Bülent Ceylan in Hannover – Endlich wieder gemeinsam mit anderen lachen


Bülent Ceylan in Hannover / Bülent Ceylan Autokultur Hannover
Am Mittwochabend, den 13. Mai 2020, trat Comedian Bülent Ceylan bei der Autokultur in Hannover auf. (Bild: stagr / Cynthia Theisinger)

In einer Zeit, in der Social Distancing, neue Technologien und agile Konzepte den Alltag prägen, ist es sinnvoll, auch einen Blick nach hinten zu werfen. Nicht nur, weil gilt: „Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“, sondern auch, weil alt nicht gleich schlecht ist. Durch die Kombination vom alten Konzept des Autokinos – nein, ohne Rollschuhe und all die anderen Klischees – und neuen Technologien wie Video-Leinwänden, Twitter und Co., lassen sich die Hannoveraner auch in der Krise nicht davon abhalten, Kultur live zu erleben. Und so entsteht auf dem Schützenplatz Hannover ein Ort der Autokultur für gut 1.000 Autos besetzt mit je bis zu 2 Personen.

Der Einlass verläuft zügig und problemlos durch ein ausgeklügeltes System – keine langen Wartezeiten und komplett kontaktlos – hier geht alles so professionell von der Bühne, dass man kaum glauben mag, das es nur eine improvisierte Lösung aufgrund der momentanen, coronabedingten Lage ist. So stehen die Autos bald aufgereiht vor der Bühne. Ausgerüstet mit Bier, Pizza, Chips und anderen Köstlichkeiten (leider gibt es hier nichts käuflich zu erwerben, es gilt Selbstverpflegung) wird gewartet, dass es losgeht. Überall auf dem Platz sind zusätzlich Leinwände angebracht, so dass man auch aus der hintersten Ecke eine gute Sicht hat. Von der über 3 Meter hohen Bühne aus winkt pünktlich Bülent Ceylan den gut 500 Autos zu, die sich am Mittwochabend, den 13. Mai 2020 eingefunden haben.

Mit gut 22 Jahren Bühnenerfahrung aus dem Bereich Comedy gehört der Deutschtürke schon mit zu den Urgesteinen, aber nie hat er sich so alt gefühlt wie jetzt. So kann er doch nachvollziehen, wie sich Beethoven in seinen letzten Jahren gefühlt haben muss. Wenn er einen Witz erzählt, sieht er zwar die Menschen lauthals lachen (“oh guck mal die sterben hier vorn – gut für euch da hinten, dann könnt ihr aufrücken”), aber wirklich hören tut er sie nicht, außer einem gelegentlichen Hupen trotz Hupverbot. Auch wenn das akustische Feedback schwierig bleibt: das Optische hat umso mehr zu bieten. Statt Lachern und Applaus gibt es bei den Fahrzeugen einen kompletten Funktionscheck der Lichtanlage: Blinker – Check, Warnblinker – Check, Lichthupe – Check, Discokugel – Moment …

Aber nicht nur was die äußeren Umstände angeht ist es ein ganz einzigartiges Programm, was hier geboten wird. Kultur ist seit jeher ein Mittel, Vergangenheit und Aktuelles zu verarbeiten und so finden heute Autos, Social Distancing und andere aktuelle Ereignisse genauso Einzug ins Programm – “Ihr kommt mit dem Auto und der Türke ist ohne Auto da”. Gleiches gilt natürlich auch den altbekannte Figuren sowie auch brandneuen aus dem aktuellem Bühnenprogramm „Luschtobjekt“. Da findet man unter anderem Mompfred, Hassan, Thor oder Anneliese (unverkennbar mit Leopard und hohem quietschen beim Sprechen) wieder – jeweils durch einen kleinen “Outfitwechsel” und Wechsel der Stimmlage/Art zu sprechen zu erkennen. Komisch nur, das Mompfred und Annelise dieses mal mit Hassans Kamm zu sehen war. Zwischendurch filmt Bülent seine Zuschauer durch die Windschutzscheiben und kommentiert entsprechend – spätestens jetzt hat man sich zum ersten Mal am mitgebrachten Kaltgetränk verschluckt. So lacht sich das Publikum durch gut 90 Minuten Show – ein Segen nach wochenlanger Langeweile am Abend nach dem Home Ofice.

Nach dem Ende der eigentlichen Show von Bülent Ceylan macht er noch Platz für die zweite Show des Abends – den Engel aus “The masked Singer”, der uns mit einem Mix aus verschiedenen Musikrichtungen von Softrock bis Metal den Abend versüßt. Bis schlußendlich doch unter lautstarkem Gehupe – akustisch und visuell –und Geblinke auch dieser sich von der Bühne verabschiedet. Insgesamt gut zwei Stunden volles Programm – das kann sich definitiv sehen lassen.

Man merkt mittlerweile deutlich, wie wichtig den Menschen die Kultur ist – wie sehr das gemeinsame Lachen fehlt. An diesem Mittwochabend wird zumindest ein Teil davon getröstet – denn trotz optischem Abstand – ein Gemeinschaftsgefühl entsteht auch, wenn man dem Nachbarn rüberwinkt oder feststellt, das dieser gerade genauso an seinem Lachen erstickt, wie man selbst.

Ohne nervige Schlange an der Garderobe oder der ernüchternde Wanderung zum Parkplatz verteilen sich dann auch zügig und gesittet die Autos in der Dunkelheit auf die leeren Straßen der Landeshauptstadt. Heute geht es ganz ohne vollgestopfte Straßenbahnen zurück ins heimische Wohnzimmer. Es sind noch viele weitere Events geplant – wir waren heute auf keinen Fall das einzige Mal da.