Wave-Gotik-Treffen 2019: Die schwarze Konstante


Wave Gotik Treffen 2019
So war die beliebte der 28. Ausgabe vom Wave Gotik Treffen 2019 in Leipzig. (Bild: stagr / Katja Wisotzki)

Wave-gotik-treffen 2019 – sonntag

Der Sonntag hat sich als Metal-Tag im Felsenkeller etabliert, weshalb wir auch in diesem Jahr den Großteil des Tages dort verbringen wollten. Zumal das Metal-Angebot diesmal im Vergleich zu den vergangenen Jahren ziemlich dürftig war. Konnte man auf den vergangenen WGTs durchaus jeden Tag auf mehrere entsprechende Konzerte gehen und somit auch bedenkenlos als reiner Metaller das Festival besuchen, war das Angebot diesmal eher ernüchternd. Wenn man sich zusätzlich noch vor Augen hält, dass drei der fünf Bands im Felsenkeller ohnehin gerade gemeinsam auf großer Europatour sind, ist man als langjähriger Besucher schon etwas enttäuscht. Aber sei’s drum – hoffen wir einfach, dass der Metalbereich im nächsten Jahr wieder etwas mehr Aufmerksamkeit erfährt.

Das vermeintlich schwere Los als erste Band des Tages am Nachmittag zu starten, erwischten THY ANTICHRIST. Die zu 3/4 US-amerikanische Band mit dem kolumbianischen Frontmann Antichrist 666 existiert zwar schon seit über 20 Jahren, hat es aber nun als Tour-Support von CARACH ANGREN und WOLFHEART erstmals auf europäischen Boden geschafft. Schade, wären sie doch schon eher mal vorbeigekommen! Denn was die Band hier ablieferte, war nichts weniger als ein kompletter Abriss, der die Messlatte für die nachfolgenden Acts extrem hoch ansetzte. Die saftige Mischung aus Black und Thrash Metal wurde dem Publikum roh und rasant um die Ohren geballert, doch immer wieder mischten sich groovige Riffs und verspielte Soli unter die Knüppelorgie. Frontmann Antichrist 666 gewann zwar keinen Preis für den besten Namen, wohl aber für die beste Rampensau-Perfomance. Er keifte, bellte und brüllte sich offenbar so eindringlich durch die Songs, dass die Leute von draußen hereinströmten und den zunächst nur spärlich gefüllten Felsenkeller nach und nach füllten. Und obwohl wahrscheinlich kaum jemand die Lieder von THY ANTICHRIST kannte, wurde im Publikum gebangt und gejubelt was das Zeug hielt. Das nenne ich mal eine Europa-Premiere nach Maß!

Die folgenden WOLFHEART hatten dann einen etwas schwereren Stand nach solch einem Auftakt. Aber die Finnen machten das Beste daraus. Auf stolze fünf Alben hat es die Band innerhalb von fünf Jahren gebracht, entsprechend viel darbietungsreifes Material hat sich in dieser Zeit angesammelt. Mit epischen Songs, die sich durch ein Dickicht aus Melodic-Death, doomigen Passagen und rasenden Pagan Metal wühlten, konnten WOLFHEART die WGT-Besucher für sich begeistern. Die typische Melancholie, die irgendwie fast jeder Band aus Finnland innewohnt, schimmerte auch hier immer wieder durch.

Die Symphonic Black Metaller von CARACH ANGREN kehrten dorthin zurück, wo wir sie 2016 kennen- und lieben gelernt haben: aufs WGT in den Felsenkeller. Die Holländer werden ja oft mit CRADLE OF FILTH verglichen, wobei musikalisch doch recht deutliche Unterschiede vorhanden sind. Frappierende Ähnlichkeit herrscht allerdings zwischen CARACH ANGREN-Frontmann Dennis „Seregor“ Droomers und Dani Filth, zumindest in Sachen Bewegungsdrang. Denn beide sind hyperaktive Hüpfteufelchen, die keine Sekunde stillstehen und den gesamten Bühnenraum beackern. Mit ihren vertonten Horror-Geschichten schufen CARACH ANGREN eine wohlig-schaurige Atmosphäre, die voller dramatischer Höhepunkte, leisen bedrohlichen Passagen und finsteren Ausbrüchen war. Seregor flüsterte, keifte, schrie und sang sich rasant durch die Songs und man fragte sich, wo der Kerl bei dem ganzen Gespringe überhaupt die Luft hernimmt.

Besonders gespannt waren wir auf Batushka, den vorletzten Act des Abends. Für alle, die das Drama in den letzten Monaten nicht mitbekommen haben, hier die Kurzversion: Gitarrist Krzysztof “Derph” Drabikowski und Sänger Bartłomiej Krysiuk haben sich vor gut einem halben Jahr zerstritten, sind aber beide der Ansicht, die Hoheit über den Bandnamen zu besitzen. Mit dem Fall sind gerade die polnischen Gerichte befasst, so dass derzeit zwei Versionen von Batushka existieren, die auch beide schon neue Songs herausgebracht haben. An diesem Abend gab sich Krysiuks Version von Batushka die Ehre. Eine aufwendige Kulisse aus orthodoxen Kirchenmodellen und dutzenden Kerzen, die im Laufe des Intros von zwei verhüllten Ordensbrüdern angezündet wurden, sorgten für die passende Atmosphäre der folgenden “Schwarzen Messe”. Der Auftritt verdeutlichte relativ schnell, warum sich Batushka innerhalb kürzester Zeit zum Geheimtipp entwickelt hatten. Ihr osteuropäisch geprägter Black Metal, der insbesondere durch die opulenten Chöre glänzt, zog das Publikum spürbar in den Bann. Bei uns war der Bann leider nicht groß genug, um die mittlerweile unerträgliche Hitze und stickige Luft im Felsenkeller zu ignorieren, so dass wir nach nicht einmal einer halben Stunde die Flucht in den angrenzenden Biergarten antraten.

Das waren natürlich keine guten Vorzeichen für den Headliner Cradel of Filth. Live sind die Briten um Mastermind eine sichere Bank, doch was nützt es, wenn man kaum etwas sieht, weil die Brille aufgrund der Sauna-artigen Verhältnisse ständig beschlägt? Aufgrund der Bekanntheit der Band kam es recht zu schnell einen Einlass-Stop, der aber wieder aufgehoben wurde, weil zahlreiche aufs Konzert wartende Besucher nach Luft ringend wieder ins Freie stürmten. So konnten wir wenigstens ein paar Bilder machen, allerdings immer Gefahr laufend, im Schweiße der anderen WGT-Fotografen im Graben auszurutschen. Schade, der Felsenkeller ist eine sehr schöne Location, aber von der Belüftung eine absolute Katastrophe.

Eigentlich hatten wir uns auf die nach Konzertende stattfindende Metal-Party mit DJ Kermit im Naumanns gefreut, denn die war im letzten Jahr ein absoluter Volltreffer. Leider hatten die Veranstalter in den großen Naumanns-Floor eine Gothic-Party gepackt und DJ Kermit kurzerhand auf einen obskuren zweiten Floor verbannt, der eigentlich nicht mehr als eine 20 Quadratmeter kleine Abstellkammer war. Logischerweise wollte trotz einer klasse Songauswahl keine richtige Stimmung aufkommen, so dass wir dann doch lieber den Heimweg antraten. Hoffen wir, dass der Metal-Tag im Felsenkeller im kommenden Jahr einen würdigeren Abschluss erfährt.

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