So war das Ragnarök Festival 2017 – Freitag


Prognosen zum Weltuntergang haben alle eines gemeinsam: Kleinlaut muss der Prophet im Nachhinein zugeben, sich geirrt zu haben. Ob Maya-Anhänger oder Scientologen: sie lagen alle bisher ganz daneben… Ganz daneben? Nein! Eine von unbeugsamen fränkischen Metalheads bevölkerte Stadt hört nicht auf, Jahr um Jahr den Weltuntergang zu feiern. Wir befinden uns im Jahr 2017 n. Chr. und ganz Lichtenfels ist von langhaarigen, überwiegend schwarzgewandeten Gestalten besetzt: Es ist wieder die Woche nach Ostern-Zeit für DIE Festivalinstitution, wenn es um Folk-, Pagan- und Black-Metal geht: Das Ragnarök.

Kultasiipi

Nach dem eisigen Gastspiel der Frostriesen im letzten Jahr, ist auch dieses Jahr kaum Besserung zu erwarten. Schon bei der Anreise fährt der ICE an schneebedeckten Mittelgebirgshängen vorbei und es ist Nachtfrost angekündigt. Aus diesem Grund ist die Stadthalle Lichtenfels und der Campingplatz auch etwas leerer als in den Jahren zuvor. Zumal es dieses Jahr nicht gelungen ist, bei den Headlinern den ganz großen Wurf zu landen. Um uns nicht misszuverstehen: Das Billing ist auch heuer wieder stark besetzt und ausgewogen. Allein es fehlen die ganz großen Namen.

Die Südfinnen Kultasiipi aus dem schönen Berlin eröffnen am Freitag den bunten Reigen. Vor bereits mehreren Hundertschaften spielt das Sextett munteren Folk-Metal mit deutlichem Humppa-Einschlag und verbreitet dabei beste Laune. Dass trotz finnischer Texte und Melodien keines der Bandmitglieder finnisch spricht oder gar aus Finnland kommt, bleibt eine Randnotiz. Singen, Trinken und Feiern steht im Vordergrund. Neben klassischen Instrumenten wie Flöte, Harfe und der traditionellen Kantele kommen natürlich auch Metalgitarren nicht zu kurz. Elemente alter finnischer Volkslieder werden mit den verschiedensten Metal-Stilen verwoben – ein würdiger Opener für den diesjährigen Weltuntergang. Umso mehr da der reguläre Gitarrist Olut Tynnyri heute leider passen muss. Nachwuchs kündigt sich an und da hat der junge Vater verständlicherweise wichtigeres im Kopf. Wir drücken die Daumen!

Kultasiipi beim Ragnarök Festival 2017

firtan

Firtan sind auf dem Ragnarök keine Unbekannten. 2014 durfte das Quartett zu nachtschlafender Mittagszeit den Opener am Samstag geben. Damals wie heute überzeugt das Quartett aus Baden-Württemberg mit heidnischem Black-Metal. Dass die Haare inzwischen etwas kürzer ausfallen als beim letzten Gastspiel wird geschickt mit Kapuzen getarnt. Apropos Gastspiel: Olli von Finsterforst – auch nicht gerade für seine Wallemähne bekannt – unterstützt die Badener Kollegen im Rahmen eines neuen Stücks. FIRTAN werkeln gerade an einem neuen Album und lassen das Lichtenfelser Publikum bereits daran teilhaben.

Firtan beim Ragnarök Festival 2017

Anomalie

Auch bei Anomalie begegnen uns bekannte Gesichter. Mitglieder von Harakiri for the Sky und Agrypnie, die später an diesem Wochenende noch ihr Gastspiel geben, sowie Bifröst bilden das Line-Up. Musikalisch lassen sich die Mannen um Mastermind Marrok schwer einordnen. Post-Black-Metal trifft es wohl noch am besten.  Kraftvoll und bisweilen schwermütig erklingen die Stücke – aber ebenso mal rasend und furios. In Kerzenschein gehüllt präsentiert das Sextett einen umfassenden Einblick in ihr brandneues Album ‚Visions‘. Etliche Tonträger gehen davon später über Merchandise-Ladentheke – verdienterweise.

Anomalie beim Ragnarök Festival 2017

Voltumna

Bei den Italienern Voltumna lichtet sich das Publikum sichtlich. Der etruskische Black-/Death-Metal hat offensichtlich wenig Freunde diesseits der Alpen. Auch der Soundengineer gehört nicht dazu, denn die Songs des in Kutten gehüllten Vierers lassen sich nur entfernt wiedererkennen. Leider ein altbekanntes Problem auf dem Ragnarök und auch nicht das letzte Auftreten von Soundbrei an diesem Wochenende. Vielleicht kommen die Streiter aus dem römischen Umland aber auch zu pathetisch daher. Etwas dick aufgetragen bieten Zilath, Haruspex und Co. die Disciplina Etrusca feil. Auch das Venom-Cover ‚Black-Metal‘ lockt trotz großem Einsatz wenig Festivalbesucher vom Bierstand weg.

Voltumna beim Ragnarök Festival 2017

ellende

Mit der nächsten Band geht die Reise wieder auf die andere Seite der Alpen. Der aus Graz stammende Multi-Instrumentalist und Sänger Lukas bringt sein elegisches Solo-Projekt Ellende auf deutsche Bühnen. Damit der atmosphärische Black-Metal des Österreichers live seine Wirkung entfalten kann, wird er von vier weiteren Mitstreitern unterstützt. Die Saitenfraktion und das Schlagzeug kommen live im gutem Sound daher und allein das Keyboard entstammt der Retorte. Wie man es aus dieser Sparte gewohnt ist, sind die Songs überlang und ausufernd. Gerade mal vier Songs stehen heute auf der Setlist, um die 40 Minuten Spielzeit zu füllen. Dazu Intro und Interludien. Das letzte Album ‚Todbringer‘ stellt mit „Verachtung“ und „Ballande auf den Tod“ die Mehrheit der Setlist. Aber mit „Der letzte Marsch“ und „Zwischen Sommer und Herbst“ kommt die jüngere Vergangenheit nicht zu kurz. Episch, atmosphärisch, überzeugend!

Ellende beim Ragnarök Festival 2017

Fäulnis

Mit Black-Metal der räudigeren Sorte geht es weiter. FÄULNIS setzen, wie es der Name es schon vermuten lässt, weniger auf Melancholie und Naturmystizismus als der Österreicher. Vielmehr sind es Themen wie Krankheit, Ekel und die dunkle Seite der menschlichen Existenz, welche die Hamburger nun mehr seit fast 15 Jahren umtreibt. Im Gepäck haben die Nordlichter das neue Album ‚Antikult‘, das mit „Block 19“, „Metropolis“ und „Galgen, kein Humor“ auch nicht zu kurz. Während sich Sänger Seuche stetig um Kleidungsstücke erleichtert (erst Jackett, später Schuhe) und wie gewohnt im schmierigen Feinripp über die Bühne marodiert, feiert das Publikum den Fünfer ordentlich ab. Belohnt wird das Engagement mit Highlights der Bandgeschichte wie „Weil der Verachtung“, „Weiße Wände“ und „30. Juli“.

Fäulnis beim Ragnarök Festival 2017

Fjoregyn

Fjoergyn sind nun bereits zum siebten Mal zu Gast. In Anbetracht der 14. Ausgabe das Festivals eine beachtliche Quote. Zu berichten gibt es daher wenig abgesehen davon, dass auch die Thüringer mit ‚Lvcifer es‘ ein neues Album am Start haben. Elevenking sind der zweite Vertreter aus Italien an diesem Abend und passen ähnlich gut oder schlecht ins Bild wie zuvor die Kollegen von Voltumna. Optisch erinnern die Norditaliener aus dem schönen Venetien entfernt an Dark Funeral. Doch dort enden die Gemeinsamkeiten auch schon. Die Meinung zum dargeboten Power-Metal mit deutlich folkigen Einschlag gehen weit auseinander. Mit Post-Black-Metal der Marke HARAKIRI FOR THE SKY geht der Freitag weiter. Die Österreicher beglücken die Besucher mit elegischen, traurigen Melodien. Schade, nur dass der Gesang auf Dauer etwas eintönig wirkt. Musik zum Träumen.

insomnium

Die Finnen Insomnium treten das Gaspedal gleich mächtig durch. Lupenreiner Melodic Death skandinavischer Prägung wird Salve um Salve auf das Publikum abgefeuert. Was das Metallerherz besonders freut: anders als viele bekannte Weggefährten in diesem Genre erfinden sich Insomnium stets neu, ohne dabei in den Gefilden des Metal-Core zu wildern. Eine beachtenswerte Leistung,  wenn man auf fast zwanzig Jahre Bandgeschichte zurückblickt. Leider bleibt das jüngste Werk der Finnen ungespielt. Aber Songs mit der epischen Länge von 40+ Minuten zu spielen trauen sich nur  Green Carnation. Das finnische Quartett bietet indes Songs aus allen Epochen der Bandgeschichte an: „The Promethean Song“, „Only One Who Waits“, „Down with the Sun“ und „The Gale“ um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Insomnium beim Ragnarök Festival 2017

Finsterforst

Das Großherzogtum Baden zeigt Flagge auf der rechten Bühne, woFinsterforst in ganz großer Besetzung auftreten. Neben Dreifachbesetzung an der Gitarre konnte auch „the one and only Hannes“ an der Quietschkommode reaktiviert werden. Der auch Lulatsch genannte Akkordeon-Spieler, der den Sound vonFinsterforst über ein Jahrzehnt hinweg geprägt hat, verließ letztes Jahr die Band. Es wird überliefert, dass bei den Proben zur Reunion die eine oder andere Träne der Rührung geflossen sein soll.  Schade nur, dass der Tontechniker das Akkordeon beim Mischen komplett vergisst. Über lange Strecken ist es kaum wahrnehmbar. Dem Publikum ist es egal, was neben der Spielfreude der Schwarzwälder auch an der Schnapsspende von Sänger Olli an die ersten Reihen des Publikums liegt. Gekrönt wir der Auftritt von Gastauftritten von Phillip von Firtan und Robse von Equilibrium beim Gassenhauer „Mach dich frei“

Finsterforst beim Ragnarök Festival 2017

Dornenreich – Akustik

Den Freitag beschließen Dornenreich mit dem ersten ihren beiden Auftritte auf dem Ragnarök. Heute in besinnlicher Manier und rein akustischem Setting bieten Eviga und Inve ihre Werke dar. Kein Schlagzeug, keine Stromgitarre weit und breit. Die Halle ist ob der späten Stunde und trotz des ungewöhnlichen Auftritts noch gut gefüllt.  Naturgemäß steht heute Abend das Album ‚In Luft geritzt‘ aus dem Jahr 2008 im Mittelpunkt. Sänger Eviga jauchzt und seufzt sich durch „Freitanz“, „Meer“ und „Jagd“. Allein „Der Hexe nächtlich‘ Ritt“ und „Traumestraum“ stammen aus anderen Schaffensphasen. Geiger Inve lächelt dabei stets wissend in sich hinein.

Dornenreich beim Ragnarök Festival 2017

Danke an:
Hannes Fuchs (Dvergir Photography) für Bilder und Text