Wave-Gotik-Treffen 2019: Die schwarze Konstante


Wave Gotik Treffen 2019
So war die beliebte der 28. Ausgabe vom Wave Gotik Treffen 2019 in Leipzig. (Bild: stagr / Katja Wisotzki)

Das Weltgeschehen wird gefühlt immer chaotischer und unberechenbarer – das fängt beim aktuellen US-Präsidenten an und hört beim Klima auf. Da freut man sich doch über jeden Ankerpunkt, der in Zeiten des ständigen Wandels Halt bietet. Ein gutes Beispiel ist das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig, das in diesem Jahr seine 28. Auflage feierte. Denn als Angehöriger der Schwarzen Szene weiß man: egal, was passiert – über Pfingsten wird die sächsische Metropole zum zweiten Zuhause. Auch diesmal konnte man aus über 200 auftretenden Künstlern in gut einem Dutzend Spielstätten und zahllosen Rahmen- und Kulturveranstaltungen schöpfen, um sich die vier Pfingsttage zu versüßen. Oder sich einfach treiben lassen und genießen, in schwarzen Klamotten und extravaganten Outfits mal nicht der Außenseiter zu sein.

Kann das der „normale“ Leipziger gut finden? Aber sicher doch. Die Leipziger lieben ihr WGT und pilgerten erneut in Massen zu öffentlich zugänglichen Veranstaltungen wie dem Viktorianischen Picknick oder dem Heidnischen Dorf im Torhaus Dölitz. Überall hörte man fast nur Positives über die freundlichen, zurückhaltenden Szene-Anhänger, die zwar etwas düster aussehen, aber offensichtlich auch ziemlich viel Spaß haben und lachen. Auch die Geschäfte rüsteten sich über alle Branchen hinweg. Ob Apotheke, Bäcker, Drogerie, Eiscafé, Buchladen oder Modegeschäft – alle hatten für die WGT-Besucher etwas Passendes im Angebot und vor allem im Schaufenster. Das reichte von praktischen Dingen wie Blasenpflastern über Plüschspinnen bis hin zu eher unappetitlich aussehenden schwarzen Baguettes.

Im offiziellen WGT-Programm herrschte wie gewohnt die Qual der Wahl. Tagsüber boten beispielsweise verschiedene Leipziger Museen spezielle Führungen und Ausstellungen an, Galerien präsentierten die Werke zahlreicher Künstler und Autoren luden zu Lesungen ein. Ab dem späten Nachmittag begannen in den zahlreichen Veranstaltungsstätten die Konzerte, die von Elektro und Industrial über Dark Wave und Post Punk bis Mittelalter und Metal sämtliche Spielarten schwarzer Musik abdeckten.

Wave-gotik-treffen 2019 – Freitag

Für uns begann das WGT offiziell mit einem Abstecher in die Mintastique, einer liebenswürdigen Cupcake-Manufaktur südlich des Leipziger Zentrums. Passend zum Anlass gab es spezielle WGT-Cupcakes, die nicht nur kulinarisch, sondern auch optisch ein Highlight waren. Die schwarz-roten Schoko-Exemplare hatten fast schon etwas Barockes und bei der Steampunk-Edition traute man sich eigentlich gar nicht, die süßen kleinen Schoko-Zahnräder und -Schlüssel zu essen. Für ganz Eilige gab es sogar leckere Pralinen am Stiel, die man auf dem Weg zur Straßenbahnhaltestelle verputzen konnte.

Danach machten wir uns auf den Weg zum AGRA-Gelände, auf dem sich die größte Konzertlocation, die berühmt berüchtigte Flaniermeile, der Zeltplatz und natürlich die Messehalle mit zahlreichen Händlern befinden. Letztere offenbarte sich einmal mehr als die Schwarze Messe schlechthin. An gefühlt noch mehr Ständen als in den vergangenen Jahren konnten die WGT-Besucher ihr Erspartes für Kleidung, Schmuck, Deko, Bücher, CDs, Geschirr und vieles mehr auf den Kopf hauen oder sich sogar vor Ort tätowieren lassen. Insbesondere kleine Ein-Mann-Manufakturen, die ihre eigenen Kreationen und Unikate anboten, waren in hoher Zahl vertreten. Dazu zählte zum Beispiel El Drac Del Cabanyal, die ihre ausgefallenen Schmuckstücke dabei hatte. Besonders beeindruckend waren etwa die gut 20 Zentimeter langen und handgefertigten Holz-Haarnadeln und eine Kette mit integriertem USB-Stick. Weihnachtsfans kamen bei Metal Art & Fire voll auf ihre Kosten. Denn dort warteten selbst entworfene Weihnachtspyramiden aus Blech, deren Einzelteile mit einem Laser hergestellt werden. Die Modelle gab es in verschiedenen Größen und wer sich für eines der größeren Exemplare entschied, konnte sich sogar über eine Wendeltreppe im Innern freuen. Besonders praktisch: die Flügel müssen nicht mehr einzeln umgeklappt werden, weil das ein Mechanismus gleich für alle auf einmal erledigt.

Am frühen Abend machten wir uns auf den Weg zum Täubchenthal im Leipziger Westen, um unser WGT mit den Golden Apes auch musikalisch einzuläuten. Die Berliner Gothic-Rock-Band hatte sich für das WGT etwas Besonderes einfallen lassen. Denn an den Drums saß kein Geringerer als Steve Hewitt, der von 1997 bis 2007 zehn Jahre lang bei Placebo die Sticks geschwungen hat. Mit New-Wave-Gitarren, prägnanten Bassläufen und dem tiefen Gesang von Frontmann Peer Lebrecht vereinte der Sound der Berliner viele stilistische Elemente, die man von Genrevertretern aus den 80ern und frühen 90ern kennt, ohne dabei jedoch altbacken zu wirken. Als roter Faden zogen sich Melodien, die immer auf dem schmalen Grat zwischen Verzweiflung und vorsichtiger Hoffnung wandelten, durch den gesamten Auftritt der Golden Apes. Ein runder Auftakt!

Eher mittelprächtig gestaltete sich leider der Auftritt von Scarlet Dorn in der Moritzbastei, was allerdings nicht an der Künstlerin, sondern an dem viel zu kleinen Konzertraum lag (von einem Konzertsaal zu sprechen, wäre maßlos übertrieben). So blieb uns leider nur übrig, halb drin halb draußen den Klängen der sibirischen Sängerin zu lauschen, die unter der Regie von Lord of the Lost-Mastermind Chris Harms im letzten Jahr ihr Debütalbum herausbrachte. Schade, denn das was wir aufschnappten, klang vielversprechend. Mit einer Mischung aus düsterem Pop-Rock und einer warmen, recht tiefen Stimme schaffte sie es zumindest, diejenigen zu verzaubern, die es ganz hinein geschafft hatten.

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