Wave-Gotik-Treffen 2019: Die schwarze Konstante


Wave Gotik Treffen 2019
So war die beliebte der 28. Ausgabe vom Wave Gotik Treffen 2019 in Leipzig. (Bild: stagr / Katja Wisotzki)

Wave-gotik-treffen 2019 – Samstag

Auf einem Festival ist es natürlich unerlässlich, möglichst früh auf seinen Hopfenspiegel zu achten. Deshalb startete der Samstag in der Getränkefeinkost Leipzig, einem extrem gut sortierten Geschäft für Bier, Spirituosen und Limonaden. Da man sein Getränk dort auch gemütlich am Tisch vor Ort zu sich nehmen kann, entwickelt man durchaus schnell Sitzfleisch. Trotzdem schafften wir es, uns rechtzeitig auf den Weg zum Volkspalast zu machen.

Dort wurde von uns mit Spannung der Auftritt von Goethes Erben erwartet – einer von insgesamt drei auf dem diesjährigen WGT, denn am Sonntag sollten noch zwei Kammerkonzerte im Schauspielhaus folgen. Goethes Erben haben die deutsche Gothic-Szene maßgeblich geprägt und heben sich seit ihren Anfängen vor fast 30 Jahren noch immer aufgrund des intellektuellen Niveaus von Texten und Inszenierung vom Gros der Szene ab. Das bewiesen sie einmal mehr mit ihrem 2018er Release “Am Abgrund” – dem ersten Album nach 13 Jahren und das sie im ersten Teil des Konzerts in voller Länge spielten. Der Auftritt glich dabei einer Theaterinszenierung, wodurch die auf dem Album sehr präsenten politischen und gesellschaftskritischen Aussagen als Abgesang auf die Menschheit noch stärker in den Vordergrund rückten. Die aufwendige Show mit Leinwänden, Projektionen und Kunstblut unterstrich die bedrückende Atmosphäre hervorragend. Oswald Henke sang und sprach sich förmlich in eine Rage, gegen die seine Darbietung auf dem Tonträger fast schon zahm wirkte. Nach einer kurzen Umbaupause gab die Band noch zehn Klassiker aus der Bandgeschichte zum Besten, darunter “Vermisster Traum”, “Zinnsoldaten”, “Nichts bleibt wie es war”, “Die Brut” und “Mensch sein”. Ein großartiger Auftritt und definitiv eines der Highlights in diesem Jahr.

Als alte WGT-Hasen meiden wir normalerweise das Heidnische Dorf wie der Teufel das Weihwasser. Zu viele Leute, zu viel Wetter (entweder zu warm oder zu kalt), zu lange Schlangen, zu teure Toiletten… Aber was, wenn eine wirklich tolle Band dort spielt? Vor zwei Jahren waren wir vom WGT-Debüt der sibirischen Black-Metaller WELICORUSS dermaßen begeistert, dass wir sie uns dieses Mal ebenfalls nicht entgehen lassen wollten. Die Schlange vor dem Dorf war lang, es ging aber flink vorwärts und wir fanden noch einen schönen Platz am Rande der ersten Reihe. Die Bühne spendete Schatten, es wehte ein laues Lüftchen – so ließ es sich gut aushalten. Das Publikum war zu Anfang etwas skeptisch, spätestens bei “Slava Rusi” wurden jedoch alle mitgerissen, Trinkhörner und Haare wurden im Rhythmus geschwungen. Der starke Auftritt endete mit „Sons of the North“, anschließend wurde der Merch-Stand vom begeisterten Publikum gestürmt.

Es gibt so Sachen auf dem Wave Gotik Treffen, von denen weiß man, dass es sie schon viele Jahre gibt, aber man kommt einfach nie dazu, sich das anzuschauen. Damit meinen wir nicht den Stricknachmittag für Schwarz-Romantiker, dafür fühlen wir uns dann doch noch etwas zu jung. Rein zufällig haben wir den Sammelpunkt der individuell und liebevoll restaurierten Gefährte vom alljährlichen Leichenwagentreff am Hauptbahnhof entdeckt und konnten so die Abfahrt im Konvoi zum Südfriedhof beobachten. Fazit: Das Motto des Treffens „Viva la muerte. In Würde leben, mit Würde sterben. Für den Erhalt zeremonieller Bestattungswagen und andächtiger Friedhöfe.“ trifft voll ins Schwarze, denn man sieht die Leidenschaft und Liebe zum Detail, die in jedes dieser Fahrzeuge gesteckt worden ist.

Wie am ersten WGT-Tag zog es uns am Abend wieder ins Täubchenthal. Die britischen Pagan-Rocker von INKUBUS SUKKUBUS feiern in diesem Jahr 30-jähriges Bestehen – und wo lässt sich das besser zelebrieren als auf dem WGT? Dachten sich Sängerin Candia Ridley und ihre Bandkollegen offenbar auch, packten eine ganze Menge Klassiker ein und machten sich auf den Weg nach Leipzig. Vom ersten Ton an nahm Ridley die Bühne in Beschlag und hatte das Publikum fortan fest in der Hand. Die Band rockte sich durch nahezu ihre gesamte Bandgeschichte mit Songs wie “Vampire Queen”, dem großartigen “Paint it black”-Cover, “Vampyre Erotica”, “Belladona & Aconite” und natürlich “Heart of Lilith”. INKUBUS SUKKUBUS haben auf dem WGT 2019 eindrucksvoll bewiesen, dass sie alles andere als zum alten Eisen gehören.

Altes Eisen wäre dann auch das Stichwort für unser letztes Konzert des Abends im Felsenkeller. JOACHIM WITT, der in diesem Jahr stolze 70 Jahre alt wurde, ist seit seinem Richtungswechsel in zur Neuen Deutschen Härte Ende der 90er Jahre ein gern gesehener Stammgast auf dem WGT. Entsprechend voll (und tropisch) war die Hütte. Als der inzwischen komplett ergraute und mit langem Rauschebart ausgestattete Witt die Bühne betrat, brandete ihm schon frenetischer Jubel entgegen. Dieser sollte auch im Verlauf des Auftritts nicht abebben, der hauptsächlich durch die düstere Schaffensphase des ehemaligen NDW-Recken führte. Der “Goldene Reiter” durfte in den Zugaben trotzdem nicht fehlen, ebenso wenig “Die Flut”, die ihm seinerzeit kommerziell einen zweiten Frühling bescherte. Den dritten erlebte er auf dem diesjährigen WGT, auch wenn er zu bedenken gab: “Schön dass ihr hier seid. Und ich auch – wer weiß wie lange noch.” Aber ganz ehrlich: Nach solch einem starken Auftritt muss man sich aktuell wahrscheinlich keine Sorgen machen und darf sich auf das nächste WGT-Konzert in ein paar Jahren freuen.

Zum Abschluss statteten wir dem Studentenclub “StuK” einen Besuch ab, der in diesem Jahr zum ersten Mal im Rahmen des WGT dabei war. Dort konnte man entweder im ersten Floor einer Lovecraft-Lesung beiwohnen oder im zweiten Floor zur “Noir Classique”-Party. Wir entschieden uns für letztere und ließen den Abend bei einer gelungen Mischung von BEHEMOTH bis GOETHES ERBEN ausklingen. Die Location macht auf jeden Fall Lust auf mehr – hoffentlich ist sie nächstes Jahr wieder dabei.

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