Summer Breeze 2022 – So war es am Mittwoch + Donnerstag


Am Wochenende des 17. bis 20. August startete das Summer Breeze 2022 wieder in Dinkelsbühl.

Pünktlich zum 25. Jubiläum meldet sich das Summer Breeze Festival aus der Zwangspause zurück. So pilgern erneut 45.000 Besucher nach Dinkelsbühl, um ihre Lieblingsbands zu feiern und alte Freunde wieder zu treffen. Noch ist das Wetter positiv gestimmt – die Zelte werden in der Sonne aufgebaut, die für den ersten Sonnenbrand sorgt, sofern der Pavillon nicht zuerst steht. Dies sollte sich die Tage noch gewaltig ändern, obwohl die Wetterfrösche bisher nur von “leichtem Regen” sprechen, dazu aber später mehr.

Auf dem Gelände hat sich nur wenig verändert. Die Flächen sind nur minimal anders, sodass sich jeder Besucher sofort heimisch fühlt. Lediglich die Hauptbühne ist nicht mehr dieselbe wie im Vorjahr. Das Drehelement, das die letzten Jahre dabei war, fehlt dieses Mal. Die Folge sind etwas längere Umbauzeiten, die aber von den meisten als willkommene Verschnaufpause gesehen werden, was auch zu einer Entzerrung der Besucherströme auf dem Battlefield führt – dieses wurde in den letzten Jahren immer wieder kritisiert. Auch der große Aufbau am Rand der Bühne fehlt, dafür gibt es Monitore, die so hoch wie die Bühne sind und so auch aus dem letzten Winkel vor der Bühne einen Blick auf diese verschaffen.

Wie in jedem Jahr wird das Infield von Blasmusik Illenschwang auf der T-Stage eröffnet. Anschließend ist Raised Fist die erste Band auf der Main Stage, dicht gefolgt von Caliban. Diese sind heute jedoch weniger als gewohnt. Bassist Marco Schaller liegt im Krankenhaus und kann daher nicht dabei sein. Auch Sänger Andreas Dörner hat Probleme mit seinem Fuß und kann sich nur eingeschränkt bewegen. All diese Umstände führen aber nicht zu einer schlechteren Show, so wird die Bewegung auf das Publikum verlagert. Der Staub liegt schnell in der Luft, eine Maske ist mehr als praktisch, auch wenn diese sich in Rekordzeit verfärbt. Auch anfängliche Probleme mit dem Mikrofon können die Stimmung nicht trüben, die schon früh mit einer Wall of Death ihr erstes Highlight hat. Vor dem Zusammenprall fangen einige das Rudern an, wodurch einige über diese springen und in der Luft kollidieren, was das Chaos perfekt macht. Schon jetzt gibt es viele Crowdsurfer, welche für die Grabensecurity, die Grabenschlampen, aber noch kein Problem darstellen.

Nachdem es bisher nur warm von oben war, ändert sich dies bei Feuerschwanz schlagartig. Die Band wird ihrem Namen gerecht und stellt die Bühne regelrecht in Flammen. Auch hier werden die Crowdsurfer nicht weniger. Der “Schubsetanz” gleicht eher einem “Staubtanz”, wird auch hier wieder viel Staub von den schon zahlreich erschienenen Fans aufgewirbelt. Das fällt auch dem Hauptmann auf: “Ihr wirbelt ganz schön viel Staub auf, Ich hab heute schon so viel Summer Breeze gegessen, das das jetzt ganz tief in mir drin ist”, sagt er kurz bevor er für viele wieder hinter einer dicken Staubwolke verschwindet.

Auf der Wera Tool Rebel Stage, der kleinsten und dritten Bühne des Infields, stehen derweil Our Promise auf dem Plan. Die 2020 gegründete Band, die sich erst kürzlich von ihrem Screamer getrennt hat, spielt hier ihr bisher größtes Konzert. Für ihren Auftritt haben sie sich daher direkt zwei Screamer eingepackt, die für viel Dynamik sorgen und das versammelte Publikum begeistern.

Nicht nur den Besuchern hat die Festival-Zeit sehr gefehlt, auch Eisbrecher Sänger Alexander „Alexx“ Wesselsky ging es nicht anders. So sehr, dass er für die Zukunft ein Bild haben möchte und dieses kurzerhand mit einer Polaroid-Kamera schießt. Die Temperatur nimmt währenddessen weiter ab, woran nur der Schnee zu “Eiszeit” sein kann. Aber auch Kostümwechsel stehen auf dem Plan. Nachdem Alexx erst mit Mütze auf die Bühne kommt, hat er passend zu “Volle Kraft Voraus” einen Kapitänsanzug an. Zu “1.000 Narben” kommt er direkt ans Publikum und lässt einige Fans den Song weiter singen. Als Abschluss des Konzerts gibt es noch ein Cover von Falco’s “Into The Dark”, bei dem das erste Mal die große Pyro oberhalb der Bühne an den passenden Stellen verwendet wird.

Mit einer Reise durch die Zeit erwartet Paradise Lost auf der T-Stage ihre Fans. Mit einem “perfekten Sound”, wie es von vielen Besuchern später beschrieben wird, geht das Set fast durch die gesamte Palette des Album Sortiments. Gegen Ende des Sets Fragt Sänger Nick Holmes das Publikum nach einem Bier und zusätzlich, ob er das anschließend per Paypal bezahlen kann. Als er jedoch von der Security gleich zwei gereicht bekommt, verfällt auch das Angebot.

Zurück auf der Wera Tool Stage steht mit Svalbard eine energiegeladene Band auf der Bühne. Serena Cherry und Liam Phelan liefern sich ein gesangliches Duell auf Augenhöhe, während sie die Zeit ohne Text nutzen, um vor der versammelten Menge zu posieren. Der Post-Hardcore läd dabei gleichzeit ein die Haare kreisen zu lassen, als auch in ruhe mit zu wippen und sich zu entspannen.

Bei Korpiklaani ist das mit dem Entspannen wiederum weniger möglich. Die Truppe, die sich regelmäßig durch das Schnapsregal singt, ist für ihre Partys bekannt. So setzt sich nicht nur der Staub in den Kehlen der Besucher ab, sondern auch “Jägermeister”, “Tequila”, “Vodka” und “Beer, Beer” – und hierbei sind wir nur bei Songtiteln der Band. Die Bewegung im Publikum ist entsprechend hoch – auch über den Punkt hinaus, an dem der Becher an Flüssigkeit verliert. Auf der Bühne ist das nicht großartig anders, die Spielfreude steckt an, sodass lediglich im hinteren Teil vor der Bühne gesessen und – wie sollte es anders sein – getrunken wird.

Inzwischen ist es 1:00 Uhr nachts. Für viele war der Tag lang und heiß, wodurch sich viele nach dem Absacker in Form von Korpiklaani für den Rückweg entschieden. Für die Verbliebenen spielen die Apokalyptischen Reiter ihr erstes Konzert der letzten zwei Jahre. Passend dazu fallen vom Himmel die ersten Tropfen vom Himmel und sollen einen ersten Eindruck der nächsten Tage geben, von denen in diesem Moment aber noch niemand etwas ahnt. “Es wird schlimmer” ist dabei ein Songtitel, bei dem man vielleicht doch nicht so laut hätte mitsingen sollen.

Aber noch nicht am Donnerstag. Als ab 8 Uhr die ersten aus den Zelten aufstehen, aufgrund der Sonne, die die Zelte immer weiter aufheizt, ist an Regen noch nicht zu denken. Da geht der Griff wahlweise zur Sonnencreme oder zum Bier – je nach Prioritätenliste. So viel Zeit wie am Vortag gibt es heute jedoch nicht. Die erste Band steht bereits um 11:30 auf der Bühne, was für viele noch vor dem Frühstück ist. Dennoch füllt sich das Infield schnell.

Als Ghøstkid um 13:50 Uhr auf die Bühne kommt, ist der Pit bereits aufgewärmt und startet direkt in die nächste Runde. Die Band um Ex-Eskimo Callboy Sänger Sebastian „Sushi“ Biesler zeigt innerhalb von Sekunden, warum man sie nicht nur auf ihre Vergangenheit beschränken sollte. Energiegeladen, was besonders für Bassist Stanislaw „Stanni“ Czywill gilt. Diesen hält es auch nicht auf der Bühne, sodass er nicht nur Crowdsurfen geht, sondern auch zusammen mit seinem Kollegen Jan Marco „Jappo“ Heinz direkt aus dem Pit weiterspielt.

Gutalax ist nicht nur der Name eines Abführmittels, sondern auch einer beliebte Goregrind-Band aus Tschechien, bei der sich alles, nunja, um “scheiße” dreht. Die Albentitel “Shit Beast”, “Shit Happens” und “The Shitpendables” sprechen dabei für sich. Texte gibt es nicht, dafür etwas, was man als Froschgequake deuten könnte. Dazu trägt die Band weiße Schutzanzüge, die diesmal immerhin keine braunen Flecken aufweisen. Und das Publikum? Das ist bis an die Zähne mit Klobürsten und Klopapier bewaffnet und wirft diese mit weiteren aufblasbaren Tieren durch die Luft. Das einzige was dem Auftritt fehlt, wären ein paar Dixis auf der Bühne, aber auf die gucken eh die wenigsten, geht die Party doch deutlich in der Menge ab.

Es ist das vierte mal in Folge, dass Mr. Hurley & die Pulveraffen auf dem Summer Breeze auftreten. Jedes Mal auf einer größeren Bühne, weil der Platz nicht mehr ausreicht, sind wir nun vom ersten Slot auf der Mainstage, bei dem letztes Mal viele an der Einlass Schlange hängen geblieben sind, im Nachmittags-Programm gelandet. “Es fühlt sich an wie nach hause kommen”, sagt Mr. Hurley passend. Der #HurleyAufDieMainstage ist dennoch allgegenwärtig und wird nicht nur von Mr. Hurley als “der wohl erfolgreichste Hashtag der Grog’n’Roll Geschichte” betitelt, sondern weiterhin lauthals von den Fans gegrölt. Da wird auch der Sound-Komplettausfall am Anfang des Sets entgegengenommen, denn am Ende sind wir wie immer “Blau wir das Meer”.

Bei Finntroll kehrt der Humppa zurück auf die Bühne. “Its good to be back” sagt uns Sänger Mathias „Vreth“ Lillmåns. “There should had been an album release show in 2020. Shit happened. But now we’re here. Let’s play some new stuff”, sagt er weiter mit einem tränenden und lachenden Auge. Viel ist passiert, aber die Freude, wieder auf der Bühne zu stehen, überwiegt bei der ganzen Band. Schnell singt die Menge mit, bei alten und neuen Texten, so gut es eben geht, sind die Texte schließlich in Schwedisch.

Mit dem, was bei Electric Callboy passiert, haben wohl nur die wenigsten mitgerechnet. Das Summer Breeze ist für sie immer etwas besonderes, sie haben immer davor die Hose voll, sagt uns Screamer Kevin Ratajczak. Nun ist es auch anders rum. Was früher Kataklysm war, ist nun Electric Callboy. 1768 zeigt der Crowdsurfer Zähler nach dem Konzert. Durchschnittlich verlässt so alle drei Sekunden ein Crowdsurfer den Graben, ein neuer Festival Rekord. Dieser bringt nicht nur die Grabenschlampen an ihre Belastungsgrenze, sondern auch die Bühnentechniker und weitere, die zur Hilfe eilen. “Das ist einfach der scheiß Wahnsinn, wie viele Leute hier am Crowdsurfen sind, ich steh drauf”, sagt Kevin schon zu Beginn des Spektakels. Passend zum Song “Hypa Hypa” haben die Fans Perücken und Trainingsanzüge in bunten Farben an, die die Security in diesem Moment mehr gebraucht hätte. Abgerundet wird das Konzert mit Pyro und einem Applaus für die Grabenschlampen, die vollen Körpereinsatz gezeigt haben. “TV-Total”-Moderator Sebastian Pufpaff lässt sich bei “We Got The Moves” auf der Bühne sichten, eine Erklärung warum gibt es jedoch leider nicht.

Arch Enemy sind inzwischen aus der Metal-Welt nicht mehr wegzudenken. 25 Jahre Bandgeschichte, davon inzwischen schon 8 Jahre mit Frontfrau Alissa White-Gluz, die mit ihrer Stimme noch immer jegliche Aufmerksamkeit auf sich zieht. 11 Alben sind in dieser Zeit entstanden, das letzte davon, “Deceivers”, erschien erst in der vergangenen Woche. “Are you ready to have some fun?”, fragt uns Alissa, bevor sie uns sagt, dass der Großteil der Songs heute von diesem Album stammen soll. Zunächst gibt es jedoch ein paar Klassiker, während es leicht anfängt zu regnen. Abhalten tut dies in diesem Fall jedoch niemanden und die Pyro, die auch hier wieder ordentlich belastet wird, tut ihr Bestes, das Publikum wieder zu trocknen. Dennoch ist die Show berechenbar. Jeder Schritt auf der Bühne ist fest durch choreografiert. Überraschungen gibt es keine. Es fehlt der besondere, spontane Kick. Dennoch feiern die Fans bis in die letzte Minute und bekommen nicht nur eine, sondern gleich zwei Zugaben.

Nach diesem starken Auftritt auf der Main gehts schnell rüber zur T Stage, denn hier geht es derweil wieder finnisch weiter, denn Ensiferum geben sich die Ehre. In diesem Jahr haben sie bereits einige Auftritte absolviert und so ihr 2020 erschienenes Album „Thalassic“ bereits der Öffentlichkeit präsentieren können. Auch der “neue” Mann an den Tasten, Pekka Montin, gehört schon fest zum Bühnenbild. Sänger Petri Lindroos strahlt mit der anwesenden Meute um die Wette, Tieftöner Sami spielt in gekonnter und bekannter Weise den Bühnenclown. Also alles wie immer im Hause Ensiferum – hier passt einfach alles. Besonders schön für die Anwesenden war eine Setlist, die neben neuem Material vielen alten Klassikern wieder neues Leben einhauchte.

Auf der Mainstage stehen nun Avatar und man könnte meinen, dass die Musik komplett in den Hintergrund wandert. Die Show steht klar im Vordergrund, auch hier ist wieder jeder Schritt genau geplant. Anfangs stehen alle Musiker geballt in der Mitte der Bühne, auch Schlagzeuger John Alfredsson mit einem zweiten, kleinen Schlagzeug. Erst mit dem zweiten Song verteilt sich die Band und erst zum dritten nimmt John seinen eigentlichen Platz ein. Die Show zieht das Publikum schnell in einen Bann, der gespannt Richtung Bühne schaut. Genau das Programm, das nach dem energiegeladenen Abend gebraucht wurde, um noch einen Moment zu entspannen, bevor es am nächsten Tag wieder richtig losgeht. Auch der Regen macht zumindest für einen Moment nochmal eine Pause.