Clawfinger in Hamburg oder „Dürfen weiße das N-Wort benutzen?“


Clawfinger Hamburg 2018 / Clawfinger Tour 2018 /
(Bild: stagr / Mark Carstens)

Normalerweise würde dieser Artikel wohl mit einer Location-Beschreibung anfangen, wie z. B. “Samstagabend, das ausverkaufte  Grünspan ist brechend voll und es ist mal wieder so stickig und heiß wie in einer Sauna”. Stattdessen möchte ich ein Missverständnis aus dem Weg räumen, auf das ich neulich angesprochen wurde: Clawfinger ist keine rassistische Band. Ja, die allererste Single von Clawfinger hieß “Nigger” und deren Refrain lautet “Nigger Nigger Nigger Nigger Nigger, You’re the real Niggers”. Natürlich gab es selbst in den 90en, als der Song rauskam – und als Süßigkeiten noch Negerkuss und Mohrenkopf heißen durften – schon einen großen Aufschrei und Rassismus-Vorwürfe gegen die Band.

Aber Letztendlich muss man nur etwas genauer Hinhören um zu erkennen, dass Clawfinger keine “Nazi-Band” ist. Denn der Song “Nigger” kritisiert die 90er-Jahre-Hip-Hop-Kultur, in der das Wort “Nigger” von den damaligen Gangster-Rappern nahezu inflationär in fast allen Liedtexten eingesetzt wurde. Auch wegen der anfänglichen Missverständnisse tritt Clawfinger immer wieder deutlich (und sehr glaubwürdig) gegen Gewalt und Diskrimierung ein. Aber genug davon, kommen wir zur Musik.

apRon

Dank eines Stellwerkfehlers der S-Bahn Hamburg verpasse ich leider die ersten Songs von apRon. Was sehr schade ist, denn die “Alternative CrossConfettiCoreOver”-Band (Zitat vom Sänger Till) aus München macht vor allem live sehr viel Spaß. Textlich sind ApRon eindeutig gesellschaftskritischer Deutsch-Punk. Songs wie “Ponyhof” und “Gläserner Mensch” kritisieren Themen wie Gentrifizierung und mangelnden Datenschutz in der modernen Gesellschaft. Musikalisch schöpft die Band aus der vollen Bandbreite, die man gerade noch so unter “Metal Core” zusammenfassen könnte: Eingängige Melodien und Gesänge die einen als Ohrwurm tagelang verfolgen – allen voran “Mensch aus Glas” – da wechseln sich Bassdrum-Maschingewehrfeuer und hartes Growling ab. Eine halbe Stunde als Vorband ist für diese vielseitigen Musiker aus München viel zu kurz und ich freue mich schon auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen.

Clawfinger

Clawfinger ist “Crossover Rap Metal”. Und das seit 25 Jahren. Wenn man ganz ehrlich ist, hat sich der Stil von Clawfinger in den letzten 25 Jahren eigentlich gar nicht verändert. Das stört aber offenbar niemanden, denn das Grünspan ist zur “25 years of Deaf Dumb Blind” Tour ausverkauft und 1.500 Besucher drängen sich vor die Bühne oder oben auf der Galerie um den Schweden dabei zuzusehen und zuzuhören, wie sie ihr erstes Album live aufführen … und noch ein paar Bonus-Tracks aus der 25-jährigen Bandgeschichte.

Die ersten 10 Tracks werden genau in der Reihenfolge wie auf dem Album gespielt, was bedeutet dass die erste Single “Nigger” der Eröffnungs-Song ist. Frontmann Zakk schreit ins Mikro, Bassist André wirbelt seine knielange Locken-Matte im Kreis während seine Finger über die Bass-Saiten fliegen, und Drummer Micke prügelt auf das Drumset ein dass man denk er braucht nach der ersten Set gleich ein neues. Etwas farblos bleibt Bård an der Gitarre, sowohl was Bühnenpräsenz als auch was sein Instrument angeht. Denn bei Clawfinger geht es um harte Beats und scharf gerappte, bissige texte, nicht um melodische Gitarren-Singles. Auch wenn man die Schweden oft mit Rage Against the Machine vergleich, so fehlt ihnen ein Gitarren-Virtuose wie Tom Morello. im Line-Up.

Kompensiert wird das ganze durch rohe Power, die das Publikum mitreißt und einen simplen, trotzdem unverwechselbaren Stil prägt, der zu zahlreichen Erfolgreichen “Remix by Clawfinger” Hits von Band-Größen wie Krupps, In Extremo und Rammstein führten. Heute Abend verzichtet die Band auf Remixes und bleibt sich treu: Bei “Catch me” springt Zak wie es sich gehört ins Publikum um zu Crowdsurfen, und nach den 10 Tracks von von Deaf Dumb Blind” folgen weitere Singles und Hits aus der Bandgeschichte, bis sich nach der Zugabe Band und Publikum völlig verschwitzt und ausgepowert voneinander verabschieden um ins samstägliche Nachtleben zu entschwinden.