Hardrock mal gar nicht so hart – Mr. Big in Hamburg


Mr. Big Markthalle Hamburg 2017 / Mr. Big Tour 2017
(Bild: stagr / Mark Carstens)

Die 90er waren eine gute Zeit für Hardrock. Bands wie AC/DC, ZZ-Top oder Guns’n’Roses haben den Hardrock massentauglich gemacht und starteten das neue Jahrzehnt mit Alben wie “Razor’s Edge”, “Recycler” und “Use your Illusion”. John Bon Jovi und Richie Samboa hatten sich wieder versöhnt und brachten “Keep the Faith” raus. Und irgendwo dazwischen launchte Mr. Big ihr zweites Album “Lean into it” und produzierten eine Hit-Single, die in der USA und Deutschland auf Platz 1 landete.

Diese Single war der Grund für folgende Konversation, die ich eine Woche vor dem Konzert hatte. Ich erzählte einem Arbeitskollegen von mir, dass ich mich auf das Konzert von Mr. Big freue, und er antwortet mit “Das ist doch eine Boyband?!”. Das Missverständnis basierte auf besagter Hit-Single aus 1992. Hardrock hatte eine recht eigene Art, über Frauen zu singen. Liebesbekundungen bezogen sich im Idealfall noch auf ihr Lächeln (Sweet child of mine, Guns’n’Roses), sonst auch gern auf ihre Beine (Legs, ZZ Top), oder einfach auf ihre Bett-Qualitäten (Whole lotta Rosie, AC/DC). Bon Jovi mit ihren leidenschaftlichen aber damals noch kraftvollen Herz-Schmerz Balladen wie “In These Arms” galten schon als Schnulzen-Sänger (und das war noch vor „Always“ dass erst auf dem nächsten Album “Crossroads” herauskam).

Und dann erschien ein Musikvideo mit einem langhaarigen Sänger mit einem kindlich-unschuldigen Gesicht und einer sanften Stimme, der zu einer ruhigen Akustik-Gitarre und einem Schellenkranz “I’m the one who wants to be with you. Deep inside I hope you feel it too” sang. Und das so Zuckerwatten-weich, wie es die News Kids on the Block und Take That in den meisten Songs nicht hin bekamen (noch vor den Backstreet-Boys und N-Sync). Dass Mr. Big dann kurz danach noch sehr erfolgreich ein Cover von Cat Steven’s “Wild World” veröffentlichten half auch nicht wirklich, die Wahrnehmung als Hardrock-Band zu stärken.

Was viele bis heute nicht wissen: Band-Mitglieder Paul Gilbert (Gitarre) und Billy Sheehan (Bass) waren damals zwei der besten Musiker an ihren jeweiligen Instrumenten. Doch anders als die virtuosen Großmeister von heute wie Joe Bonamassa oder Steve Vai (bzw. für Bass Victor Vooten und Steve Bailey), die sehr beeindruckende aber nicht wirklich mitsingbare bzw. tanzbare Musik machen, konnten Gilbert und Sheehan “massentaugliche”, eingängige Melodien komponieren und trotzdem ihr Können eindrucksvoll unter Beweis stellen.

So war auf “Lean into it” neben “To be with you” auch der Song “Daddy, Brother, Lover, Little Boy“, der den Kauf von Akkuschraubern weltweit ankurbelte und den Beinamen “Ther Electric Drill Song” erhielt. Paul Gilbert und Billy Sheehan nutzten einen Akkuschrauber, klebten irgendwas auf die Spitze und nutzten die Rotation um die Gitarren- bzw. Bass-Saiten dauerhaft anzuschlagen. Gitarristen auf aller Welt versuchen das Gerät nachzubauen. Mein Kollege Ty probierte erst Plektren, dann weichere Plektren, und endete schließlich bei Einschlagfolie für Bücher, die er in dreifacher Lage auf dem Akkuschrauber befestigte, um einen ähnlichen Klang wie Paul Gilbert zu erzielen.

25 Jahre später in 2017 war Mr. Big also wieder unterwegs, gerade durch Asien getourt, und starteten nach einer Woche Pause ihre Europa-Tournee in der Markthalle Hamburg. Mit “Faster Pussycat” und “The Anwser” hatten sie zwei Bands im Gepäck, die die Bandbreite des harten Rock’n’Rolls aufzeigten: Faster Pussycat mit klarer Gute-Laune-Attitude die ihre Wurzeln als Glam-Punk-Band erkennen ließen und “The Answer” mit bluesigen Riffs und einer Bühnen-Performance, die an Led Zepplin erinnert.

faster pussycat

Man sah Lead-Gitarrist Ace von Johnson irgendwie schon an, dass er erst später zu der Band dazugestoßen war. Zum einen war er jünger as Bassist Danny Nordahl und Rhythm Gitarrist Xristian Simon. Zum anderen sah er im Gegensatz zu den anderen beiden nicht so aus, als würde er zu den Ramones (Nordahl) oder Sex Pistols (Simon) gehören. Doch vorm ersten Riff an hörte man, dass selbst der “Neuling” Johnson schon seit 7 Jahren dabei ist und auf der Bühne ein eingespieltes Team steht. Dann kam Frontmann und Band-Gründer Taime Downe mit Sonnenbrille und einem Lemmy-Kilmister-Gedenk-Cowboyhut auf die Bühne, und schmetterte die Klassiker von Faster Pussycat wie “The Power and the Glory Hole” oder “Number 1 with a Bullet”. Wobei man sagen muss, dass das letzte Album von Faster Pussycat bereits 11 Jahre alt ist und es somit keine “neuen” Songs gibt.

Aber auch mit dem alten Repertoire waren die Kalifornier in der Lage, das anwesende Publikum zum Mitsingen und tanzen zu motivieren. Abgerundet wurde das leider sehr kurze Best of von Faster Pussycats mit Covern wie “You’re so vaine”, “Shut up and Fuck” und natürlich zum Schluss mit einem kurzen “Ace of Spades” Cover passend zu der Kopfbedeckung von Frontman Downe.