Sziget 2019 am Donnerstag: Island of Freedom and Dosenbier


Sziget Festival 2019 / Sziget 2019
Der Donnerstag beim Sziget Festival 2019 – 565.000 Musikfans feiern in Budapest. (Bild: stagr / Axel Schilling)

Vom 07. bis 13. August wurde eine Donauinsel in Budapest zu einem der größten Musikfestivals Europas. Willkommen beim Sziget 2019!

Welche drei Dinge würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen? Dein Lieblingsbuch, ein Schweizer Taschenmesser, deinen Rauhaardackel Rüdiger? Kannst du auf dem Sziget Festival, das auf einer Insel in Budapest stattfindet, alles zuhause lassen. Pack lieber deine Sonnenbrille, Sonnencreme und Kopfschmerztabletten ein. Denn auf dem Sziget 2019 wird eine komplette Woche lang durchgefeiert: zu strahlendem Sonnenschein, bei angedrohten 36°C und mit hektoliterweise Alkohol.

Einsam ist man auf der Sziget-Insel allerdings nicht: letztes Jahr waren rund 565.000 Besucher hier. In Worten: FÜNFHUNDERTFÜNFUNDSECHZIGTAUSEND. Und das wird dieses Jahr wohl nochmal überboten, wenn ich mir die Menschenmassen anschaue, die gestern bei Ed Sheeran vor der Bühne standen. Wenn man sich die genervten Kommentare auf Instagram durchliest, war’s vor der Bühne enger als in der U-Bahn in Tokio zur Rushhour.

Die Insel der Seligen

Zurück nach Budapest. In einem Land, in dem eine rechte Regierung die Menschenrechte einschränkt, Oppositionspolitiker verhaftet, die Pressefreiheit einschränkt und friedliche Demonstrationen gewaltsam beendet, ist das Sziget ein buntes, liberales und weltoffenes Paralleluniversum. Unter dem Motto „Island of Freedom“ kommen hier Menschen aus aller Welt, jeden Alters und jeglicher sexueller Orientierung zusammen. Männer, Frauen und alles dazwischen, Teenies und Rentner, Dünne und Dicke, Große und Kleine, Bunte und Graue, Laute und Leise, Einhörner und (Halb)nackte – hier ist jeder willkommen.

Dabei muss man anmerken, dass aus dem kleinen, idealistischen Hippie-Festival, das sich für Menschenrechte und Vielfalt einsetzt, eine gigantische Party geworden ist. Viele Besucher interpretieren das Motto „Insel der Freiheit“ eher im Sinne von „Insel des grenzenlosen Saufens, Durchdrehens und Wildcampings“. Die ganzen oberkörperfreien Jungs denken wahrscheinlich nicht an Menschenrechte, wenn sie Cocktails aus Plastikeimern trinken und Bierdosen exen.

Apropos Bierdosen

Eine Sache, die mir auf dem Sziget immer wieder auffällt: Dosenbier. Die meisten Bierstände bieten frisch gezapftes Bier in Mehrwegbechern an – aber auch Dosenbier. Und das wird von viele Besuchern gleich auf Vorrat geholt. Ist ja auch praktisch, weil sie es mit vor die Bühne nehmen können. Nach jedem Auftritt liegen unzählige zertretene Bierdosen rum, die zwar von freiwilligen Helfern aufgesammelt werden – aber trotzdem. Das Sziget schreibt sich auf die Festivalfahne, grün zu sein, aber da geht noch mehr: weniger. Weniger Müll.

Donnerstag

Das Sziget 2019 startete eigentlich schon Mittwoch. Doch wir waren erst ab Donnerstag für euch vor Ort. Obwohl der Wetterbericht pralle Sonne und Temperaturen wie im Steinofen deiner Lieblingspizzeria androhte, wurden wir von Regen empfangen. Das hat die meistens Fans nicht davon abgehalten, halbnackt rumzulaufen. Wer Klamotten am Leib hatte, war entweder besonders bunt oder besonders verkleidet: als Frucht, Leopard, Dinosaurier oder als Bankräuber aus der Serie „Haus des Geldes“.

Franz Ferdinand

Unser erster Act des Tages war die britische Indie-Rockband Franz Ferdinand, die auf die Minute pünktlich loslegte. Es war zwar erst 17:45, aber die Fans standen schon eng gedrängt vor der Hauptbühne. Über ihren Köpfen wehten Fahnen aus der ganzen Welt: von Großbritannien über Israel, Norwegen, Dänemark bis Brasilien. Leadsänger und Gitarrist Alex Kapranos kam mit frisch rasierter Peaky Blinders Frise und im schwarzen Anzug auf die Bühne. Das war wohl der einzige schwarze Anzug auf dem ganzen Festival. Sie spielten „Always Ascending“, „No You Girls Never Know“ und natürlich „Do You Want to“. Den lucky-lucky-Part haben die Fans übernommen, die aber auch jede andere Zeile mitsingen konnten.

Pale Waves

Als nächstes ging’s zur zweitgrößten Sziget-Bühne: der Mastercard Stage im riesigen Zirkuszelt. Schatten, toll! Stickig und schwül, nicht so toll. Hier spielten die Pale Waves, eine englische Indie-Pop-Band aus Manchester. Passend zum Bandnamen sahen alle Musiker etwas blass aus, allen voran Leadsängerin Heather Baron-Gracie. Leider war auch der Sound etwas blutleer: von den Drums konnte ich eigentlich nur die Snare raushören. Ich fand die Pale Waves etwas öde, aber die Fans waren anderer Meinung und haben laut gefeiert.

Richard Ashcroft

Der nächste Künstler auf der Hauptbühne: Richard Ashcroft, Ex-Leadsänger von The Verve, der hinter den langen Haaren und der weltgrößten Sonnenbrille kaum zu erkennen war. Vor der Bühne war weniger los als bei Franz Ferdinand, auf der Bühne auch: Richard stand bewegungslos hinterm Mikro, als wäre er lieber woanders. Vielleicht im Hotel: „Live on BBC One. Watch me stay in luxurious Hotels.“ Diese Britpop Arroganz hat mich schon immer genervt. Gegen Ende seines Gigs ist Richard dann doch aufgewacht und hat nochmal alles geben. Und ja, „Bitter Sweet Symphonie“ hat er auch gespielt. Sorry für den Ohrwurm. Apropos Ohrwurm: Auf Richards letztem Album „Natural Rebel“ werdet ihr keinen finden.

Yungblud

Auf die Show von Yungblud haben wir uns sehr gefreut. Wer mal ein Musikvideo von dem englischen Alternative-Hip-Hop-Punk-Pop-Musiker gesehen hat, weiß warum: Yungblud ist wahnsinnig, voller Energie und hat einen irren Style. Ob er all das auf die Bühne bringen konnte? Keine Ahnung. Es war so dermaßen voll im Zelt der Mastercard Bühne, dass Fotograf Axel und ich leider nicht mehr reingepasst haben. Nächstes Mal sind wir früher da, versprochen.

Whispering Sons

Weil bei Yungblud kein Platz mehr für uns war, sind wir weiter zur Europe Stage, einer eher mittelgroßen Bühne auf dem Sziget. Hier haben die Whispering Sons gespielt, eine Post-Punk-Band aus Brüssel, Belgien. Was uns sofort in den Bann gezogen hat: Leadsängerin Fenne Kuppens. Ihre Stimme ist so tief und dunkel, dass uns ein kalter Schauer über den Rücken lief. Unbedingt mal reinhören.

Welshey Arms

Unser letzter Act des Abends waren alte Bekannte: Welshly Arms, die wir schon auf dem Reeperbahn Festival erlebt haben. Die Blues-Rock-Band um Sänger und Gitarrist Sam Getz kommt aus Cleveland und ist spätestens seit ihrem Song „Legendary“ weltbekannt. Habt ihr alle schon mal gehört: 2017 im Werbespot für Beck’s Bier. Wir durften den Song live erleben, gefolgt von „Indestructible“, „Sanctuary“ und weiteren Songs, in denen viele wuchtige Schlagworte auftauchten.

Das war der Donnerstag auf dem Sziget

Es ist mittlerweile Freitag. Wir werden langsam warm und stürzen uns jetzt zurück ins bunte Sziget-Getümmel. Heute warten auf uns 6Lack, Tove Lo, Gang Of Youths, Xavier Rudd und gefühlt 3.645 weitere Bands. Morgen werden wir berichten – stay tuned!

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