Unsere Highlights vom Roskilde Festival 2025 – Mittwoch + Donnerstag


Roskilde Festival 2025 – Mittwoch + Donnerstag
Vom 28. Juni bis 5. Juli 2025 startete in Dänemark wieder das beliebte Roskilde Festival. (Bild: Marten Körner)

Das Roskilde Festival 2025, mittlerweile in der 53. Auflage, bot erneut eine spektakuläre Mischung aus globalen Headlinern vielversprechenden Newcomern und politischer Bühne. Dänische Medien beschreiben das Festivalgeschehen mit Schlagzeilen über Rekordtemperaturen von bis zu 32,2 °C, neue Sicherheits-Tools mit KI Überwachung des Publikums und provokante politische Aktionen, etwa mit „From the river to the sea“ und „Fuck the IDF (israelische Streitkräfte) – Rufen auf der Orange Stage.

Das Roskilde Festival wird zu Recht als non profit Kultur- und Aktivismusplattform gefeiert, die zudem noch durch 30.000 Ehrenamtliche (Volunteers) getragen wird. In diesem Jahr zeigt sich ein bemerkenswertes Gesamtbild: klimatisch heiß, musikalisch vielfältig und politisch aufgeladen. Wir wollen beleuchten, wie das Festival zwischen Party, Politik und Pop-Träumen seine Bedeutung bestätigt.

Vieles hat sich in den 35 Jahren, als ich das Roskilde Festival zum ersten Mal besuchte, geändert. Da wäre z. B. das Müllproblem, das unweigerlich entsteht, wenn 130000 Menschen für eine Woche (warmup + eigentliches Festival) auf vergleichsweise engstem Raum campieren. 1990 wateten wir durch knöcheltiefe Berge aus weggeworfenen Pappbechern. Wir schliefen im Auto zwischen völlig chaotisch geparkten anderen Autos. Toiletten waren rar, Alle entleerten sich irgendwo. Es entstand fast überall der legendäre „urin dust“. Über Barrierefreiheit (besonderes Thema in diesem Jahr) oder Diversität sprach damals noch niemand. Auf den Bühnen standen viele konsensfähige Headliner. Diese Liste könnte man beliebig weiterführen.

Müll ist und bleibt natürlich ein Problem, allerdings gibt es mittlerweile die Möglichkeit der Mülltrennung in den Camps und das auch in Containerform für unbrauchbar geworden Ausrüstung (Zelte, Pavillions usw.). Die sanitären Anlagen sind seit Jahren nahezu perfekt. Sanitärcontainer und Duschen sorgen für ein deutlich angenehmeres Festivalerlebnis. Mit dem lineup hat sich das Festival dieser Größenordnung ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Ein 14-köpfiges Bookerteam zwischen 22 und 60 Jahren liefern seit der Coronapause eine Mischung, die sich Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt zum Credo gemacht hat. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass nicht wenige langjährige Festivalbesucher sich genau darum abgekehrt haben. Bei ca. 330 Eur Ticketpreis ist der Wunsch nach legendären Helden der Rockgeschichte nachvollziehbar.

Aber manche Dinge ändern sich eben nicht. Beim check-in im Camp begrüßen die Volunteers jeden Festivalbesucher mit so unschlagbarer Freundlichkeit, dass man ihnen am liebsten um den Hals fallen möchte. Jedes Gespräch endet mit einem strahlenden „Have a nice festival!“.

So war der Mittwoch

Bei unglaublichen 32 Grad Celsius ist der musikalische Einstieg für uns in diesem Jahr Kokoroko aus London auf der Arena Stage. Die achtköpfige Band um die Sängerin und Trompeterin Sheila Maurice-Grey liefert seit 2014 eine Verbindung aus Jazz und Afrobeat. Über kleine Klubs haben sie sich in den letzten Jahren bis in die Royal Albert Hall und zum Glastonbury Festival „hochgespielt“ Die Arena feiert, niemand kann bei dieser Musik stillstehen. Ein gelungener Auftakt.

Das Eröffnungskonzert auf der Orange Stage, der Hauptbühne, gestaltet in diesem Jahr Annika. Das dänische Soundvenue Magazin kührte Annika 2024 zum Pop-Kometen des Jahres. Die erst 19-jährige Sängerin hat sich nicht nur in Rekordgeschwindigkeit vom TikTok-Phänomen zur dänischen Pop-Schwergewichtsliga entwickelt, sondern auch den Rest Skandinaviens erobert, wo sie unter anderem die norwegischen Spotify-Top 50 anführte. Unbefangen, sympathisch und dabei völlig souverän meistert sie Aufgabe, die gigantische Publikumsmenge für sich einzunehmen.

Die ukrainische Band Jinjer mit ihrer charismatischen Frontfrau Tatiana Shmayluk beeindruckt uns anschließend auf der EOS Stage durch deren Fähigkeit zum Wechsel zwischen reinem, wunderschönem Gesang, brutalen Growls und schmerzhaften Schreien. Der Faszination dieses Progressive Metal können wir uns nicht entziehen.

Der bereits dritte Roskilde-Besuch der Postpunks Fontaines D.C. aus Dublin findet in diesem Jahr auf der Orange Stage statt. 2019 bespielten sie noch die vergleichsweise kleine Pavillion Stage und 2022 dann die größere Avalon Stage. Bei dem diesjährigen Konzert kommt es von Seiten der Band zu einer klaren Positionierung zum Israel-Gaza Konflikt. Das Keyboard ist mit einer palästinensischen Fahne behängt, der Auftritt wird zugunsten palästinensischer Aktivisten für ein 10-minütiges Statement unterbrochen. Es kommt zu „From the river to the sea“ – Parolen, die unmissverständlich die Existenz Israels bedrohen.

In einer anschließenden Stellungnahme der Festivalleitung wird nachvollziehbar hergeleitet, dass die Entstehung des Festivals 1971 geprägt war von der Hippiekultur und deren Aufbegehren gegen Konservativismus und politischer Positionierung. In dieser Tradition rechtfertigt die Festivalleitung politische Äußerungen von Fontaines D.C. bzw. den Aktivisten folgendermaßen: „Diese Botschaften überschritten nicht die Grenzen dessen, was wir als künstlerische und politische Meinungsfreiheit akzeptieren. Wir sind uns jedoch bewusst, dass der Auftritt Debatten und Kritik ausgelöst hat. Und das ist völlig berechtigt.“

Wet Leg mit ihrem gitarrenbasierten Indiepop, scharfen Texten und augenzwinkerndem Humor nehmen uns in der Arena wieder etwas die Schwere der politischen Auseinandersetzung und sorgen für ausgelassene Festivalstimmung. Mit den Klängen von „Chaise Lounge“ stolpern wir durch die Nacht ins Camp.

So war der Donnerstag

Die Temperaturen haben sich deutlich abgekühlt und der Tag wird ein Mix aus Sonne und Regenschauern. Für den erprobten Festivalbesucher kein wirkliches Problem. Auf der Avalon Stage geleitet uns die Singer/Songwriterin Jessica Pratt mit ihren eindringlichen Songs und ihrer unwiderstehlichen Stimme, die zu Recht mit Vashti Bunyan und Karen Dalton verglichen wird, in den Tag.

Gleich anschließend bekommen wir, ebenfalls auf der Avalon Stage eine Prise Soul/Gospel/Jazz von MRCY. Inhaltlich sind ihre Songs durchaus geprägt von dem sozialen und politischen Chaos unserer Tage, aber, so Frontmann Barney Lister: „Die Welt kann sich ziemlich beschissen anfühlen, und wir versuchen einfach, in diesem Wahnsinn Frieden zu finden.“

Ein Besuch in der Baracke, die die Gloria Stage beherbergt, dröhnt uns eine düstere, unfassbar laute Geräuschkulisse entgegen. Irgendetwas zwischen Punk und Sludge Metal liefern Couch Slut aus Brooklyn. „It´s not fort he faint of heart!“, warnt der Text in der Festivalankündigung. Stimmt, finden wir, sind aber schon beeindruckt von der intensiven, physischen Performance!

Thee Sacred Souls aus Kalifornien füllen mühelos das Zelt der Arena Stage. Mit ihrer Mischung aus R&B und Retro-Soul sorgen sie an diesem Spätnachmittag für ausgelassene Festivalstimmung. Im dritten Song springt Frontmann Josh Lane in den Fotograben und geht in direkten Kontakt mit dem Publikum.

Der Mix aus Alternative Rock und Pop Melodien von Beabadoobee, alias Beatrice Laus, bringt anschließend auf der Orange Stage beste Festivalstimmung. Beth Gibbons beeindruckt mit ihrem melancholischen Soloalbum, lässt die crowd vor der Arena Stage allerdings nicht unversorgt mit unsterblichen Portishead Songs. Wer das letzte Beyonce Album kennt, hat Tanner Adell schon gehört. In dem Beatles Cover von „Blackbird“ sang sie gemeinsam mit Beyonce Knowles. Im Cowgirl outfit bringt sie ein wenig Nashville Country Feeling auf die EOS Stage.

FKA Twigs fasziniert auf der Arena Stage mit einer grandiosen Dance-performance. Ihr neues Album „Eusexua“ wird zu Recht von der Fachpresse mit Madonnas „Ray of Light verglichen.

Das große Abendkonzert auf der Orange Stage bestreitet heute Stormzy. Der britische Grime Rapper, der sich in neun Jahren von einer der kleinsten Bühnen in Roskilde auf die Hauptbühne gearbeitet hat und schon Headliner beim Glastonbury Festival war, erinnert sich in einer kleinen Ansprache in Dankbarkeit für die Chance, die auch das Roskilde Festival ihm gab, seinerzeit vor größerem Publikum zu spielen als er es gewöhnt war. Sehr sympathisch hebt er sich mit dieser persönlichen Art von vielen amerikanischen Kollegen ab. Die Show ist dynamisch und begeistert vollends. Als optisches Sahnehäubchen gibt’s dann zum Abschuss ein Feuerwerk.

Der Post Metal von Amenra aus Belgien wurde von allen Doom und Sludge Fans heiß erwartet und enttäuscht vor der Gaia Stage niemanden. Zu sehen ist wenig. Die Band spielt wie gewohnt in fast völliger Dunkelheit.