Wacken Open Air 2017 – Es lebe der Schlamm


Schlamm! Das erste, was mit dem Wacken Open Air assoziiert wird, ist schwarz-brauner Matschhaufen, geformt wie ein Mensch, mit einem weißen Augenpaar und einer Reihe weißen Zähnen anatomisch korrekt da platziert, wo sie bei einem in die Kamera grinsenden Menschen stecken würden. Der große Schlammhaufen ist dann aber beim strahlenden Sonnenschein fotografiert, und im Idealfall ist im Hintergrund noch eine Bühne zu sehen.

Wenn über Wacken berichtet wird, gibt‘s immer mindestens ein Schlamm-Bild. Redaktionen geben ihren Fotografen mit „Und denk an Schlamm-Fotos!“ Und die Fotografen nicken nur mit einem müden Lächeln das sagt „Ja ja, als ob ich daran erinnert werden müsste.“

Am Donnerstag um 15.00 Uhr eröffnete Skyline mal wieder das Infield vom Wacken Open Air. Für mich als Fotograf hieß das, dass ich um 14.30 das Pressezelt verlassen musste, um 14.45 an der Bühne zu stehen damit ich ab 15.00 Uhr fotografieren kann. Ja, ich hätte auch erst um 14.45 losgehen können, aber ich wollte gemütlich hin schlendern, und unterwegs noch n Kaffee holen und ihn gemütlich am Bühnenrand trinken.

Den 360°-Grad-Livestream von Skyline bei Wacken 2017 siehst du hier: magenta-musik-360.de

Wacken Open Air 2018 Tickets + Infos:

Pünktlich um 14.38 Uhr – gerade als ich meinen Fuß auf das Infield gesetzt hatte und mir dachte „der Boden ist ja gar nicht so schlimm dieses Jahr“ – öffneten sich die Himmelsschleusen und ließen einen Schauer auf das Infield niederprasseln der mich innerhalb kürzester Zeit durchnässte. Allerdings nur von rechts. Denn wie man in Norddeutschland so schön sagt: Regen ist wenn‘s von der Seite kommt, und oben in Schleswig Holstein gibt es keinen schönen Sommerschauer ohne kräftigen Wind der meine Jeans bis auf die linken Seiten meiner Oberschenkel komplett durchnässte. Der Schauer ging eine gute Viertelstunde und hörte genau dann auf, als Metal-Harry seine Eröffnungsrede auf der hielt.

Und das Ergebnis dieser natürlichen Großraumdusche: Wacken-Schlamm. Schöner, durchweichter Acker, der die Besucher bei jedem Schritt einsinken ließ, dabei ein schönes matschiges Geräusch erzeugte und einen wundervoll modrigen Duft verbreitete. Einige Bereiche hatten direkt nach dem Regen eine schön glatte, spiegelnde Oberfläche, und wie bei Neuschnee fühlte es sich gut an, als erster diese Fläche zu betreten. Allerdings nur im ersten Moment, und dann sinkt man bis zu den Knöcheln im Morast ein und denkt sich wär ich doch bloß da geblieben wo alle anderen langgelaufen sind.

Ja, der Modder ist und bleibt ein Markenzeichen von Wacken. Auch wenn andere Festivals wie Rock am Ring oder Hurricane dieses Jahr auch in Regen und Matsch versanken, oder andere wie das diesjährige Rockaue (Link) mit Hilfe von Feuerwehrtrucks die Besucher abduschten und den Boden unter Wasser setzten: Der Heilige Acker Wackens blieb unerreicht, und die Metalheads, die nicht nur auf den Schlamm vorbereitet waren, sondern ihn auch in vollen Zügen genossen.

Eine schöne Tradition die auch dieses Jahr fortgeführt wurde war das Schlamm-Sharing. Hierbei gaben von oben bis unten in Schlamm eingetauchte Besucher die Freude des  Schlamm-Tragens an andere Besucher weiter. Dies begann mit einem leichten Klopfer auf den Rücken mit der flachen Hand und führte auch mal zu herzlichen Umarmungen. Bevorzugt bei Besuchern mit weißen T-Shirts.

Ach ja, und Musik gab’s auch.

40 Jahre Bandgeschichte feiern die britischen Punks von UK Sub in diesem Jahr. Ursprünglich als “The Subversives” gegründet, stellte man das “UK” vorne an den Namen als sich rausstellte dass es auch eine Schottische Band mit dem gleichen Namen gab. Gründungsmitglied und Frontmann Charlie Harper kann auf eine Discographie von 28 Alben zurückblicken, hat 1983 als erste Punkband in einem Kommunistischen Land (Polen) gespielt und ist wahrscheinlich der Musiker mit den meisten Live-Auftritten in seinem Leben – zu einen “Hochzeiten” die über 20 Jahre andauerten hatte er jährlich 200 Auftritte und mehr. Mittlerweile tritt er deutlich seltener auf, was mit 73 Jahren auch verständlich ist. Auf Wacken 2017 rockte er das Festzelt im Wackinger Village mit gutem, harten Brit-Punk und einzelnen Songs die eher nach Hardrock klangen und begeisterte das Publikum.

Immer wieder erwähne ich in meinen Artikeln, das Schweden ein guter Nährboden für Metal ist. Die Ladies von Thundermother bewiesen am Donnerstag, dass auch guter Hardrock in Schweden entsteht. Nach der Überraschenden Meldung im April diesen Jahres, dass alle Band-Mitglieder außer Gitarristen Filipa die Band verlassen, war ich sehr gespannt darauf das neue Line-up in Wacken zu erleben. Vor allem die neue Frontfrau Sängerin Guernica Mancini beeindruckte mit ihrer Stimme und Bühnenpräsenz. Auch wenn die Damen erst Seit Mitte April zusammen proben, traten sie gut eingespielt auf, Sangen zusammen, spielten zusammen, reichten sich das Bier und rockten den Wacken Open Air 2017-Biergarten.

Auch Europe entwickelt sich so langsam zum Dauergast: Bereits zum vierten mal in Folge traten die Schweden auf dem größten Metal-Festival der Welt auf. Und auch wenn sie gefühlt die gleiche Setlist wie 2016 hatten: Als Joey Tempest zum “Final Countdown” anstimmte, sang das gesamte Infield den Refrain in voller Lautstärke mit.

Auf einmal standen auf einer der Main-Stages gediegene alte Herren in gebügelten weißen Hemden die bis auf den Kragen zugeknöpft waren. Der Gitarrist fängt an Rock-n-Roll-Riffs auf seiner Telecaster zu schrammeln, und der mit dem weiß-grauen Pferdeschwanz steigt auf seiner Gitarre mit ein und fängt an zu singen.

Und ein großer Haufen schwarz gekleideter, langhaariger Metalheads sind plötzlich nicht am Head-Bangen, sondern wippen mit ihrem Kopf mit. Auch wenn viele kurz auf die Running Order gucken mussten um rauszufinden dass die Band auf der Bühne Status Quo heißt und vor über 50 Jahren gegründet wurde, machte sich schon beim ersten Song überall gute Laune und Stimmung breit. Und spätestens bei “Whatever you want” ging ein “Aaah, die sind das” durch die Menge. Für mich persönlich war Status Quos Auftritt das Highlight vom ersten Wacken-Tag. Was schon ne Menge bedeutet wenn man bedenkt wer danach noch spielte.

Um es vorweg zu nehmen: Ja, am ende haben sie “Balls to the Walls” gespielt. Der Hit von 1983 ist mittlerweile bei jedem Konzert von Accept der heiß erwartete Abschluss. Und jedes mal singen alle laut mit. Seit damals stehen Frontmann Mark Torillo mit den kreisrunden Sonnenbrillen-Gläsern und der Gitarrist Wolf Hoffmann mit seinem kahle nSchädel und der Schwarzen Flying V auf der Bühne und performen kraftvollen Heavy Metal. Aber Accept in Wacken erleben war was anderes als z.B. in der Sporthalle Hamburg als Special Guest von Sabaton. Denn in Wacken hatten sie zwei Neue Songs als Weltpremiere im Gepäck, den allerersten Song “Die by the Sword” der bisher unveröffentlicht war und den dritten Song “Koolaid”, der zum ersten mal Live performt wurde.Im zweiten Drittel des Auftritts durfte Wolf Hoffmann eine Fähigkeiten als Solist zusammen mit dem Tschechischen Symphonie Orchester unter beweis stellen und coverte eindrucksvoll Beethoven, Mozart, Tchaikowski und Vivaldi.

Im Anschluss begleitet das Symphonie-Orchester Accept und veredelte mit der klassischen Untermalung der Hits der deutschen Heavy Metal Band, wie “Stalingrad”, “Metal heart”, “Teutonic Terror” und natürlich “Balls to the Wall”.

Hardcore. Grind Core. Death Metal. Anarcho Punk. Xtreme Metal. Je nachdem welche Quelle man bemüht wird napalm Death einer anderen Richtung zugewiesen. Aber am Ende haben alle Richtungen was gemeinsam: Harte Bass- und Gitarren-Linien, schnelle Beats eines armen Schlagzeugs, das vom Drummer nach Strich und Faden verprügelt wird, und Growling vom feinsten das einem Gänsehaut verpasst. Gegründet von dem netten Herren mit dem Bass und der in der Mitte geteilten Lockenmähne im zarten Alter von 13 Jahren, ist Napalm Death definitiv ein Grund für den Erfolg des Hardcore Punk und halt mit “You Suffer” einen der kürzesten Songs in der Geschichte der Musik.

Im Festzelt von Wacken sprangen die Bandmitglieder auf der Bühne hin und her und rauf und runter als würde es ihnen physischen Schmerz bereiten wenn sie länger als 2 Sekunden an einer Stelle stehen blieben – ein Alptraum für Fotografen wie mich. Vor allem wenn noch Nebel und hektisch auf- und abflackernde Scheinwerfer im Spiel sind. Musikalisch hingegen war ich begeistert von der Energie die von der Band ausging, vom Publikum aufgenommen und genau so stark zurückgespielt wurde bis auch die letzte Note vom letzten Song verstummt war.

Abschluss des Tages war der Auftritt von Headliner Volbeat auf dem Main Stage. Für die Rockabilly-inspirierte Metal-Band aus Dänemark spielten dieses Jahr zum zweiten Mal auf der großen Bühne von Wacken. In der Zwischenzeit hatten die Dänen letztes Jahr Rock am Ring gerockt, und waren zusammen mit Airbourne unter anderem in der Barclay Card Arena zu sehen. Mit der entsprechenden Routine präsentierten die gut gelaunten Dänen Songs aus neuen und alten Alben, riefen zum Crowdsurfen auf heizten dem überfüllten Infield ein.

Dass meine Begeisterung sich in Grenzen hielt lag eher daran, dass ich Volbeat in letzter Zeit zu oft mit dem gleichen Programm gesehen hatte. Überraschend kam Napalm Death Sänger Barney für “Evelyn” auf die Bühne, und mit Hits wie „Fallen“ oder „Still Counting“ war Volbeat ein krönender Abschluss für einen Tag voller Schlamm und meinen ersten Tag auf dem Wacken Open Air 2017.

Den 360°-Grad-Livestream von Volbeat bei Wacken 2017 siehst du hier: magenta-musik-360.de