Braunschweig, Samstagabend, der 21. Juni 2025. Endlich ist’s richtig Sommer. Perfekt für ein ausgelassenes Open-Air-Konzert. Die Wolters Wiese verwandelt sich dafür in ein Retro-Punkrock-Paradies. Die Schröders haben gerufen – und Braunschweig folgt. 1.200 Zuschauer sind am frühen Abend vor Ort, feiern die Bad Gandersheimer Band, die zwar schon über 35 Jahre auf dem Buckel, dafür aber kein neues Material am Start hat. Macht nix – die alten Kamellen kommen sowieso am besten an.
Bonanzaboys
Die „Bonanzaboys“ – das Schröder-Projekt als selbsternannte, hässlichste Boygroup der Welt – war mehr als nur eine Vorband. Eine Mischung aus Anti-Ästhetik, Trash und Humor. In Anzügen, altbackenen Perücken und monströsen Hornbrillen gaben sie den Anschein eines peinlichen Nostalgie-Boyband-Clubs – nur um dann die größten Boygroup-Hits der 90er gnadenlos in rumpelnden Trash-Metal zu zerlegen. Schön klang das nie, sollte es auch nicht – aber wer die Bonanzaboys einmal erlebt hat, vergisst sie nie wieder. Die Schröders nicht als Die Schröders. Man fragt sich, ist das Musik oder eher Performancekunst mit Scherzartikeln? Wahrscheinlich beides. Aber irgendwie Kult!
Die Schröders
Wer Die Schröders kennt, weiß: Hier wird Punkrock nicht steril inszeniert, sondern mit Spielfreude, feinem Lokalkolorit und einer Portion schnodderigem Humor serviert. Die Setlist – ein wilder Ritt durch gut drei Jahrzehnte Bandgeschichte – ließ kaum einen ihrer treuen Fans stillstehen: „Frösche weinen nie“, „Saufen“, „Tag der offenen Tür“, „Lass uns schmutzig Liebe machen“, „Tod in der Nordsee“ und natürlich „Frau Schmidt“ schallten im textsicheren Chor über die Bierbecher hinweg.
Von wegen Ruhestand. Die vier Herren – Jens Burger (Gesang), Marc „Hämpy“ Stresemann (Gitarre), Oliver „O-Lee“ Schmidt (Bass) und Sascha Saygin (Schlagzeug) – wirkten dabei kein bisschen eingerostet. Was Die Schröders ausmacht, ist ihre Unverwechselbarkeit zwischen rotzigem Spaßpunk und einer charmanten Selbstironie, die man der Band trotz mancher Schaffenspause nie madig reden konnte. Live ist das Quartett sowieso am stärksten – da wurde der Bereich vor der Bühne mehrfach zum kollektiven Pogo-Zentrum.
Die Location – der Applaus Garten an der Wolters Brauerei – könnte passender kaum sein: Lokales Bier, lokale Legenden, laue Sommerluft. Fast ein Heimspiel – zumindest für die nahe Region, das die Band mit sichtlich breitem Grinsen genoss. Zwischendurch feuerte Frontmann „Burger“ launige Anekdoten ins Publikum, zum Beispiel wie sie in ihren Anfängen, nach einer nicht zu Stande gekommenen Platten-Kollaboration mit Virgin, einfach mal bei der Jugendzeitung BRAVO einfielen, um dort einen Song zu Spielen. Was eine Fotostrecke samt Bericht mit sich zog. Hämpy zeigte an der Gitarre, dass seine Punkriffs auch nach Jahrzehnten nichts von ihrem Biss verloren haben und O-Lee zupfte die Saiten so cool wie eh und je.
Ob Die Schröders nach diesem Auftritt bald wieder die Republik bespaßen, bleibt abzuwarten. Aber zu hoffen! Fest steht: Wer in Braunschweig dabei war, hat ein echtes Stück Musikgeschichte erlebt – laut, schweißtreibend, emotional und garantiert mit Ohrwurmgarantie bis Montagmorgen. Die Schröders live sind wie ein gutes Wolters: erfrischend ehrlich, ein bisschen herb, geht immer. Punk lebt – zumindest hier bei uns zu Hause. Prost!