Hard Rock Ladies Night – Thundermother in Hamburg


Hard Rock Ladies Night - Thundermother in Hamburg 2025
Am Freitag, den 7. Februar 2025 gaben Thundermother in Hamburg ein Konzert. (Bild: Mark Carstens)

Freitagabend auf der Reeperbahn. Eine lange Schlange steht vor der Großen Freiheit 36 und wartet darauf, dass der Einlass um 17 Uhr beginnt. 17 Uhr? Ja, da die Freiheit nicht nur eine Konzert-Location sondern auch ein Party-Club ist, finden hier am Wochenende Konzerte im “Schichtdienst” statt. Und so tummeln sich ungewohnt früh (es ist Februar und es ist noch hell!) die Hard Rocker auf dem Kiez und freuen sich darüber, dass der Türsteher endlich das Band öffnet, so dass man aus der Kälte und in den Club kommt.

Die Hälfte der Besucher ist vermutlich in den 70er Jahren zur Welt gekommen, aber das Publikumsalter variiert von “Na Kleiner, hat der Papi dir gerade dein erstes Bier spendiert?” zu “Großmutter, warum hast du so große Ohren?” “Weil ich schon Rock n Roll gehört hab, da haste noch in die Windeln geschissen.” Knapp 2.000 Leute verteilen sich auf dem Floor vor der Bühne oder oben auf dem “Balkon”. Auf der Bühne wird aufgebaut, die Saal-Leuchten sind noch an, und es herrscht eine Entspannte After-Work-Atmosphäre zwischen den Band-Shirt-Tragenden, Bier-Trinkenden Besuchern die sicher alle nicht traurig waren einen Anlass zu haben heute mal n bisschen Früher Feierabend zu machen. Aber dann wird das Licht gedimmt, die Hintergrundmusik geht aus, und aus dem netten “Get-Together” wird ein Hard Rock Konzert.

Vulvarine

Vulvarine erinnern mich an meine (meine Freunde sagen immer “krankhafte”) Obsession Getränke, die ich nicht kenne, einmal auszuprobieren. Gerade bei modernen “Fusion Cocktails with a hidden message”, die nach Filmstars oder Städten benannt sind, führt das in den meisten Fällen zu verzogenen Gesichtern, rausgeschmissenem Geld und einem “nie wieder” Schwur. Aber manchmal wird mit einem “Wow, ich hätte nie gedacht, dass das zusammen so gut funktioniert” überrascht. Vulvarine zum ersten mal live zu sehen erinnert mich an damals, als eine Kombination aus Whiskey, Passion Fruit Liquor, Super Lemon Juice und Tropical Pineapple Juice als Top-Up für eine Blue Curacao und Club Soda Basis (ja ja, ich war auch sehr skeptisch) als “ja, ich nehm noch einen” Drink entpuppte: “The Wolverine”. “The Drugs, The Love and the Pain” ist ein guter Opener. Sowohl als Intro der im März 2025 erscheinenden Platte “Fast Lane”, sondern auch auch um das Publikum mitzunehmen auf die Schnellstraße von der Arbeitswoche ins Wochenende. Gefolgt von “Good Time” reißt die Power von Frontsängerin “Suzie Q” das Publikum mit, ohne dass man eine Wahl hat. Vulvarine verbindet die feministische Punk-Attitüde der Riot-Grrrl Bewegung der 90er mit dem Glam Style der 70er in ihren Songs, die allesamt auf einem soliden Metal-Fundament gebaut. Sie sind nicht lieb genug für Glam Metal, zu Glam für den harten Riot Grrrl Punk, und leichtfüßig, um so richtig Heavy zu sein.

Live merkt man, dass die Ladies seit 2019 zusammen spielen und dabei viel Spaß haben. Selten ist Feminismus so sexy, so glam, und gleichzeitig so “loud and hard”.
Besonders beeindruckt bin ich von Drummerin “Bea Heartbeat”. Drums sind fast hinten aufgebaut, und gerade kleinere Schlagzeuger und Schlagzeugerinnen sind dann schwer zu sehen. Sie bekommen als Headliner ihre 5 Minutes of Fame mit einem Drum-Solo, aber den Vorbands ist dies aus Zeitgründen nicht vergönnt. Bea hingehen spielt nicht nur super-tight, sondern hat auch eine Bühnenpräsenz aus guter Laune, Dirigentin der Rhythmus-Fraktion und “leg dich nicht mit uns an” Attitüde, die man auch noch aus dem Publikum deutlich erkennt. Nach 30 Minuten und dem passenden Titel “Rock Bottom” ist der Rausch vorbei, die die Lichter gehen an, die Wiener Damen verabschieden sind, und die Menge kann einmal durchatmen und was trinken bevor es weiter geht.

Cobraspell

Cobra Spell – meine Entdeckung des Abends. Die von Gitarristin Sonia Anubis gegründete Band besteht erst seit 2019 und hat dennoch schon einige Mitgliederwechsel hinter sich. Heute Abend stehen neben ihr die regulären Bandmitglieder Kristina Vega (Vocals) und Hale Naphtha (Drums) auf der Bühne – unterstützt werden sie an diesem Abend von Mena Bel am Bass und Adri Funerailles als zweitem Gitarristen. Letzterer ist heute Abend übrigens auch der einzige Mann auf der Bühne. Von der ersten Sekunde von „The Devil Inside Of Me“ an haut einen diese Band mit ihrer unglaublichen Power von den Socken. Ich habe praktisch das Gefühl, an die Rückwand des Saales geworfen zu werden – und dabei stehe ich eigentlich ziemlich weit vorne. Möglich ist das nicht nur durch fette Gitarrenriffs und Hale’s Power-Workout an den Drums, sondern vor allem auch durch die Stimme von Sängerin Kris Vega. Die Spanierin bringt ein so umfassendes Stimmvolumen mit, dass sie selbst als die Technik beim zweiten Lied plötzlich teilweise streikt und ihr Mikro ausfällt, noch ohne Probleme über die Drums hinweg zu hören ist. Das muss man erstmal schaffen.

Bemerkenswert ist auch wie deutlich man dieser doch noch verhältnismäßig jungen Band ihre Bewunderung für den Rock der 80er Jahre anhört, was finde ich besonders bei “Warrior From Hell” deutlich wird. Das liegt vor allem an der Gründerin Sonia Anubis, die gleichzeitig auch Hauptkomponistin der Band ist. Ihrer kreativen Führung hat die Band auch zu verdanken, dass sie trotz aller Mitgliederwechsel bereits einen recht klar definierten, eigenen Stil entwickelt hat. So ist der Band 2023 mit Veröffentlichung ihres Albums „666“ ein großartiges Debüt gelungen, dass den Sound der 80er mit teilweise aktuelleren Themen verbindet. Da gibt es z.B. „The Devil Inside Of Me“, in dem die Band mit dem Vorurteil aufräumt, dass Metal nur etwas für Männer sei. Oder „S.E.X.“ das sich explizit mit weiblicher Lust und Fantasien beschäftigt. Das Publikum und ich finden es super – vor allem als Vorband für Thundermother. Wir haben Spaß und feiern diese herausragende Band in ihren Leder, Lack und Nieten Outfits bis zum letzten Ton.

Thundermother

Es war einmal ein richtig hungriger Fotograf auf der Jagd nach der nächsten Fressbude im Out-Field desWacken Open Air. Ja, ich meine mich selbst. Wer mich kennt weiß, dass ich mich auf dem Jagd nach was Essbaren immer richtig schlechte Laune habe – ich bin nicht “Hangry”, sondern eher in einem “HangRAGE”, habe einen blutrot eingefärbten Tunnelblick, blende alle Geräusche aus und schärfe dafür meinen Geruchssinn. Ich entdecke den Fleischspiel-Laden auf dem Mittelaltermarkt, stampfe wie ein Nashorn auf den laden zu und komme an der Mittelalter-Bühen vorbei … und höre zum ersten mal Thundermother.

Die harten Gitarren, die leicht gestimmte Drums die schwer verprügelt werden, der rhythmisch blubbernde Basslauf, und die röhrige Stimme der Sängerin lassen mich innehalten und retten das leben der armen Menschen die noch in der Schlange der Fressbude anstanden. Seit dem ist Thundermother eine fester Bestandteil meiner Playlist, die ich auf längeren Fahrten im Auto höre. Am heutigen Abend gibt es für mich allerdings zwei Gründe, die mich skeptisch machen. Zum einen gab es einen Personalwechsel bei Thundermother. Sängerin, Drummerin und Bassistin haben vor zwei Jahren Thundermother verlassen und ihre eigene Band “Gems” gegründet. Parallel hat Bandgründerin und Gitarristin Fillipa Jassil Bassistin Majsan Lindberg zurückgeholt, die von 2019 – 2021 schon mal kurz Bassistin der Band war, und eine neue Sängerin und Drummerin reingeholt. Entsprechend frage ich mich, ob die neue Besetzung mit der damaligen Wacken-Besetzung mithalten kann.

Grund Nummer 2 ist tatsächlich Cobraspell. Es kommt immer mal wieder vor, dass eine vorband so gut ist, dass sie dem Headliner die Show stiehlt. Und Cobraspell ist so gut, dass ich mich frage ob das Highlight vielleicht doch die zweite Vorband war, und nicht der Headliner in neuer Besetzung. Thundermother eröffnet direkt mit “Can you feel it”, einem neuen Song des neuen Albums, das am heutigen Freitag released wurde. Schlau. Statt n Klassiker zu nehmen wo man sofort mit der vorherigen besetzung verglichen wird, zeigt man einfach selbstbewusst was man kann. Und ich muss “Can you feel it” mit einem lauten “Yeah!” beantworten.

Ich fand es damals schon schade, dass Majsan ausgetauscht wurde, da die Chemie zwischen ihr und Filippa einfach stimmte. Drummerin Joan Massing versteht es genau so gut wie ihre Vorgängerin, dem Schlagzeug zu zeigen der der boss ist. Aber vor allem die neue Sängerin Linnea Vikström (ich hab irgendwo bestimmt noch n Akzent auf nem Vokal vergessen) ist ein absoluter Glücksgriff. Der Hüftschwung von Tina Turner in “simply the best” trifft auf Bonnie Tylers “I need a hero” und klaut ein wenig von der rauchigen Stimme der original Suzie Quatro. Es folgen mit “So Close” und “Speaking of the Devil” weitere neue Songs vom neuen Album. Nachdem dann geklärt ist, dass das neue Album von Thundermother coole Songs hat, geht die Reise in der Vergangenheit los. Von “Dog from Hell” bis “Shoot to Kill” wird die gesamte Vergangenheit ausgegraben und von Linnéa (ah, da war der Akzent) umgefärbt. Dabei holt sie bei “Dog from hell” auch mal eine Gitarre raus und zeigt, dass sie nicht nur singen, sondern auch spielen kann. Und geht auch mal während eines Gitarrensolos von Filippa von der Bühne, holt sich an der Bar ein Bier und macht mit den Fans Selfies.

Die beiden Vorbands zeigen deutlich, wo die Stärke von Thundermother liegt. Während Vuvlarine einen interessanten Cocktail aus Grrrl Punk und Glam Metal geschaffen hat und Cobraspell die kräftige Stimme von Kristina Vega mit einer Prise Latex und 666 würzen, ist Thundermother einfach purer 80er Jahre Hardrock. In einer Zeit voll Turbolader, Direkteinspritzung, Chiptuning und Hybride ist Thundermother der bollernde unverbastelte V8 Motor mit dem unerreichten Sound, mit dem man nicht auf der Autobahn, sondern gemütlich die Landstraßen an der Küste entlang cruisen will. Weil es nicht darum geht, das Ziel zu erreichen, sondern um die Fahrt an sich. Thundermother zu hören ist wie der Titel eines ihrer erfolgreichsten Singles: “Driving in Style”. Und mit diesem Song schließen die Schwedinnen ihr Set ab und entlassen das Publikum ins Wochenende.

Text: Mark Carstens uns Alexa Weber