Samstag, 5. Juli 2025, Heinz von Heiden Arena, Hannover – angenehme 25 Grad und Wolken. Wenn eine Band ihr 60-jähriges Bestehen feiert und dabei auf ihrer „60th Anniversary – Coming Home“-Tour genau in der Stadt spielt, in der sie einst gegründet wurde, dann darf man mehr als ein Konzert erwarten. Man bekommt ein musikalisches Heimspiel der Superlative, ein generationsübergreifendes Rockepos mit Legendenstatus.
Doch bevor die Scorpions die Bühne in ihrer Heimatstadt Hannover enterten, wurden knapp 45.000 Zuschauer auf würdigste Weise in den Nachmittag geworfen – nicht warmgespielt, sondern direkt angeflammt, elektrisiert und mit ordentlich Kajal ins Wochenende gelassen.
Rosy Vista
Wer früh in Stadion kam, wurde belohnt – denn Rosy Vista legten als Opener für die Scorpions ein furioses Rockbrett hin, das zeigte: Frauenpower aus Hannover lebt und brennt. Die erste deutsche Hardrock-Girlband, gegründet in den 80ern, bewies mit Klassikern wie “Rockin’ Through the Night” und neuem Material, dass sie weder Staub angesetzt noch an Schärfe verloren hat. Frontfrau Andrea Schwarz sang mit einer Mischung aus Reibeisen und Rockröhre, während Gitarristin Anca Graterol messerscharfe Riffs feuerte, die jedem Headliner zur Ehre gereicht hätten. Das Set war kurz, aber pointiert – irgendwo zwischen Nostalgie, Attitüde und ehrlichem Rock’n’Roll. Die Resonanz im Stadion: laut, herzlich und voller Respekt. Ein Heimspiel, das nicht warm machte, sondern von Null auf Hundert zündete.
Bülent Ceylan
Wer dachte, ein Comedian im Vorprogramm einer Rocklegende sei ein Wagnis, der wurde von Bülent Ceylan eines Besseren belehrt – und zwar mit einer Pointen-Druckwelle, die selbst den Bassboxen Konkurrenz machte. Mit seiner typischen Mischung aus Mannheimer Dialekt, Metal-Liebe und scharfem Alltagswitz brachte er die Heinz von Heiden Arena zum Lachen, bevor auch nur ein Gitarrenriff erklang. Besonders seine Parodien auf Headbanger-Klischees und Festival-Erlebnisse trafen beim Scorpions-Publikum voll ins Schwarze. Ceylan bewies, dass Humor und Heavy Metal nicht nur koexistieren, sondern sich sogar gegenseitig beflügeln können. Statt Aufwärm-Act gab’s eine halbe Stunde Vollgas-Kabarett mit Headbang-Garantie. Fazit: Comedy im Rock-Setting? Wenn’s Bülent macht – absolut.
Alice Cooper: Der Godfather des Shock Rock ließ die Puppen tanzen
Den Auftakt machte niemand Geringeres als Alice Cooper, der auch mit 77 Jahren noch so frisch wirkt wie eine Halloween-Dekoration aus den 70ern – aber mit deutlich besserem Sound. Seine Musik? Eine spektakuläre Mischung aus Hardrock, Theatralik und morbidem Glam. Klassiker wie „School’s Out“, „Poison“ oder „No More Mr. Nice Guy“ wurden mit der für Cooper typischen Mischung aus Horror-Revue und Rockshow inszeniert – mit Guillotine, Zombie-Ballerinas und Make-up, das selbst Marilyn Manson Respekt einflößen dürfte.
Seine Liveband? Tight wie ein 80er-Lederhosen-Outfit. Sein Auftritt? Eine Rock’n’Roll-Wunderkammer zwischen Broadway und B-Movie. Der perfekte Einstieg in einen Abend, der von Anfang an klar machte: Hier geht’s nicht um Nostalgie, hier geht’s ums Feiern eines Genres.
Judas Priest: Metal-Götter in Bestform
Danach wurde’s laut, britisch und messerscharf: Judas Priest, seit über 50 Jahren auf der Bühne, kamen, um zu herrschen – und zwar mit eiserner Faust und Stahlsound. Mit Frontmann Rob Halford, der auch mit 73 noch mühelos zwischen Opern-Tenor und Höllenschrei wechselt, Gitarrenlegenden Richie Faulkner und Andy Sneap, sowie Bass-Urgestein Ian Hill feuerten die Metal-Veteranen eine Show ab, die selbst die Nieten an der Lederjacke zum Schmelzen brachte.
Songs wie „Breaking the Law“, „Painkiller“, „You’ve Got Another Thing Comin’“ oder das unvermeidliche „Hell Bent for Leather“ wurden mit der Präzision eines Schmiedehammers in die Arena gewuchtet – und dabei wirkte nichts alt, alles hochenergetisch. Judas Priest lieferten eine Machtdemonstration, wie Metal auch 2025 noch relevant, roh und königlich klingen kann.
Scorpions: Heimspiel mit Hymnen, Herz und Härte
Und dann: Licht aus, Sirenen an, Gitarren auf Anschlag. Die Scorpions betraten die Bühne und machten vom ersten Ton an klar, dass diese „Coming Home“-Show mehr ist als ein Nostalgietrip. Sie ist ein Statement.
Seit ihrer Gründung 1965 in Hannover haben die Scorpions über 100 Millionen Tonträger verkauft, sich mit Songs wie „Rock You Like a Hurricane“, „Still Loving You“, „Big City Nights“ und natürlich „Wind of Change“ in die DNA der Rockgeschichte geschrieben – als erste globale deutsche Rockband. Und live klingen sie 2025 kein Stück müde.
Klaus Meine (76, Stimme wie eh und je), Rudolf Schenker (Gitarrendynamo mit Trademark-Flying-V), Matthias Jabs (Meister der melodischen Licks), Pawel Mąciwoda (am Bass) und Mikkey Dee (Ex-Motörhead, jetzt Drum-Tornado) zeigten Hannover, was passiert, wenn man Jahrzehnte Bühnenerfahrung mit echter Spielfreude kombiniert.
Das aktuelle Album „Rock Believer“ (2022) wurde ebenso gefeiert wie die Klassiker – besonders „Peacemaker“ zeigte, dass die Scorpions auch im neuen Jahrtausend frisch, heavy und relevant bleiben. Die Setlist? Ein Hitfeuerwerk mit Gänsehaut-Garantie. Die Show? Licht, Pyro, Emotion – alles auf Maximum.
Drei Legenden, eine Bühne, null Kompromisse
Dieses Konzert war kein Rückblick – es war ein Denkmal in Echtzeit. Alice Cooper brachte den Wahnsinn, Judas Priest das Feuer, die Scorpions das Herz. Es war ein Abend, bei dem Lederjacken, Tränen, Pommesgabeln und Stadionchöre friedlich koexistierten. Wer da war, hat Rockgeschichte gespürt. Wer’s verpasst hat: Besser jetzt schon für die 70-Jahre-Tour vormerken. Wer weiß – bei der Energie dieser Bands würde es niemanden wundern.





















































































































































