Der Häuptling des Funk ist zurück: Jamiroquai live in Hamburg


(Bild: stagr / Axel Schilling)

Am Dienstagabend spielte die legendäre Future-Funk-Band Jamiroquai in der Hamburger Barclaycard Arena. Sänger Jay Kay – genau, der mit dem Indianer-Kopfschmuck – sang und tanzte gut gelaunt durch 27 Jahre Bandgeschichte.

Gibt es was Schöneres als ein Konzert am Dienstagabend? Na klar, ein Konzert am Mittwoch-, Donnerstag-, Freitag-, Samstag-, oder Sonntagabend. Die Woche ist nicht mal halb rum, außerdem muss man am nächsten Morgen arbeiten. Keine guten Voraussetzungen für einen Konzertabend. Doch wenn einer dafür sorgen kann, dass die Menschen Dienstagabend feiern als wäre es Samstagnacht, dann Jamiroquai.

Aber fangen wir vorne an. Es ist 19:00 Uhr, als Fotograf Axel und ich die Barclaycard Arena betreten. Als wir an die Bierschlange anstellen, hören wir aus dem Innenraum bereits ein lautes Wummern: ein House-DJ legt auf. Wer das war? Keine Ahnung. Aber er muss bekannt sein, wenn er mit einer so legendären Band wie Jamiroquai auf Tour ist. Legendär. Das hört sich so an, als würde man nur noch von alten Erfolgen zehren. Wie es heute wohl wird? Einerseits bin ich Fan und dementsprechend unkritisch. Ich will heute einfach nur alles gut finden. Andererseits bin ich Fan und dementsprechend kritisch. Ich will, dass der Mann mit Hut immer noch mit so viel Energie performt und die riesige Band alles gibt. Und das aus Leidenschaft, nicht weil Jay die Cosmic-Girl-Kohle für Sportwagen verballert hat. Alleine die Benzinkosten!

Also, warum ist Jamiroquai auf Tour? Um sein aktuelles Album zu promoten (das eigentlich schon von 2017 ist): „Automaton“. Doch die 8.000 Fans sind natürlich für die alten Hits in die Barclaycard Arena gekommen. Ich bin hier anscheinend nicht der einzige, den „Cosmic Girl“ und „Virtual Insanity“ durch die Jugend begleitet haben: das Durchschnittsalter im Publikum müsste Ü40 sein, den vielen grauen Haaren (unter anderem meine) nach zu urteilen. Während Axel zum Fotograben schlendert, gehe ich in den unteren Rang. Als ich mich in den Reihen umschaue, sehe ich viele pastellfarbene Karohemden, Funktionsjacken, über die Schultern geworfene Kaschmirpullover. Neben mir siezen sich zwei Fans. Bisschen spießig. Wo sind denn die Trainingsjacken und Band-Shirts?

Gegen 20:30 wird es plötzlich dunkel und eine Animation startet auf der Wand hinter der Bühne. Es geht um Zukunft, Robotik, Umwelt, typische Jamiroquai-Themen halt. Kurze Zeit später kommt dann die Band ohne viel Brimborium auf die Bühne: sieben Musiker und drei Background-Sängerinnen, gefolgt vom Spacecowboy himself: Frontman Jay Kay. Er trägt den leuchtenden Kopfschmuck, den man schon vom Automaton-Album kennt. Sieht ein bisschen aus wie ein Electro-Stachelschwein. Ein pummeliges Stachelschwein, um genau zu sein: Sänger Jay Kay trägt mittlerweile einen kleinen großen Bierbauch unter der Trainingsjacke. Nicht schlimm, wir waren alle mal jünger und fitter, was auch dem gut gelaunte Jay im Laufe des Abends öfter auffällt: „These Songs are easier to sing when you‘re 23!“ Der dünne Junge mit Hut ist mittlerweile nämlich 49 Jahre alt. Seiner Stimme merkt man das nicht an: Er singt vom ersten bis zum letzten Song so jung und frisch, wie man es von damals kennt. Mal ehrlich, das hört sich schon fast zu perfekt an. Vielleicht liegt es an den Background-Sängerinnen, die jede Zeile mitsingen und Jays Gesang auffüllen.

Der erste Song des Abends: „Shake It On“ vom Automaton-Album. Der gute, alte Jamiroquai-Sound, nur etwas kraftwerkiger. Zur spektakulären Bühnenbeleuchtung, die aussieht, als würde man in einem gepimpten Gamer-PC sitzen, singt und tanzt Jay über die gesamte Breite der Bühne. Die alten Dance-Moves hat er noch drauf, wenn auch nicht so explosiv wie damals. Schon jetzt hält es das Publikum nicht mehr auf den Sitzen: links und rechts stehen die Funktionsjacken-Träger auf, um die steifen Hüften zu schunkeln. Es folgte ein fließender Übergang zum Song „Little L“ vom Album „A Funk Odyssee“. Okay, jetzt hat er mich auch. Meine Coolness verpufft und ich stehe auf, um mitzutanzen und euphorisch „Why does it have to be like this? I can never tell!“ zu singen. Jay bedankt sich mit einem „Dankeschön!“ und spielt als nächstes „Use The Force“, den funky Song, der im Refrain so schön düster wird, gefolgt vom Disco-Kracher „Main Vein“. Was mir gut gefällt: Die Band wird den ganzen Abend die Songs schön laaaaange ausspielen, immer wieder Solos spielen oder einfach mal ein paar Takte rumjammren. Das macht die Songs komplex und abwechslungsreich: es geht rauf und runter, als würde man auf einem weich gepolsterten Sofa in einer Achterbahn sitzen.

Weiter geht’s: „This song is from 1995!“ Wirklich? „No, it’s from 1997! The NEXT song is from 1995.“ Jetzt spielt die Band diese mysteriösen, groovigen Klänge, für die Jamiroquai von den Kiffern dieser Welt geliebt wurde, und lässt sie dann im Song „Alright“ münden. Unten im Publikum tanzt ein Paar dazu Disco Fox. Naja, jeder wie er will. Im weiteren Verlauf des Abends spielt Jamiroquai all die Lieder, auf die wir gewartet haben: „Space Cowboy“, das chillige „Corner Of The Earth“, „Travellig Without Moving“, „Virtual Insanity“ und und und. Als Jay zur Band sagt „I’m ready for this …“ und dann „She’s cosmic …“ ins Mikro flüstert, flippt die Halle dann komplett aus: „Cosmic Girl“, endlich!

Aber das war nicht der letzte Höhepunkt des Abends. Es gab nämlich noch eine Zugabe: „Deeper Underground“. Jetzt müsste wirklich der letzte Fan im Publikum glücklich sein. Heute hat Jamiroquai nochmal allen gezeigt, dass der Funk-Häuptling zurück ist. War er eigentlich je weg?