So war das Ragnarök Festival 2017 – Samstag


Munarheim aus Coburg eröffnen den zweiten Tag vom Ragnarök Festival 2017. Obwohl sich der Samstag anschickt, die frostig-nasse Seite des Aprils voll auszuschöpfen, haben sich einige hundert Fans vor der Bühne eingefunden – mehr als so manch spätere Band ziehen kann. Schwarzmetallischer Zorn mit einem großzügigen Schuss Folk bringt gleich mächtig Stimmung und animiert das Publikum zum Tanzen und Feiern.

FERNDAL

Weniger folkig kommen Ferndal aus Münster daher. Der Fünfer um Sänger Sorathiel begibt sich in tiefschwarze Metalgefilde, grenzt sich durch die Cellistin Lestaya deutlich von der Konkurrenz ab. So vielseitig wie die genannten Einflüsse, die von Bach bis Windir reichen, kommt auch die Musik daher. Zwar ist das Repertoire noch nicht so ausufernd – das Debüt ist zufällig am Vortag in den Handel gekommen – aber das Publikum kommt klar auf seine Kosten. Von schwarz-metallischer Raserei zu erhabenen Hymnen ist alles dabei. Klargesang und Gekeife gehen Hand in Hand, immer untermalt von einem melancholischen Violoncello. Ein gelungener erster Auftritt und ein rauschender Auftakt in den Geburtstag von EÏS-Mastermind Albion an den Drums.

Ferndal BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

mallevs maleficarvm

Auch Mallevs Maleficarvm habe ihr gerade mal einen Tag altes Debüt-Album im Gepäck. Sänger Robse bekannt durch die Gassenhauer Equilibrium frönt hier seiner Lust am unverfälschten Black-Metal. Deutlich gradliniger als die gerade verklungenen Ferndal rumpeln sich die Bochholter durch ihr Set. Viel Innovatives gibt es dabei nicht zu hören, aber die Avantgarde strebt das Quintett auch gar nicht an. Stattdessen werden fleißig Riffs zwischen Immortal und alten Amon Amarth geschrubbt. Kreisende Mähnen im Publikum zeugen davon, dass der Hexenhammer deutlich besser ankommt als das spätmittelalterliche Original.

Mallevs maleficarvm BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

SEAR BLISS

Exotischer wird es im Anschluss mit den Ungarn Sear Bliss. Posaune und Black-Metal – kann das funktionieren? Über 20 Jahre Bandgeschichte sprechen für ein klares Ja. Zwar steht die Posaune erst seit der Jahrtausendwende im Lineup, aber das macht sie nicht weniger stimmig. Zuletzt ist es jedoch etwas still um András Nagy und seine Mitstreiter geworden. Das letzte Album datiert auf das Jahr 2012. Es wird Zeit für ein Lebenszeit und das erschallt in Form von „Two Worlds Collide“ vom 2004er ‚Glory and Perdition‘. Mit Songs wie „A Deathly Illusion“ und „Somewhere“ weisen Sear Bliss eindrucksvoll nach, dass Posaunen auch im Metal ihre Berechtigung haben.

Sear bliss BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

Asenblut

Asenblut sind alles andere als exotisch. Klassischer Pagan-Metal mit je einer Prise Thrash- und Black-Metal. Trotz des fehlenden Bassers ziehen die Jungs um den Muskelberg namens Tetzel eine energiegeladene Show ab. Beide Gitarren spielen sich in eine Raserei und schäumen geradezu vor Spielfreude. Ein Solo jagt das nächste und Fronter Tetzel tobt wie ein Derwisch über die Bühne.

asenblut BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

black messiah

Auch Black Messiah sind keine Exoten, ganz im Gegenteil. Die Urgesteine der Folk-Metal-Szene turnen schon 25 Jahre über die Bühnen dieser Welt. Bewaffnet mit Fidel und dem üblichem Metal-Instrumentarium bieten die Schalker alles zwischen Saufliedern („Wildsau“) und ernstem Pagan-Hymnen wie „Lindisfarne“. Spaß haben die Veteranen des Pagan-Metals allemal und auch der Sound macht mit. „Gulsveig“, „Irminsul“ und „Windloni“ sind die weitere Ziele auf der Reise durch das umfangreiche Repertoire des Fünfers aus Gelsenkirchen, bevor das Finale eingeläutet wird. Nun spätestens macht der Metstand auf dem Ragnarök seinen Rekordumsatz. Wie sonst soll man das „Sauflied“ gebührend abfeiern?

black messiah BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

pillorian

Aus der Asche der Ausnahme-Band Agalloch erhebt sich mit Pillorian ein mehr als würdiger Phönix. Black-Metal zwischen Ambient und Avantgarde ist das erklärte Ziel von John Haughm und seinen Mitstreitern. Zur Freude vieler Agalloch-Fans sind auch Songs aus dieser Epoche angekündigt. Leider bewahrheitet sich dies nicht. Mit „By the Light of a Black Sun“, „Archaen Divinity“, „A Stygian Pyre“, „The Vestige of Thorns“ und „Forged Iron Crucible“ stehen nur Songs vom frisch erschienenen Album ‚Obsidian Arc‘ auf dem Programm. Dank druckvollem und klarem Sound wird der Auftritt ein voller Erfolg.

Pillorian BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

agrypnie

Mit Auftritt Nummer Vier seit 2011 sind Agrypnie alte Bekannte auf dem Ragnarök. Torsten (der Unhold) hat bereits am Vortag einen Auftritt mit Anomalie absolviert, die zeitgleich in Berlin spielen – offensichtlich mit einer Gitarre weniger als bei überzeugenden Auftritt am Vortag. Mit „Der tote Trakt“ vom Erfolgsalbum ‚16[485]‘ eröffnen die Hessen ihren Auftritt. Ob es jedermann erkennt ist fraglich, da der Sound eher breiförmig daherkommt. Auch die folgende Songs „Erwachen“, „Grenzgänger“ und „Schlaf“ wissen daher nur mäßig zu überzeugen. Für die Fans bleibt als Highlight wenigstens das Duett von Sänger Torsten und Eviga von Dornenreich. „Aus Zeit erhebt sich Ewigkeit“ heißt das Stück vom neuen, noch nicht erschienenen Album, auf dem Eviga neben Gesang auch den Text beisteuert.

agrypnie BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

obscurity

Auch Obscurity sind alles andere als Neulinge auf dem Ragnarök. 20 Jahre Bandgeschichte und sieben Studioalben haben die Westfalen vorzuweisen. Album Nummer acht ist schon in Arbeit und die Viking-Metaller verproben heute Abend neues Material am Publikum. Hot or Not ist die Devise, denn Sänger Agalaz fordert aktiv Feedback der Fans ein. Ohnehin pflegt das Quintett einen engen Umgang mit den Seinen. Sehr zum Unbill der Security holen sie sich zum letzten Song Verstärkung aus der ersten Reihe auf die Bühne. Für manche der beste Tag in ihrer Fan-Karriere. Musikalisch gibt es neben den Testkandidaten vom neuen Album auch altbewährtes wie z. B. „Bergischer Hammer“, „Asgard“ und „Schicksal der Götter“

obscurity BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

helrunar

Mit Helrunar verbleiben wir in der gleichen Region, auch wenn den Münsteranern Lokalpatriotismus in ihrer Musik am Allerwertesten vorbeigeht. Auch wollen sich die deutsche Black-Metaller heute nicht beim Musikantenstadel einreihen. Obwohl vielfach gefordert fehlen heute die großen Hymnen wie „Älter als das Kreuz“. Stattdessen steht heute fast ausschließlich Songs der letzten beiden Alben ‚Niederkunft‘ und ‚Sól‘ auf dem Programm. Allein „Frostnacht“ und  „Unten und im Norden“ sind älteren Datums. Ein solider Auftritt, aber der Funke will nicht so auf das Publikum überspringen wie in der Vergangenheit.

helrunar BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

dornenreich

Nach dem Akustik-Set am Vorabend nehmen Dornenreich einen weiteren Anlauf, um das Publikum zu begeistern. Unterstützt von Schlagzeuger Gilván treten Eviga und Inve heute elektrifiziert vor das geneigte Festivalpublikum, um tiefer in die Historie von Dornenreich einzutauchen. Mit „Leben lechzend‘ Herzgeflüster“ vom 1999er Album ‚Bitter ist’s dem Tod zu dienen‘ und „Eigenwach“ von dessen Nachfolger „Her von Welken Nächten‘ wirbt man auch um die Fans der ersten Stunde. Viele dieser frühen Fans konnte sich nie so ganz mit dem Ausstieg von Valñes arrangieren. Ob eine Geige das Keyboard ersetzen kann, bleibt am Ende doch Geschmackssache. Eine Wiederholung vom Vorabend gibt es mit „Jagd“ dann schließlich doch. Schlussendlich kommt fast jedes Album zu seinem Recht, bevor mit „Trauerbrandung“ der letzte Song von Eviga angestimmt wird. Ob man Dornenreich nun mag oder nicht, man muss neidlos anerkennen, dass der Ausnahmemusiker Eviga seine Musik mit jeder Faser seines Körpers lebt. Allein dafür lohnt sich das Erlebnis.

DORNENREICH BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

primordial

„Are you with us?“ Bevor auch nur ein Takt gespielt ist, drehen Primordial den Pathos-Regler bis zum Anschlag auf und dort verbleibt er für den Rest des Abends. Was bei den vielen Bands Reaktionen zwischen Argwohn und Abscheu provoziert, gehört bei den Iren zum festen Programm. Sänger Alan will gefeiert werden und er wird es ohne jedes Wenn und Aber. Nicht zuletzt, weil seine übertriebene Bühnenshow gut zu den bittersüßen Melodien passen will. Weit ab von Traditionals und in Pub tauglichem Irish-Folk wird nun Celtic-/Black-Metal ureigenster Prägung unter das Volk gebracht. Los geht die Reise mit „Where Greater Men have“ fallen vom letzten Release gleichen Namens aus dem Jahr 2014. Danach folgt ein Potpourri aus den letzten 12 Jahren: Auf „No Grave Deep Enough“ folgt das relativ junge „Babel’s Tower“, worauf sich „Traitors Gate“ und „As Rome Burns“ vom 2007er ‚To the Nameless Dead“ reihen. Mit „Coffin Ships“ vom 2005er ‚Gathering Wilderness‘ wird die letzte Phase des triumphalen Auftritts der Iren eingeläutet. Der letzte Song „Empire Falls“ erklingt bereits außerhalb der regulären Spielzeit. Daher wird auf der Nachbarbühne bereits munter am Sound gefeilt, was das Erlebnis etwas trübt – aber nur etwas.

primordial BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

dark funeral

Dark Funeral stehen für ein beinahe Vierteljahrhundert an Kontinuität. Auch im Jahre 2017 sind die Schweden keinen BPM langsamer geworden und liefern noch immer kompromisslose, technisch ausgefeilte Black-Metal-Raserei. Ähnlich wie ihre Kollegen von Marduk haben sie im Laufe der Zeit schon einige Sänger verschlissen.  Nummer vier auch bekannt als Heljarmadr hat das Mikro seit 2014 inne und schlägt sich heute Abend mehr als achtbar. Trotz allem vermisst so mancher den guten Emperor Magus Caligula. Nach triumphalem Intro legen die Schweden dann gleich mächtig los: „Unchain My Soul“ vom letzten Album gefolgt vom Klassiker „Secret of the Black Arts“. So schnell kann man eben mal 20 Jahre in die Vergangenheit reisen. Im Verlauf der nächsten Stunde kommt jedes Album zu seinem Recht von ‚Vobiscum Satanas‘ mit „Ravenna Strigoi Mortii“ über ‚Diabolis Interium‘ („The Arrival of Satan’s Empire“), ‚Attera Totus Sanctus‘ („666 Voices Inside“) und ‚Angelus Exuro pro Eternus‘ („Stigmata“) bis zu „Where Shadows Forever Reign“. Insgesamt ein überzeugender Auftritt bei glasklarem Sound.

Dark Funeral BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

cruachan

Mit Cruachan steht erneut irischer Celtic-Metal an. Anders als Primordial gehen Keith Fay und seine Mannen einen traditionelleren Weg und sind sich nicht zu schade für Tinwhistle, Bodhrán, Banjo und Geige. Ihre Songs wurzeln zwar ebenfalls im Black-Metal betonen aber eher die fröhlichen und kämpferischen Aspekte der irischen Geschichte. Stellvertretend dafür stehen die Songs an diesem Abend „The Morrigan’s Call“, „Ride On“ und „I am Warrior“.  In knapp 50 Minuten bieten Cruachan einen Querschnitt durch ihre Historie. Vom Debutalbum ‚Tuatha na Gael‘ bis zum letzten Release ‚Blood for the Blood God‘ wird fast jede Station ihrer Karriere einmal angespielt. Dabei versprüht der Fünfer aus Dublin fässerweise Spielfreude. Was zum perfekten Auftritt noch fehlt: Ein frischgezapftes Guinness oder Murphy’s Red!

Cruachan BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

Todtgelichter

Die aus Hamburg stammenden Todtgelichter beenden an diesem Abend nach 15 Jahren ihre Band-Karriere. Sängerin Marta und ihre Mitstreiter haben sich eine Pause auf unbestimmte Zeit verordnet. Ihren Fans machen sie dabei wenig Hoffnung, dass das Buch namens Todtgelichter jemals wieder aufschlagen werden wird. So ist dieser letzte Auftritt ein Abschied von den Fans. Ein Abschied von einem mehr als einem Jahrzehnt Avantgarde-Metal. Abschied von einem bemerkenswerten Bühnenkonzept. Letztlich auch der Abschied vom 2017er Ragnarök.

TODTGELICHTER BEIM RAGNARÖK FESTIVAL 2017

So oder so es ist ein besonderer Abend, ein emotionaler Abend für alle Beteiligten. Dennoch verbleibt der fade Beigeschmack, dass die Hamburger den Rausschmeißer geben. Es wäre dieser außergewöhnlichen Kombi zu wünschen gewesen, sich vor vollem Haus verabschieden zu dürfen. So sind es wenigstens die Treuesten der Treuen, die verbleiben. Diese erleben mit „Zuflucht“, „Café Of Lost Dreams“, „Blutstern“, „Phobos & Deimos“, „Ghost“, „Soil“, „Embers“, „Neon“ und „Pacific“ ein ausgewogenes Set, das repräsentativ für das Selbstverständnis der Band steht. Daher verwundert es auch nicht, dass die frühen rein schwarz-metallischen Jahre kaum repräsentiert sind. Präsent hingegen wird die Vergangenheit als der ehemalige Gitarrist und langjährige Mitstreiter Claudio beim allerletzten Song der Hamburger auf die Bühne kommt. Eine letzte Verbeugung.

Und so geht auch die 14. Ausgabe des Ragnarök-Festivals zu Ende. Wie üblich glänzt das Ragnarök durch perfekte Organisation und auch die Soundprobleme der letzten Jahre hatte man bis auf wenige Ausnahmen im Griff. Netterweise hatte der Wettergott ein Einsehen: Statt das Festival mit Regen und Hagel zu torpedieren, war es weitestgehend trocken und am Freitag sogar zeitweilig sonnig. In Erinnerung bleibt ein Festival, dass mit bester Feierlaune (FInsterforst, Kultasiipi), großartiger Musik (Primordial, Ferndal, Anomalie) und bewegenden Auftritten (Todtgelichter, Dornenreich) punkten konnte. Wir freuen uns aufs nächste Jahr!

Danke an:
Hannes Fuchs (Dvergir Photography) für Bilder und Text