tief, es wird richtig depressiv, dann geht’s wieder aufwärts und es wird nochmal lustig. Aber nicht so lustig wie am Anfang. Ach, und er will später unbedingt einen Hamburger in Hamburg essen. Soll er zu „Otto’s Burger“ oder „Burgerlich“? Die Crowd hat entschieden: auf jeden Fall „Otto’s Burger“!

Zurück in den Kaiserkeller. Was Reggie da auf der Bühne machte, lässt sich nur schwer beschreiben und noch schwerer in chronologischer Reihenfolge wiedergeben. Bei anderen Konzerten spielen die Musiker ihre bekannte Setlist runter. Bei Reggie ist wenig geplant, vieles geschieht aus dem Moment heraus. Er hat eine unvorhersehbare Performance geliefert, bei der er fast alle Songs spontan eingespielt und aufgebaut hat – nur mit seiner Stimme, einem Keyboard und einem mehrspurigen Looping Gerät. Der ganze Gig bestand eigentlich nur aus fünf oder sechs Songs: viel Soul, aber auch Hip Hop, Synthie Pop und Metal. Metal? Yepp! Er mag halt „lighthearted music“ wie Pantera und Marilyn Manson. Bei seinem Trip durch die Musikgenres hat mich schwer beeindruckt, was er mit seiner Stimme anstellen kann: mühelos wechselte er von einer kristallklaren Falsett-Stimme in einen tiefen, tonnenschweren Bass – und wieder zurück. Als wäre das nicht genug, springt er ohne Vorwarnung zwischen mehreren Sprachen hin und her: Englisch natürlich, dann plötzlich Italienisch, Französisch und ein paar Brocken Deutsch.

Se ha suonato solo così poche canzoni, come ha effettivamente riempito la serata del concerto? Avec des histoires drôles et spontanées, dans lesquelles il a aussi impliqué les fans. Und nicht nur die: die Security sei die fitteste Security, die er je gesehen hat. Wenn du was von der Bühne klaust, durch den Hinterausgang verschwindest, durch dunkle Gassen und Schleichwege rennst, mehrere S-Bahnen nimmst und zwischendurch auch noch Mantel und Perücke wechselst – wenn du dann nach Hause kommst, sitzt die Security schon an deinem Küchentisch und spielt Karten. Den Bürgermeister von Hamburg hat er übrigens auch schon kennengelernt. Er nennt ihn ja „Ham-burglar“, weil er gerne mal ein bisschen Geld abzweigt. So so. Auch zum totlachen war, als er über Waffen und die USA gesprochen hat. Er hat nur 19 Minuten gebraucht, um eine Knarre zu bekommen. Und nur 3 Stunden für einen F-35 Kampfjet – in Grau, inklusive Raketen! – den er dann mit seinem Auto nach Hause geschleppt hat. Als nächstes will er sich einen Abrams Panzer holen. Was er jetzt schon weiß: „My backyard looks impressive!“

Das Highlight des Abends war leider auch das Ende des Abends: Als die Fans lautstark nach einer Zugabe grölten, ist Reggie plötzlich zurück auf die Bühne gerannt. Er hat das rhythmische „Zu-ga-be! Zu-ga-be!“ spontan aufgenommen, geloopt und eine Beatbox drüber gebeatboxt. Mit dem Mic in der Hand ist er in die Menge gesprungen und hat sich einmal durch den Kaiserkeller gesungen: vorbei an der Bar, an den Sitzecken, an der Raucherlounge und wieder zurück auf die Bühne. Danach war dann leider wirklich Schluss. Länger hätte ich auch nicht durchgehalten, weil im Kaiserkeller mittlerweile gefühlte 60 °C bei 99 % Luftfeuchtigkeit herrschten. Ich bin dann im komplett durchgeschwitzten Shirt nach Hause gefahren. Und Reggie? Der war tatsächlich noch bei „Otto’s Burger“ am Grindel, wie sein Instagram-Foto beweist. Guten Appetit!